Bad Salzschlirf | Gut besuchte Informationsveranstaltung vom Verein „Leben und Arbeit – Wir für Bad Salzschlirf“

Inklusives Wohnprojekt: „Diese Vision treibt uns an“

Der Verein „Leben und Arbeiten – Wir für Bad Salzschlirf“ würde gerne ein inklusives Wohnprojekt in der Gemeinde realisieren. „Diese Vision treibt uns an“, erklärte Elena Post-Reus, Sprecherin des Vereinsvorstandes, vor wenigen Tagen auf einer gut besuchten Informationsveranstaltung im Kulturkessel.

Von Mirko Luis

„Diese Vision wird sich nicht heute oder morgen verwirklichen lassen. Aber zukünftig wollen wir die Hausnummer 1a haben“, ergänzte zu einem späteren Zeitpunkt des Abends Gründungsmitglied Peter Henkelmann, der in Bad Salzschlirf wohnt und den viele noch aus seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer des Media Markt in Fulda kennen. So ein Projekt sei schließlich wichtig für ein Miteinander von Jung und Alt, von Menschen mit und ohne Behinderung, sodass man mehr zueinander finde. Vielleicht sogar eine Begegnungsstätte zu bauen, das wäre ein sehr wichtiges Ziel, so der weit über die Grenzen seiner Heimatgemeinde gut vernetzte „Macher“.

Zu schauen, welche Möglichkeiten für die Realisierung der Wünsche des Bad Salzschlirfer Vereins bestehen und welche Wohnform in Frage kommen könnte, war Teil des rund 90-minütigen Programms, das „Leben und Arbeiten“-Vereine aus Neuhof und Poppenhausen aktiv mit gestalteten und von innovativen Inklusionsprojekten berichteten. Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Übergabe einer Vereinsspende in Form einer mobilen Rampe für den kürzlich eröffneten BürgerTreff Bad Salzschlirf in der Lindenstraße, der vom Verein Grümel betrieben wird und der die zentrale Anlaufstelle und Treffpunkt für alle Bewohner:innen von Bad Salzschlirf ist. BürgerTreff-Leiterin Doris Strittmatter nahm die willkommene Spende aus den Händen von Bürgermeister Matthias Kübel (CDU), der Vorstandsmitglied im Verein „Leben und Arbeiten – Wir für Bad Salzschlirf“ ist, freudig entgegen. Der Verein „Leben und Arbeiten – Wir für Bad Salzschlirf“ hatte in der Vergangenheit bereits eine mobile Rampe im Bereich der Bibliothek ermöglicht.


„Ihr seid ein Vorbild für uns“

„Ihr seid ein Vorbild für uns, vielleicht können wir uns einiges von Euch abgucken“, sagte Elena Post-Reus zu Beginn des Abends in Richtung der Vereinsvorsitzenden Frank Unger (Poppenhausen) sowie Andree Literski (Neuhof), der zugleich in seiner Funktion als Leiter der antonius Inklusionsberatung für Kommunen Rede und Antwort stand. „Wir dürfen den Aufbau des Netzwerkes in Bad Salzschlirf betreuen und begleiten, worüber wir uns sehr freuen“, sagte Literski. Ein weiterer Gast des Abends war außerdem der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte Udo Bauch aus Eichenzell, der einen regen fachlichen Austausch mit dem neuen ehrenamtlichen Inklusionsbeauftragten der Gemeinde Bad Salzschlirf, Frank Walter, führte. Bauch nutzte die Gelegenheit, dem 2021 gegründeten Verein beizutreten, dessen Mitgliederzahl mittlerweile zweistellig geworden ist. Kernziel des Vereins ist die Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen im körperlichen, sozialen oder geistigen Bereich am alltäglichen Leben des Kurortes.

Kirmes-Spezialität „Kaambräädje“ passten zum Motto des Abends

Mit Blick auf das den Abend versüßende Hefegebäck namens „Kaambräädje“, das es früher immer zur Kirmes gab, ging die 36-jährige Betriebswirtin und Bankerin Post-Reus auf das Motto des Abends „Wir bewegen was! Drehen auch Sie am Rad“ ein. Das traditionelle Gebäck sehe aus wie ein Zahnrad, und jedes Zahnrad – im übertragenen Sinne jeder Mensch – sei wichtig. „Deswegen ist es uns wichtig, dass wir heute das Thema Inklusion gemeinsam näher betrachten“, unterstrich Post-Reus. Als Untermalung präsentierte der Bad Salzschlirfer Verein ein kurzweiliges Video, das auf dem beliebten „Kesselmarkt“ entstand. Dort hatte der Verein eine kleine Fragerunde zum Thema Inklusion gestartet. „Inklusion bedeutet für mich, dass man mit Menschen, die anders sind, zusammen lebt“, meinte etwa Friedrich Meister, Vorsitzender der Gemeindevertretung in Bad Salzschlirf. „Inklusion ist für mich, wenn alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe, gleich welcher Sprache, Einschränkungen, ohne Einschränkungen, zusammen leben in einer großen Dorfgemeinschaft. Alle sind eins – eine tolle Sache“, formulierte der Rathauschef. Für einen Rollstuhlfahrer bedeutete Inklusion unterdessen, „möglichst überall hinzukommen“, während die evangelische Pfarrerin Sandra Jost verriet, dass für sie der wichtigste Ort der Inklusion in Bad Salzschlirf der Spielplatz sei. Denn wenn sie dort hingehe, bekomme sie viele Kontakte zu Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern.

