Für die Rathaus-Chefs gibt’s Wichtigeres als Sternchen
Gemischte, teils konträre Reaktionen hat das wenige Tage alte Gender-Verbot in Landesministerien von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) bei Verwaltungen auf Kreis- und kommunaler Ebene in der Region Fulda hervorgerufen.
Von Mirko Luis
„Zu einer bürgernahen Verwaltung gehört auch eine einheitliche und verständliche Sprache“, hatte Rhein erklärt, nachdem er grammatikalische Zeichen wie Sternchen und das Binnen-I, Doppelpunkt, Unterstrich oder Sternchen zur Kennzeichnung mehrerer Geschlechter in einem Wort per Dienstanweisung verboten hatte.
„Ist Gendern jetzt auch für kommunale Verwaltungen in Osthessen tabu – und wie gehen diese mit dem Thema um?“, fragte die Mediengruppe Parzeller in einer Umfrage den Landkreis, alle Bürgermeister der Region sowie das städtische Klinikum Fulda. Der Löwenanteil der Befragten, die sich Zeit für die Beantwortung der Frage nahmen, begrüßten den Schritt von Rhein – allerdings schimmerte durch, dass vor allem die Kommunalpolitik derzeit dringlichere Probleme hat. Nachfolgend Statements, die unsere Redaktion zum Thema Gender-Verbot in Hessen erreichten.
Leoni Rehnert, Pressesprecherin des Landkreises Fulda:
„Der Landkreis Fulda folgt der Empfehlung des Rats der deutschen Rechtschreibung. Sowohl in der Außen- als auch der Innendarstellung der Dienststelle werden keine Sonderzeichen verwendet. Entweder werden die weibliche und die männliche Form genannt oder neutrale Formulierungen – wie etwa Lehrkraft.“
Priv.-Doz. Dr. Thomas Menzel, Vorstandssprecher des Klinikums Fulda:
„Im Klinikum Fulda und in den Tochterunternehmen werden wir künftig auf Gender-Sonderzeichen verzichten und überwiegend geschlechterneutrale Formulierungen verwenden, wie das substantivierte Partizip oder Doppelformulierungen wie zum Beispiel Patientinnen und Patienten.“
Johannes Heller, Pressesprecher der Stadt Fulda:
„Die Stadtverwaltung Fulda richtet sich schon bislang beim Sprachgebrauch und in den offiziellen Dokumenten nach den Rechtschreibregeln der Duden-Redaktion. Dies bedeutet, dass jeweils die weibliche wie die männliche Begrüßungs- und Schreibweise genutzt wird. Ein Verwenden von sogenannten Gender-Sternchen oder sonstigen Gender-Varianten ist nicht vorgesehen. Unabhängig davon kommt es gerade zum Beispiel bei der Wiedergabe von Anträgen und Anfragen von Fraktionen / Gruppierungen und Stadtverordneten oder auch bei sonstigem Schriftverkehr vor, dass sogenannte Gender-Varianten in der Schriftform verwendet werden. Diese werden zwar – aufgrund der rechtlichen Urheberschaft – teils im Grundtext übernommen, aber bei der verwaltungstechnischen Bearbeitung in eine Rechtschreibung nach Duden überführt.“
Florian Fritzsch (SPD), Bürgermeister der Gemeinde Großenlüder:
„Verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern, insbesondere mit Gender-Stern, mit Binnen-I, mit Unterstrich, mit Doppelpunkt, sind bei Schriftstücken der Gemeindeverwaltung Großenlü-der noch nicht zum Einsatz gekommen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden geschlechtsneutrale Formulierungen oder die männliche und weibliche Form verwendet, damit sich Inhalte einfacher lesen, verstehen und nachvoll-ziehen lassen. Die Gemeindeverwaltung orientiert sich an den Empfehlungen der Gesellschaft für deutsche Sprache und der DUDEN-Redaktion zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch. Persönlich bin ich der Auffassung, dass das Genderverbot der hessischen Landesregierung reine Symbolpolitik ist, die Ressentiments antifeministischer und rechtsextremer Kräfte bedient. In den kommunalen Verwaltungen hat das Thema keine große Priorität.“
Helmut Käsmann, Pressesprecher der Stadt Hünfeld:
„Bislang bedurft es keiner entsprechenden Dienstanweisung zum Gendern für die Stadtverwaltung Hünfeld, da sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die gängige Rechtschreibung in dieser Frage gehalten haben.“
Benjamin Reinhart (parteiunabhängig), Bürgermeister der Gemeinde Ebersburg:
