Gründer-Power im „Kerbersch Koarl“ mit Aachener Jubel
„Es wird dieses Jahr krass“, versprach Florian Albinger, Wirtschaftsförderer der Region Fulda GmbH, den Finalisten und Zuschauern des CBC – „Creative Business Cup Germany 2024“ keineswegs zu viel. Die Szenerie der zum zweiten Mal in Fulda ausgetragenen deutschen Meisterschaft der kreativen Gründer jagte das Adrenalin in die Höhe – und zog sowohl Gründer als auch Jury und potenzielle Investoren in den Bann.
Von Mirko Luis
Für die Aachener Architekten Ina-Marie und Marcin Orawiec (OX2architekten) und Projektleiterin Saskia Schmidt wird der Pitch in der ehemaligen Betten und Küchenabteilung des „Kerbersch Koarl“, wie die Einheimischen liebevoll das ehemalige Kerber Kaufhaus im Herzen der Barockstadt nennen, noch lange nachhallen. Denn mit ihrem Projekt „rethink*rotor“ hat das sympathische Trio den deutschen Vorentscheid des Creative Business Cups gewonnen und darf am 5. Juni zum Finale der WM der kreativen Gründer in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen.
„Für mich ist es wirklich eine große Ehre, den Gewinner zu küren. Ein Riesenapplaus an alle, die heute gepitcht haben. Hut ab, was ihr geschafft habt“, sagte Daniela Hartmann, Ansprechpartnerin für Vernetzung und Förderung der hessischen Kreativwirtschaft mit Schwerpunkt im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. „Es hat ein Start-up gewonnen, das mich schockiert hat mit einem Problem, von dem ich noch gar nicht wusste“, gestand sie ein. Und meinte damit das Recyclingproblem bei Rotorblättern von Windkraftanlagen, das auch schon „Der Spiegel“ ausführlich behandelte. Aktuell werden die Rotorblätter nach ihrer Demontage entweder verbrannt oder im Ausland deponiert statt recycelt. Dass Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete hierzu, dass selbst bei der Müllverbrennung Reste bleiben. Laut Gesetzeslage dürfen Rotorblätter nicht deponiert werden.
Entsorgung ist „toxisch und teuer“
Die Entsorgung sei „toxisch und teuer“, verdeutlichte das Architektenpaar Ina-Marie und Marcin Orawiec während des dreiminütigen Pitches. Sie stellten die revolutionäre Idee vor, ausrangierte Rotorblätter umzufunktionieren und für die Bauwirtschaft zu nutzen. In der gebe es eine gigantische Materialnachfrage. Die Idee sei im Frühjahr 2022 während eines “Urban Mining“ Seminars entstanden. Letzteres war am Fachbereich Architektur der Hochschule Darmstadt in einem fachbereichsübergreifenden Team aus Lehrenden und Studierenden durchgeführt worden. Im selben Jahr hatten sich der Fachbereich Architektur der Hochschule Darmstadt und die OX2architekten GmbH in einer Projektpartnerschaft zusammengeschlossen und die Innovationsplattform “rethink*rotor” gegründet. Wie hoch das Potenzial ist, veranschaulichte eine Zahl sehr deutlich: So fallen den beiden Aachener Architekten zufolge allein in Deutschland jedes Jahr 7500 ausgemusterte Rotorblätter an. Mit Blick auf den Weltmarkt erneuerbarer Energie werde schnell deutlich, dass es sich um einen Millardenmarkt handelt.
