Großenlüder | Neujahrsempfang in Großenlüder fokussierte die neue Leistungskultur

Unternehmertum als Wohlstandsmotor

Von klein auf wurde ihm vorgelebt, dass Erfolg erst einmal Anstrengung bedeutet – und dass es dabei immer Chancen gibt. Noch mehr aus seinem Leben verriet der Unternehmer und Autor Martin Limbeck (56) den Gästen beim gemeinsamen Jahresempfang vom Gewerbeverein Großenlüder und der Gemeinde im gut besuchten Lüderhaus.

Von Mirko Luis

Das im vergangenen Jahr erschienene Buch des gebürtigen Esseners mit dem Titel „Dodoland – Uns geht’s zu gut!“ erreichte eine Bestseller- Platzierung im Magazin „Spiegel“. „Ich tippe, dass 70 Prozent der Vertriebler im Land der Name unseres Gastredners etwas sagt. Umso glücklicher sind wir, dass er unserer Einladung gefolgt ist“, freute sich der Vorsitzende des Gewerbevereins Großenlüder Stephan Günther. In seinem kurzen, aber prägnanten Grußwort bezeichnete er die These des Gastredners zwar als durchaus „gewagt“. Mit Blick auf die geopolitische Lage und Folgen des Ukraine-Krieges räumte Günther ein, dass es uns allen tatsächlich schon besser ging. „Noch besser“, wie er anmerkte. Allerdings dürfe angesichts der mit dem vorübergehenden Wohlstandsverzicht verbundenen Geisteshaltung, alles müsse immer irgendwie ausgeglichen werden, schon die Frage eines alten Karnevalsschlagers „Wer soll das bezahlen …?“ gestellt werden.

Martin Limbeck: „Leben vom Wohlstand von gestern“

Nach weiteren Grußworten von Bürgermeister Florian Fritzsch (parteiunabhängig) und den beiden Pfarrern Joachim Hartel (katholische Kirche) und Dr. Michael Grimm (evangelischen Kirche) kritisierte der in Wesel am Niederrhein lebende Gastredner, „dass wir vom Wohlstand von gestern leben“. Der neue Wohlstand müsse erst noch geschaffen werden – durch eine neue Leistungskultur. Und genau hier sehe er Probleme. Denn lediglich 13 Millionen Menschen in Deutschland schüfen mit ihrer Arbeit reale Werte, 68 Prozent der Arbeitnehmer machten dagegen „Dienst nach Vorschrift“ und lediglich 17 Prozent der Arbeitnehmer identifizierten sich mit ihrem Arbeitgeber. Sorge bereit ihm zudem eine 70-prozentige Steigerung bei den Staatsausgaben. Der Mittelstand müsse viel mehr wertgeschätzt werden, da er alles am Laufen halte. „Schon in der Schule muss mehr über das Unternehmertum gesprochen werden“, forderte Limbeck. Doch solange Lehrer einem Abiturienten, der mit der Traumnote 1,0 den Dachdeckerbetrieb seines Vaters über- nehmen will, hiervon abrieten, stimme etwas Grundsätzliches hierzulande nicht. Anwesenden Unternehmern im Publikum riet Limbeck, nicht nur im, sondern vor allem am Unternehmen zu arbeiten und dabei so mutig zu sein, neue Wege zu beschreiten.


Bürgermeister zitiert Aktkanzler Schmidt: Charakter zeigt sich in der Krise

Zuvor hatte Bürgermeister Florian Fritzsch Altkanzler Helmut Schmidt (1918 – 2015) zitiert, wonach sich „Charakter in der Krise zeigt“. Fritzsch zufolge liegt erneut ein herausforderndes Jahr vor der Gemeinde. Hierbei benannte er vor allem die vier Handlungsfelder Wohnen, Mobilität, Versorgung und Kommunikation-Infrastruktur. Zugute komme der Gemeinde die anhaltende Lust aufs Landleben. Für Großenlüder gelte es unter anderem, touristische Potenziale noch stärker zu nutzen. In diesem Zusammenhang kündigte Fritzsch an, sich in Zusammenarbeit mit Gewerbetreibenden für ein integriertes Konzept im Bereich Tourismus und Freizeit stark zu machen und ein neues „Leitbild für das Gastgewerbe“ zu entwickeln. Eine Chance, für die Vielfalt und Stärken des Standortes Großenlüder zu werben, biete der „Tag der Regionen“, der im Herbst mehrere Aktionstage vorsehe.