Die beste Inklusion ist die, die man gar nicht merkt

Im weiteren Verlauf des Abends stellte Andree Literski dem Vorsitzenden des aus der Rhön-Gemeinde Poppenhausen angereisten Vereins, Frank Unger, eine spannende Frage. „Wir merkt man, dass es den Verein in Poppenhausen gibt?“, lautete diese. Ungers Antwort: „Ja, man merkt es eben genau daran, dass man es gar nicht merkt. Denn der Verein ist mittlerweile tief im Gemeindegeschehen verwurzelt“, so der Vorsitzende des 2009 ins Leben gerufenen Vereins, der 2024 sein 15-jähriges Jubiläum feiert und somit der älteste Verein im Landkreis Fulda ist, der das Thema Inklusion vorantreibt. Die Idee dafür sei bei einem Gläschen Wein an der Theke eines Gemeindeempfangs geboren worden. Mit Bürgermeister Manfred Helfrich (CDU) und Rainer Sippel (antonius) hätten sich seinerzeit eben zwei echte Macher getroffen, die sich gesagt hätten: „Lass’ uns doch mal was versuchen!“ Das inklusive Pilotprojekt in Poppenhausen wurde zu einer bis heute anhaltenden Erfolgsgeschichte. In einem Wohnhaus mit sieben Appartements – direkt neben dem Rathaus – werden Menschen mit Behinderung im „Betreuten Wohnen“ unterstützt. Doch nicht nur das: Auch im Arbeitsleben und in der Freizeit gibt’s über den Verein Leben und Arbeit tolle Unterstützung, wie Inklusionsnetzwerker Marcel Schaaf berichtete. Die betreuten Menschen unterstützen beispielsweise den Schwimmbaddienst oder sind als „Mädchen für alles“ in der Backstube tätig.


Udo Bauch: „Ein guter Anfang, aber mir geht es nicht schnell genug“


Udo Bauch (Eichenzell) verriet unterdessen, dass Bad Salzschlirf im Grunde seine zweite Heimat im Landkreis Fulda sei und er hier einen großen Freundeskreis habe. Er bewundere die Aktivitäten des Vereins „Leben und Arbeiten – Wir für Bad Salzschlirf“ und könne den Vorstand zur Gründung dieses Vereins nur beglückwünschen. Zum Abbau von Barrieren in Eichenzell hätten die Gemeindevertreter entsprechende Gelder locker gemacht. „Ein guter Anfang, aber mir geht es nicht schnell genug – aber die Amtsmühlen mahlen nun einmal langsam“, so Bauch, der sich über jeden Bordstein, der in Eichenzell abgesenkt wird, freut. Es gebe in jedem Fall viel zu tun, sagte er mit Blick auf Ergebnisse eines Barriere-Checks. So sei er gemeinsam mit antonius-Bewohnern des Herrenhauses losgegangen und habe geschaut, wo Barrieren sind, Handläufe fehlen oder Absätze zu hoch sind. Ergebnis: „In nur zwei Stunden konnten wir 40 Stellen finden, an denen keine Barrierefreiheit gegeben ist.“ Man wolle solche Checks in jedem Ortsteil durchführen, kündigte Bauch an. Abgesehen davon hätte sich in Sachen Inklusion durch den Verein „Leben & Arbeiten in Eichenzell“ und die DRK-Ortsgruppe viel getan. Behinderte und Nichtbehinderte träfen sich sehr oft zu gemeinsamen Aktivitäten im Ort.

Umnutzung von ehemaligem Pfarrhaus in Neuhof

Andree Literski (Neuhof) berichtete von einer wichtige Etappe auf dem Weg zur inklusiven Gemeinde. Im  Mittelpunkt dabei: das neue Wohnprojekt, das im Mai vergangenen Jahres im ehemaligen evangelischen Pfarrhaus eingeweiht worden war. Und wo heute vier Menschen mit Behinderungen untergebracht sind und von Antonius-Fachkräften im Alltag und in der Freizeit professionell unterstützt und betreut werden. Weichensteller für das Projekt war Bürgermeister Heiko Stolz (CDU), „Brückenbauer“ Andree Literski und Sozialpartner die Bäckerei Happ. Die Unternehmer Christoph und Michael Happ hatten die Immobilie im Dezember 2021 erworben und dann in Sozialwohnungen umbauen lassen. Mittlerweile vermieten die Brüder das Gebäude langfristig und zu einem günstigen Preis an den Verein Leben und Arbeiten in Neuhof. Bewohnerin Sabrina Schlag und Bewohner Benedikt Enders zeigten sich beim Infoabend in Bad Salzschlirf begeistert von ihrem neuen Zuhause.

Nächste Veranstaltung am 5. Mai am Kulturkessel



Schon heute lädt der Bad Salzschlirfer Verein Interessierte zum „Protesttag“ zum Thema „Zukunft barrierefrei gestalten“ am 5. Mai am Kulturkessel ein. Hier besteht unter anderem die Möglichkeit, mit Vereinsmitgliedern ins Gespräch zu kommen und bei Live-Musik einen gemütlichen Feierabendshoppen zu trinken.