„Soul Painting ist wie in eine Traumwelt reingucken“
Für „Soul Painting“, wie die gern schon morgens meditierende Frühaufsteherin Clara Morgenthau ihre Kunst nennt, sucht man bis dato – was selten ist – vergeblich nach einem „Wikipedia“-Eintrag. Dafür hat die in Frankfurt am Main geborene Kunstschaffende über das „Malen mit Seele“, wie ihre Berufung übersetzt heißt, sogar schon ein Buch geschrieben.
Von Mirko Luis
Als „Soul Painting – Intuitiv malen und bewusster leben: Alle Grundlagen zu Material und Technik“ Ende April 2022 im Ratgeberverlag „Edition Michael Fischer“ (EMF) erschien, war die Mittefünfzigerin gerade frischverliebt. Nicht etwa in einen neuen Mann oder in ein neues Projekt, sondern in einen Ort mit über 175-jähriger Kurgeschichte: Bad Salzschlirf. Sie und ihr Ehemann Johannes Weiß, den die malende Autodidaktin dreizehn Jahre zuvor bei einer spirituellen Entdeckungsreise auf einer Zugfahrt Richtung Mumbai (Indien) kennengelernt hatte, verliebten sich spontan in den pittoresken Ort.
Der – mit herrlichem Kurpark, schlängelndem Fluss, roter Brücke und Straßencafé-Flair – erreichte sofort das Herz der beiden Reisenden, die mit ihrem Wohnmobil gerade frisch aus Spanien zurückgekehrt waren. „Du Schatz, hier ist’s schön, hier bleiben wir“, rief ihr der gebürtige Oberpfälzer zu, als seine die Natur liebende Frau mit der nach Schauspiellegende Grace Kelly benannten Mischlingshündin „Grace“ aus dem Alsfelder Tierheim von einem kurzen Spaziergang zurückkam. Diese von den beiden Lebensabenteurern überlieferte Szene ist gut 15 Monate her.
„Mein Leben ist so bunt wie die Malerei“, resümiert Clara Morgenthau, deren wie ein schönes Gedicht klingender Name ihren bürgerlichen Namen längst vergessen ließ, bei einem indischen Chai-Tee mit Zimt, Pfeffer, Kardamom und einer kleinen Zugabe Hafermilch. Sei es als Straßenmusikantin, die durch ganz Europa tingelte, Mitwirkende in einem italienischen Wanderzirkus oder Datenexpertin an der Deutschen Börse, die per Sondervertrag nur einen Monat pro Quartal arbeiten musste: Die gelernte Bankerin, die im Alter von vier Jahren am liebsten Comics zeichnete, passt – bis heute – so recht in keine Schublade. Was immer sie auch anpackt, ist jedoch von Leidenschaft beseelt. Das Mindstyle-Magazin „happinez“ (7/2022) schrieb über sie unter anderem: „Die Künstlerin Clara Morgenthau ist davon überzeugt, dass die Seele die Quelle der Kreativität und alles miteinander verbunden ist. Diese Vorstellung zieht sich durch ihr gesamtes künstlerisches Wirken.“
„Liebenswerte Menschen“ und „anmutig erscheinende architektonische Gebäude“
Unterdessen haben es die „wunderschön anmutig erscheinenden architektonischen Gebäude“ und die „liebenswerten Menschen“ in Bad Salzschlirf sowohl Clara Morgenthau als auch ihrem Mann noch heute angetan. Und aus der intuitiven Entscheidung, hier dauerhaft Station zu machen, wurde eine Dauerromanze. So bereichert Deutschlands Soul-Painting-Pionierin Osthessens Künstlerszene mittlerweile mit einem Atelier, veranstaltet Workshops, gibt Präsenz- und Online-Kurse und vernetzt sich mit Gleichgesinnten. Mit Erfolg: Was ganz smart mit einer kleinen Auswahl ihres Schaffens in einem Pop-up-Fenster eines leerstehenden Ladens begann, fruchtete mittlerweile sogar in einem ersten Auftragswerk, einem zehn Quadratmeter großen Wandbild im Andachtsraum des renommierten Pflege- und Beratungszentrums „Haus Waldeck“. Den momentan noch leerstehenden Klangdom vielleicht eines Tages für temporäre Kultur- und Kunstzwecke nutzen zu können, fände die Künstlerin spannend.
Tanz von Pinsel, Farbe, Herz und Seele auf der Leinwand
Nicht nur die Künstlerin selbst, auch deren Kursteilnehmer lieben den Tanz von Pinsel, Farbe, Herz und Seele auf der Leinwand. „Wenn man der ureigenen Kreativität begegnet, gibt das nicht nur Mut und Selbstvertrauen zurück, sie heilt uns“, sagt die Künstlerin. Ihre bislang älteste Teilnehmerin, eine 78-jährige Frau, hätten sogar die Tränen in den Augen gestanden. „Clara, das war die schönste Woche meines Lebens!“, habe diese gesagt.
Den „inneren Kritiker“ besiegen
Clara Morgenthau versteht nur zu gut, was in Menschen in solchen Momenten vor sich geht. „Ihnen ist es gelungen, den ‚inneren Kritiker‘, den wir alle kennen und der uns schwächt, bevor wir unser kreatives Potenzial entfalten können, zu bezwingen“, sagt sie. Der stillen Angst, etwas nicht zu können, könne ganz einfach begegnet werden, „indem auch mal ein krummer Strich zugelassen wird“. Viel wichtiger sei, den schöpferischen Moment zu verinnerlichen. „Soul-Painting ist wie in eine Traumwelt reingucken“, so die Künstlerin. Die bei „Soul Painting“ zur Anwendung kommende Acryltechnik zeichne sich nicht nur durch kräftig leuchtende Farben, kräftige Pinselstriche und klare Linien, sondern auch mehrere Schichtungen aus, wobei das Durchscheinen unterer Schichten nicht selten für verblüffende Effekte sorge.