Nüsttal | Familie Vieth aus Silges hatte Besuch vom Hessischen Rundfunk

Raus aufs Land? Aber natürlich!

NÜSTTAL. Sie haben Reagenzglas und Stethoskop gegen Mistgabel und Gummistiefel getauscht: Chemiker Stefan Vieth und seine Frau Ulla, Ärztin, hat es von Marburg zurück aufs Land gezogen. In Stefans Heimat-ort Silges betreiben die beiden nun einen Hofladen. Und das liefert jede Menge Stoff für die Sendereihe des hr „Raus aufs Land“, die Geschichten über Menschen erzählt, die das Stadtleben hinter sich gelassen haben.

Von Sabine Burkardt

„Wir haben keine Ahnung, was uns erwartet. Mal schauen, was das Kamerateam des Hessischen Rundfunks aus unserer Geschichte gemacht hat“, erzählen Stefan und Ulla. Fünfmal war das dreiköpfige Fernsehteam nach Silges gereist, um der Familie in ihrem Alltag auf dem Land über die Schultern zu schauen. „Wir waren an den fünf Drehtagen von morgens bis abends beide komplett verkabelt, alles, was wir gesagt haben, wurde aufgezeichnet. Zum Schluss sind noch 30 Minuten davon übriggeblieben. Wir sind echt gespannt“, sagt Stefan, der in Marburg Chemie studierte hatte. Dort lernte er auch seine Frau Ulla kennen. Die beiden hatten ihr Leben in der Stadt sehr genossen, erzählt die gebürtige Nordfriesin: „In der Stadt bekommt man doch alles, man kommt überall hin. Aber als sich bei uns Nachwuchs ankündigte, kamen wir ins Grübeln. Ist das wirklich alles? Ist dies das Leben, das wir wollen?“ Als Stefans Großvater starb und dessen Fachwerkhaus in Silges leer stand, war die Entscheidung für das Leben auf dem Land mitsamt Direktvermarktung und Hoferhaltung gefallen. „Wenn wir es nicht ausprobieren, dann wissen wir auch nicht, wie es gewesen wäre“, so der 32-Jährige.
Im Erdgeschoss entstand der Hofladen „Hammelmöhre“ , in dem selbst angebautes Obst und frisches Gemüse, Müsli, Eier und fermentierte Waren angeboten werden. Ulla arbeitet zusätzlich noch als Ärztin in einer Hünfelder Praxis. Das Landleben sei anders als das Stadtleben, mit viel Arbeit verbunden und manches mal mühseliger. Aber es gebe unheimlich viel zurück. „Wir sehen, was wir geschafft haben. Wir haben jede Menge Platz, können uns entfalten und Dinge bewegen. Wir erleben die Natur und können etwas dafür tun, dass es ihr gut geht. Das ist für mich wie einGeschenk“, erklärt Ulla. Direkt neben dem Wohnhaus führt die „Nüst“ vorbei, und die Familie konnte schon den seltenen Eisvogel und die Wasseramsel beobachten.
Als das Fernsehteam in Silges auftauchte, war vor allem der Kameramann überrascht über Handgriffe und Tätigkeiten, die für Familie Vieth nicht besonders aufregend sind. „Der hatte doch tatsächlich geglaubt, er könnte mitsamt Kamera-Equipment auf unserem alten Deutz D 30 mitfahren. Es hatte natürlich wild geschaukelt, so dass er es ganz schnell aufgegeben hatte“, lacht Stefan Vieth.
Die Kamera verfolgte Familie Vieth bei allen Arbeiten, die im Laufe des Jahres zu bewältigen sind. Egal ob bei Renovierungen am Fachwerkhaus, bei der Arbeit mit den Hühnern, auf dem Acker, beim Packen der Abokisten (Kisten mit Produkten aus eigenem Anbau) oder eben bei der eher kurzen Fahrt mit dem alten Deutz. Das Team vom hr sei supernett gewesen, und die Arbeit mit Kamera und Mikrofon habe riesigen Spaß gemacht. Obwohl die Familie nach der Anfrage des Fernsehteams erst mal ablehnen wollte. „Unsere Bürgermeisterin Marion Frohnapfel hatte dem hr den Tipp gegeben, sich doch mal bei uns zu melden. Wir sagten zuerst nein, aber die haben nicht locker gelassen. Heute sind wir froh, dass wir zugesagt haben und zeigen können, was wir so machen,“ sagt Ulla. Die beiden finden es wichtig, dass die Verbraucher sich mehr Gedanken darüber machen, wo die Lebensmittel herkommen und wie sie produziert werden. Sohnemann Jarle bekommt die Produktionsprozesse hautnah mit und weiß, dass das Sauerkraut nicht im Supermarkt wächst, sondern auf dem Acker. Und dass Obst und Gemüse nicht immer perfekt geformt sind und glänzen, sondern dass eher gilt: Qualität geht vor Optik. „Das ist eine Wertschätzung unserer heimischen Produkte und der Natur“, betont Stefan.
www.hammelmöhre.de

In der ARD-Sendung „Raus aufs Land“ begleitet ein Kamerateam Menschen, die bewusst von der Stadt aufs Land ziehen und sich Herausforderungen stellen müssen. Familie Vieth ist mit ihrer Geschichte am Sonntag, 21. Januar, um 19 Uhr im Hessischen Rundfunk zu sehen.