Künstliche Inselwelten im Südpazifik
Die pfiffigen Architekten haben schon 15 denkbare Anwendungsgebiete entwickelt. Herausragende Materialeigenschaften – wie etwa Dauerhaftigkeit, Korrosionsbeständigkeit, ein geringes Gewicht bei gleichzeitig hoher Steifigkeit sowie die Formschönheit der Bauteile – lassen die im Pitch vorgestellten Varianten realistisch erscheinen. So könnten aus den Bauteilen beispielsweise schwimmende Inseln, Seehäfen oder gar künstliche Inselwelten entstehen, die für Bewohner im Meer versinkender Destinationen eine neue Heimat bilden könnten. Aber auch eine Tribünenüberdachung oder ein Informationszentrum wären denkbar. Ina-Marie Orawiec machte zudem Hoffnung, dass aus der Idee heraus ganz neue Geschäftsmodelle, neue Berufsgruppen und Bildungsformate entstehen könnten. Voraussetzung sei eine Unterstützung durch die Politik. „Wir stehen da noch ganz am Anfang“, sagte die kosmopolitisch denkende Fachfrau. Sie wimdete den Moderatorin Sabine Räth ein wenig an einen der höchsten Berge der Alpen, das Matterhorn, erinnernden CBC-Siegerpokal freudestrahlende ihrem Mann. Der feierte an diesem Tag seinen 66. Geburtstag – der Zahl, von der man sagt, das Leben fange da erst an. „Für mich ist dieses Gefühl heute wirklich ein Stück weit da.“
Hochkarätig besetzte Jury um Job nicht zu beneiden
Unterdessen war die ausnahmslos mit erfolgreichen Gründerinnen und Gründern besetzte Jury mit Sven L. Franzen, Adina Schneider, Alexandra Koch, Peter Sänger, Julian Rauch, Markus Lorenz und Can Lewandowski keineswegs um den Job zu beneiden, aus den vielversprechenden Finalbeiträgen der zwölf Finalisten die innovativste, nachhaltigste und kreativste Geschäftsidee zu küren. Denn auch die anderen Unternehmensgründungen, die in der bezaubernden Locationen Einblick in ihre DNA, ihren Markteintritt und ihre Wirkung auf Verbraucherinnen und Verbraucher oder Business-Kunden gaben, waren ambitioniert. Sabine Räth – begeisterte Wirtschaftsjuniorin, Moderatorin, Standesbeamtin in Künzell und nicht zuletzt glückliche Mama – brachte es auf den Punkt.
Eine Vision, ein Ziel oder Lust auf was Neues
„Alle hier im Raum sind hier, weil sie eine Begeisterung, eine Vision, ein Ziel, Lust auf etwas Neues und etwas zu verändern haben.“ Sie selbst stehe, wenn sie einmal für etwas brenne, in Flammen. Mit dieser Metapher hatte ihr CBC-Cheforganisator, der mit seiner Coolness, seiner Designer-Brille und seinem Wortwitz ein wenig an TV-Legende und Entertainer Stefan Raab erinnert, zuvor ein Kompliment gemacht.
Wie der Bundesvision Song Contest – nur ohne Barbara Schöneberger
Tatsächlich sei der Wettbewerb ein wenig wie der frühere Bundesvision Song Contest im musikalischen Bereich – „nur ohne Barbara Schöneberger“, zog Sabine Räth einen spannenden Vergleich. Naheliegender war da freilich das große VOX-TV-Format „Die Höhle der Löwen“. Denn gepitcht wurde in Fulda ganz ähnlich – die Regeln sahen drei Minuten Präsentation und eine anschließende fünf- bis siebenminütige Fragerunde vor. Vom Jungunternehmer, der den Café aus der Hosentasche in Form von koffeinhaltiger Bonbons präsentiere (5,6 Millionen davon wurden bereits gelutscht), über aus Textilmüll gemachte Mode aus der Bundeshauptstadt Berlin von einem Start-up namens „Moot“ („Made out of trash“, zu gut deutsch: Gemacht aus Müll) bis hin zu einer Plattform für europäischen Qualitätsjournalismus (eine App namens „kompreno“) reichte die Bandbreite der Geschäftsideen.
Messlatte für kommende Events hochgelegt
Aus insgesamt 70 Bewerbungen hatten es die jungen Unternehmen ins Finale geschafft, bei dem nicht nur viele neue Kontakte, sondern auch spontane Freundschaften entstanden sind. Bei einer Afterwork-Party war sich die Gründer-Community einig, dass das 2024-er Event die Messlatte für kommende Veranstaltungen weiter nach oben gelegt hat. Dank gelte allen Sponsoren, betonte Moderatorin Sabine Räth während des von der Region Fulda organisierten Events. Namentlich waren das die Stadt Fulda, StartHub Hessen (Netzwerk aus Unternehmen, Gründerzentren, Förderern), Hessen Trade & Invest (Wirtschaftsentwicklunfgsgesellschaft des Landes Hessen) sowie die Geschäftsstelle Kreativwirtschaft Hessen.