Region | Allerlei politisches Geschrei um Gebäudenutzung im „Hahnekiez“ im Schlitzer Stadtparlament

Heiko Siemon: „Schlag ins Gesicht der LoPa“

Ein Hochregallager, ein Showroom, in dem Whiskeyfässer lagern und durch Anstrahlen illuminiert werden sollen, und ein hübscher kleiner Regionalladen – die Lösung für die künftige Nutzung des sogenannten Gebäude „J“ im „Hahnekiez – Kulturviertel Schlitz“ schien bis zur jüngsten Stadtverordnetenversammlung in der Kulturscheune Queck perfekt. Auch die Lokale Partnerschaft („LoPa“),die zur inhaltlichen Abstimmung und Beratung im Umsetzungsprozess des Stadtumbaus eingerichtet wurde, hatte die Langzeit-Vermietung des Gebäudes an die Schlitzer Destillerie empfohlen.

Von Mirko Luis

Doch wie häufig im Leben kommt alles anders, als man denkt – trotz allerlei guten Argumente, die Bürgermeister Heiko Siemon (CDU) ins Feld führte, zog er in einer vor allem von der FDP Schlitzerland kontrovers geführten Debatte die Reißleine und zog den Beschlussantrag der Verwaltung – wohl auch ein wenig der fortgeschrittenen Zeit am Sitzungsabend geschuldet – zurück. Zuvor hatte es auf Antrag der SPD-Fraktion eine fünfminütige Sitzungsunterbrechung gegeben. Eine Entscheidung soll nun – nach weiteren Beratungen – in der nächsten Sitzung fallen.

 

„Wir würden gerne im Besitz des Gebäudes bleiben und haben einen Mieter, der nah an der Stadt ist, unsere Geschichte in sich trägt und die kompletten Kosten des notwendigenn Innenausbaues schultern würde“, hatte Siemon bei der Einbringung des Antrages handfeste Vorteile für die Nutzung des 560 Quadratmeter umfassenden Gebäudes aufgezählt. Zu letzteren gehörten natürlich auch entsprechende Pachteinnahmen., Wobei größere Veränderungen an Fassaden, Fenstern und Toren nur vorgenommen werden sollten, wenn hierfür Fördermittel über das Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) flössen. Der von Prof. Dr. Konrad Hillebrand (SPD) geleitete Ausschuss für Bauen, Stadt- und Dorfentwicklung (BSD) hatte die Überlegungen im Vorfeld mehrheitlich befürwortet.

FDP kritisiert: „Vom Ziel weit entfernt“

„Weit entfernt“ vom Ziel, „lebendige Zentren“ zu schaffen, sah indes Jürgen Laurinat (FDP) die Pläne eines Lagers. Ein solches sei eher „traurig“ und werde der Förderung der Innenstadt nicht gerecht. Der FDP-Fraktionschef brachte einen so genannten „Ersetzungsantrag“ ein. Dieser forderte im Kern eine öffentliche Ausschreibung. Ein Regionalladen, so die FDP in dem Antrag, sei zwar eine „sinnvolle Ergänzung“, diese könne aber auch problemlos in einem anderen Gebäude auf dem ehemaligen Brauereigelände oder in einem der zahlreichen anderen Leerstände in der Schlitzer Innenstadt untergebracht werden. „Da es sowohl nachweislich als auch gerüchteweise weitere am Gebäude J interessierte Personen und Unternehmen aus dem Schlitzerland und der näheren Umgebung gibt, soll diesen im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung Gelegenheit eingeräumt werden, ihre jeweiligen Pläne und Nutzungskonzepte den am ISEK-Prozess beteiligten Gremien zur Beratung und Entscheidungsfindung vorzulegen“, forderte die FDP in ihrem Antrag.

Heiko Siemon: „Für Ideenwettbewerb keine Chance“

„Für einen Ideenwettbewerb gibt es keine Chance“, konterte Bürgermeister Heiko Siemon. Der Vorstoß der FDP gehe zudem nicht konform mit derHessischen Gemeindeordnung (HGO). „Wir können nicht ausschreiben, wer was machen möchte. Das geht nur bei einem Verkauf oder wenn wir sagen, dass wir an jemanden anderen verpachten.“ Abgesehen davon sei das, was die FDP vortrage, „ein Schlag ins Gesicht der LoPa“. Siemon bezweifelte, ob die Schleife, die das Parlament jetzt drehen soll, wirklich so sinnvoll ist. Bis jetzt sei bei ihm im Rathaus kein Investor vorstellig geworden. An diesem Punkt hakte Thomas Landgraf (FDP) nach, der sich erkundigt, welche Vorschläge denn überhaupt noch für die Nutzung des Gebäudes eingegangen seien. In seiner Antwort nannte Siemon einen Ausstatter für Jagdutensilien und eine „Schau-Molkerei“, beide Vorschläge hätten sich jedoch zerschlagen.

Mehr Klarheit für Gebäude „K“

Klarheit herrscht unterdessen, was mit dem vor der Stadtverordnetenversammlung ebenfalls im BSD-Ausschuss beratenen Gebäude „K“, in dem sich derzeit ein halbes Dutzend Garagen befinden, geschehen soll. Geplant sind ein Gastraum für ein Café/Bistro mit Küchentrakt, Kühllager, Lager und öffentlicher Toilette. Das Café/Bistro – in der Einflugschneise Richtung Innenstadt gelegen – soll ein Anlaufpunkt für Touristen sein. Deshalb sollen im Zuge der Investition auch eine öffentliche Toilette, Fahrradabstellmöglichkeiten, ein Kinderspielplatz und eine gepflegte Grünanlage entstehen.