„Die Anschreiben der Gemeinde Ebersburg sind bislang sowohl in der weiblichen als auch in der männlichen Form erfolgt, die schriftliche Ausdrucksmöglichkeit des Genderns fand keine Anwendung in den offiziellen Schriftstücken. Somit ergeben sich für unsere Kommune keinerlei Änderungen in der schriftlichen Korrespondenz und es wird weiterhin wie bisher verfahren. Wir sind selbstverständlich bestrebt, eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden und gleichzeitig den Vorgaben des Landes zu entsprechen.“
Dr. Steffen Korell (CDU), Bürgermeister der Stadt Gersfeld:
„Ich selbst spreche mich deutlich gegen das „Verunstalten“ unserer (Schrift-) Sprache durch das Einfügen von Sonderzeichen wie #, *, -, : oder Ähnlichem (Gender-Sternchen, Gender-Gap aus) aus, um so eine Geschlechtergerechtigkeit ausdrücken zu wollen. Für mich wirkt dies teils krampfhaft und künstlich und erschwert den Schreibfluss, die Lesbarkeit und damit die Verständlichkeit von Texten. Daher begrüße ich Empfehlungen des Rates für die deutsche Rechtsschreibung und die jüngsten „Gender-Verbote“. Auch geschlechtsneutrale Formulierungen wie „Mitarbeitende“, „Lernende“ „Studierende“ nutze ich nicht, sondern schreibe regelmäßig die weibliche (vorangestellt) und männliche Form aus („Mitarbeiterinnen“ und „Mitarbeiter“) oder ich verwende nur das generische Maskulinum welches, im jeweiligen Kontext, auch weibliche Personen einschließt. Ich stehe hinter dem Gedanken der Geschlechtergerechtigkeit, halte aber andere Maßnahmen, als das unleserlich-machen unserer Sprache, für angezeigter. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Gersfeld (Rhön) wurden von mir angewiesen die Entscheidung des Ministerpräsidenten in der Verwaltung der Stadt Gersfeld ebenfalls umzusetzen.“
Manfred Helfrich, Bürgermeister der Gemeinde Poppenhausen:
„Das Gendern war vor dem Verbot der Anwendung im Poppenhausener Rathaus kein Thema und wird, unterstützt durch das Verbot der Hessischen Landesregierung, auch künftig keine Rolle spielen. Die Verwaltungsleitung und die Kolleginnen und Kollegen im Rathaus haben die unseres Erachtens ideologiegetriebene Sprache nicht angewandt. Die Anwendung liest und hört sich irgendwie ’sprachfremd‘ an. Auch wenn man sich der Weiterentwicklung der deutschen Sprache nicht verschließt, so empfindet man die gendergeprägte Ausdrucksweise aufgesetzt und befremdlich. Ich bin sehr zufrieden mit dem Verbot durch den Hessischen Ministerpräsidenten, weil auch ich der Meinung bin ‚Sprache muss klar verständlich sein!‘ Das vorhandene Vokabular ist meines Erachtens ausreichend und geeignet, jedes Geschlecht in gleicher Weise anzusprechen.“
Klaus-Dieter Vogler (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Dipperz:
„Die Gemeindeverwaltung Dipperz hat keine grammatikalischen Zeichen im Zusammenhang mit dem Gendern verwendet. Wir verwenden in unseren Schreiben ausschließlich die weibliche und männliche Form und begrüßen und freuen uns über die Klarstellung des Ministerpräsidenten.“
Jürgen Hahn (CDU), Bürgermeister der Point-Alpha-Gemeinde Rasdorf:
„Für unsere Verwaltung gab es hierzu bisher keine Dienstanweisung und wird es auch für die Zukunft nicht geben. Auch wir sind der Auffassung, dass für eine geschlechtergerechte Sprache die weibliche und männliche Form ausreichen. Dabei werden wir natürlich die weibliche Form voranstellen. Ansonsten ist es jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter freigestellt, ob in bestimmten Situationen oder Sachverhalten von der allgemein üblichen Form abgewichen wird oder auch abgewichen werden muss.“
Christian Henkel (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Flieden:
„In den Schriftstücken und Veröffentlichungen der Gemeindeverwaltung Flieden wurden in der Vergangenheit in der Regel keine Binnen-Zeichen wie Sterne oder Doppelpunkte zum „Gendern“ verwendet, sondern, wo angebracht, die weibliche und männliche Form. Ich begrüße die Klarstellung durch die Landesregierung, da in der Vergangenheit auch im Verwaltungsalltag zunehmend Unsicherheit darüber entstanden ist, welche Schreibweise angebracht ist. In Flieden werden wir auch künftig auf Binnenzeichen verzichten und im Übrigen weibliche und männliche Formen verwenden, wenn die Lesbarkeit von Texten dadurch nicht leidet. So wird es auch in Zukunft hier und da sinnvoll sein, zu Gunsten der Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten das generische Maskulinum zu nutzen, ohne damit Personengruppen auszugrenzen.“
Dieter Hornung (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Burghaun:
„In der Marktgemeinde Burghaun ändert sich diesbezüglich gar nicht, da wir auch vorher in Korrespondenz auf die Nutzung von Gendersprache verzichtet haben und bereits bei der allgemeinen Ansprache die weibliche und männliche Form verwendet haben. Einzig in Bereichen, in denen eine geschlechtsneutrale Ansprache die Lesbarkeit verbessert, wurde dies entsprechend geändert.“
Claudia Brandes (parteilos), Bürgermeisterin der Gemeinde Petersberg:
„Angesicht drängenderer Herausforderungen kann ich das aktuelle Engagement der hessischen Landesregierung für sprachliche Feinheiten nicht nachvollziehen. Während wir mit ernsthaften Problemen wie Wirtschaftsfragen, sozialen Ungleichheiten und Umweltkrisen konfrontiert sind, erscheint mir die Diskussion über grammatische Zeichen und sprachliche Konventionen als Nebensache. Ich bin der Überzeugung, dass die Förderung einer inklusiven Sprache wichtig ist. Ein Verbot in dieser Angelegenheit halte ich allerdings für ebenso unangebracht wie eine Pflicht, das Gendern zu verwenden. Jeder sollte frei wählen können, wie er sich sprachlich ausdrückt.“
Peter Kirchner (parteiunabhängig), Bürgermeister der Gemeinde Ehrenberg:
„Die Gemeindeverwaltung Ehrenberg (Rhön) verwendet in der Regel die weibliche und männliche Anrede. Dies wurde auch in einer Teamsitzung besprochen und bestätigt. Andere Formen zur Kennzeichnung mehrerer Geschlechter sind eventuell in Einzelfällen verwendet worden. Entsprechende Verbote werden nicht ausgesprochen und sind aus unserer Sicht nicht nötig.“
Johannes Rothmund (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Eichenzell:
„Derzeit gibt es keine entsprechende Dienstanweisung auf Ebene der Gemeinde Eichenzell (weder pro noch contra). Persönlich halte ich das Thema nicht für das aktuell drängendste auf kommunaler Ebene. Dennoch werden wir das bei Gelegenheit intern diskutieren. Die Dienstanweisung des Landes liegt uns derzeit nicht im Volltext vor.“
Timo Zentgraf (parteiunabhängig), Bürgermeister der Gemeinde Künzell:
„Die Gemeinde Künzell hat in der Vergangenheit bei außenwirksamen Texten wie Stellenausschreibungen und in manchen Einladungstexten das Gendersternchen verwendet, da diese Schreibweise zwischenzeitlich Eingang in das allgemeine moderne Schriftbild gehalten hatte. Verwaltungsintern wurde diese Schreibweise noch nie verwendet. Nach der erneuten Äußerung des Rates für deutsche Rechtschreibung werden wir in zukünftigen Stellenausschreibungen und Texten auf das Gendersternchen verzichten und wieder durch ein Slash „/“ ersetzen. In den meisten Fällen wird dann sowohl die weibliche als auch die männliche Schreibweise erscheinen oder durch geschlechterneutralere Formulierungen wie ‚Mitarbeitende‘ statt ‚Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter‘ ersetzt werden.“
Peter Malolepszy (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Hosenfeld:
„Wir gehen mit dem Thema ziemlich unaufgeregt um, da es für uns wichtigere Dinge gibt, die zu regeln sind. Ich habe bislang auch noch keine Dienstanweisung zu einer geschlechtergerechten Sprache erlassen, was ich auch nicht tun werde. Wir werden in unseren schriftlichen Veröffentlichungen – wie bisher auch – sowohl die weibliche als auch die männliche Form der Anrede (zum Beispiel „Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger“) verwenden. Dies entspricht letztendlich der Regelung des Landes Hessen, die ich für sinnvoll und bürgernah sowie praxisorientiert und geschlechtergerecht halte.“