Jahreslosung der evangelischen Kirche: „Du bist ein Gott, der mich sieht“

Der evangelische Pfarrer Dr. Michael Grimm erinnerte daran, dass sich viele Menschen, sobald ein neues Jahr beginnt, etwas vornehmen, was sie besser machen möchten als im alten Jahr. „Das soll eine Initialzündung sein“, so der Geistliche. Ob sie dann ihre guten Vorsätze einhalten könnten, das sei noch einmal eine ganz andere Frage. „Auch bei uns in der evangelischen Kirche gibt es für jedes Jahr so eine Art Motto, das heißt dann Jahreslosung – ein Wort aus der Bibel, das uns ein ganzes Jahr begleiten soll“, holte Grimm ein wenig aus. Die aktuelle Jahreslosung „Du bist ein Gott, der mich sieht“ sei sehr schön und aussagekräftig. Gesehen zu werden, wahrgenommen zu werden, anerkannt und gewürdigt zu werden, das sei schließlich ein menschliches Grundbedürfnis. „Das wollen wir und das brauchen wir“, so Grimm. Mit Blick auf den Fokus des Gastredner-Vortrages auf die neue Leistungsgesellschaft wagte Grimm unterdessen die steile These, dass die besagte Jahreslosung kein Gegensatz dazu sei. Denn wenn man in einer ländlichen Atmosphäre lebe und arbeite, bedeute dies, dass Kreativität und Leistung neue Ideen freisetze.  Andererseits seien persönliche Karriere in Fragen eingebettet wie: „Wofür machst Du das eigentlich alles? Was ist das Ziel? Woraufhin arbeitest du?“ Und das schließe den Kreis, weil man bei dieserr Betrachtungsweise wieder ganz schnell bei der Kultur der Menschlichkeit wäre.

Theodor Fontanes Ausspruch bewegt Pfarrer Joachim Hartel besonders

Der katholische Pfarrer Joachim Hartel stellte seinem Grußwort das Zitat des deutschen Schriftstellers Theodor Fontane (1819 – 1898) „Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben“ voran. Dieser Ausspruch des Dichters bewege ihn in diesen Tagen besonders, denn das Alte zu lieben sei letztendlich die Wertschätzung dessen, dass geschaffen worden ist. Hartel richtete den Blick hierbei auf die Wiedereröffnung der alten Liebe, nämlich der Pfarrkirche St. Georg. Diese sei auch von Gewerbetreibenden aus diesem Ort ermöglicht worden. Diese hätten sich unter anderem mit Spenden eingesetzt. „Dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön.“

Deutliches Zeichen gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt

Es ergebe sich aber auch eine Verpflichtung für die Zukunft. Denn diese Kirche stehe mitten im Dorf und sei somit zugleich eine Anrufung jedes Einzelnen von uns, die Werte, die mit dieser Kirche verbunden seien, weiterzuleben. Im Zusammenhang mit Werten erinnerte Hartel an die Silvester-Ausschreitungen in Berlin und die Diskussionen darum nach Neujahrsbeginn, Gesetze zu verschärfen, um Menschen besser schützen zu können. „Diese Diskussion dürfte es normalerweise eigentlich gar nicht geben“, merkte Hartel an. Die Kirche – das fügte er seinen Ausführungen mit einer gewissen Selbstsicherheit an – sei ein „Hort des Guten“ und gebe die Werte der Liebe Gottes weiter an die Menschen. Natürlich sei auch die Kirche keineswegs frei von Fehlern. Zu einem ihrer wichtigsten Anliegen gehöre jedoch das, was Christus ins Leben gerufen habe, tagtäglich zu leben – und somit ein deutliches Zeichen gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt zu setzen. „Dafür stehen wir ein“, betonte Hartel. Anschließend wünschte er den Anwesenden ein gelingendes, friedfertiges und frohes neues Jahr.

Nach Grußworten und Vortrag rege Diskussionen bei Get-together

Mit rund 160 geladenen Gästen aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Vereinen war der Empfang gut besucht. Er bot bis in die frühen Abend- stunden Gelegenheit zum Netzwerken. Für den kulturellen Part sorgte die Formation Mara & Chris Miller Band mit Dagmar Wortberg (Gesang), Christoph Müller (Piano) und Willi Gensler (Flöte/Saxophone).