BLS: Nahe an den urspünglichen ISEK-Planungen dran

„Das ist nahe an den ursprünglichen ISEK-Planungen dran“, lobte Dr. Jürgen Marxsen, Fraktionschef der „Bunten Liste Schlitzerland“ (BLS). „Gerade wenn Busse ankommen, ist das doch eine schöne Sache“, meinte CDU-Fraktionsvorsitzender Kevin Alles. Von einem personell besetzten Tourismusbüro ist die Burgenstadt dem Vernehmen nach aus Kostengründen abgerückt – als Alternative sind digitale Infostelen und Info-Points mit klassischen Print-Fylern angedacht.

CDU-Fraktionschef: „Ständige Spitzen gegen Bürgermeister nicht angebracht“

Aktuelle Kostenschätzungen belaufen sich auf 1,4 Millionen Euro, wobei auch hier der Löwenanteil über Fördermittel finanziert würde, sagte Bürgermeister Heiko Siemon. Ihm zufolge wird der Eigenanteil bei 466.000 Euro liegen. Der FDP-Stadtverordnete Daniel Braun monierte, dass bei den 1,4 Millionen Euro Kosten keine Einrichtung des Bistros dabei sei, die der künftige Pächter somit quasi selbst mitbringen müssen. „Was fest verbaut wird, muss förderfähig sein“, klärte Verwaltungschef Heiko Siemon auf, wobei hier das Denkmalamt und die Förderstelle ein Wörtchen mitzureden habe. Bei lediglich vier Enthaltungen bekam der Grundsatzbeschluss für die anvisierte Nutzung von Gebäude „K“ eine klare Mehrheit. Man habe bereits über dei Hälfte der benötigten Gelder bewilligt bekommen, hatte der Bürgermeister bei Einbringung der Beschlussvorlage eine schöne Nachricht mitgebracht. Ob nach der Inbetriebnahme des Gebäudes im Haushalt der Stadt eine schwarze Null auf Kostenseite gelingt, gilt trotz der Pachteinnahmen eher unwahrscheinlich – aber auch hier ist noch nicht aller Tage Abend. CDU-Fraktionschef Kevin Alles konnte sich gegen Ende der Debatte einen Satz in Richtung FDP nicht verkneifen: „Die ständigen Spitzen gegen den Bürgermeister sind nicht angebracht in der heutigen Zeit.“

Erste Veranstaltung möglicherweise schon im Januar 2024

Wie die Stadtverwaltung mitteilt, entsteht unter der Internetadresse www.hahnekiez.de aktuell eine Onlinepräsenz, die alle wichtigen Infos zu Buchungen der Räumlichkeiten und alle aktuellen Termine enthält. Als erster möglicher Veranstaltungstermin wird der Januar nächsten Jahres genannt, vorher gibt es noch weitere öffentliche Führungen, bei denen Interessierte herzlich eingeladen sind, sich ein Bild vom Baufortschritt vor Ort machen zu können.

Ernennung von drei Ortsvorstehern zur „Ehren-Orstvorstehern“

Eingangs der Sitzungen fanden eine Reiihe von Ehrungen statt. Bernd Allendorf (Ortsvorsteher Ützhausen von 1993 bis 2016), Werner Schmidt (Ortsvorsteher Unter-Schwarz von 1993 bis 2021) und Wilfried Susemichel (Ortsvorsteher Rimbach von 1997 bis 2021) wurden zu „Ehren-Ortsvorstehern“ ernannt. Die Ehrung nahm Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Dickert (CDU) vor, der sich in Vorbereitung seiner Laudatio mit den drei Herren traf und sich über deren Amtszeit informierte. Dickert betonte dabei, dass – egal, was er sage – dies lediglich ein Symbol sei er dem nicht gerecht werden könne, was die drei genannten Ortsvorsteher für das Schlitzerland und die Stadt geleistet hätten. Allen drei Geehrten sei die gute Zusammenarbeit im Ortsbeirat sowie der Rückhalt im Dorf wichtig gewesen. Bei Eigenleistungen hätten sie alle drei tatkräftig mit angepackt, so Dickert.

 

„Silberne Ehrennadel“ der Stadt Schlitz für Werner Pflanz

Für seine Lebensleistung bekam außerdem Werner Pflanz die „Silberne Ehrennadel“ der Stadt Schlitz aus den Händen von Bürgermeister Heiko Siemon überreicht. Stadtverordnete, Stadträte und Besucher erhoben sich und spendeten stehend Applaus.Pflanz gehörte unter anderem 14 Jahre lang dem Vorstand des FSV Pfordt an, den er mitgründete und für den er sich zudem als Spieler und Schiedsrichter engagierte. „Als junger Spieler habe ich ihn als väterlichen Freund kennengelernt, der weltoffen und sehr international ist“, sagte Bürgermeister Heiko Siemon. Er habe zudem 30 Jahre lang dem Vorstand des Fußballkreises Lauterbach-Hünfeld angehört und 1300 Fußballspiele bis zur Landesliga geleitet. Zudem engagierte er sich in der Kirche und im Verein „Wir in Schlitz“, der das Wort „Nachbarschaftshilfe mit Leben füllen will“. Pflanz war außerdem Mitglied des Ortsbeirats Pfordt und engagiert sich im Trachten- und Volkstanzkreis. Siemon: „Für mich ist er ein Held des Alltags, jemand, der sich durch Zivilcourage, sein Engagement für Schwächere und seine Hilfsbereitschaft auszeichnet.“