Schlitz | Zehntausende Besucher absolut begeistert vom traditionellen Schlitzer Trachtenfest

Folklore, Musik und Tanz bis zur „25. Stunde“

Viertägiger Ausnahmezustand in der Burgenstadt im Vogelsberg beim Internationalen Musik- und Folklore-Festival: Bis zur weltweit wohl einmaligen „25. Stunde“, dem Zeit des Abschiednehmens, werden beim traditionsreichen Trachtenfest bis zu 60.000 Gäste aus dem In- und Ausland erwartet.

Von Mirko Luis

Sonderbusverkehr für Besucher und umliegende Kommunen

Besucherinnen und Besuchern aus dem Schlitzerland und umliegenden Kommunen steht dabei wieder der Sonderbusverkehr zur Verfügung. Seit der von Tausenden Gästen bejubelten Eröffnung am Freitagabend haben Trachtengruppen aus Deutschland, Italien, Kroatien, den Niederlanden, Rumänien, Schottland, Slowenien, Kroatien und Mexiko bei Temperaturen von über 30 Grad Schwerstarbeit zu verrichten. Denn die alles andere als leichten und luftigen Trachten bringen die Aktiven bei ihren Bühneneinsätzen mächtig ins Schwitz. Aber auch die Eisdielen und Gastronomen, bei denen aufgrund des herrlichen Sommerwetters seit Freitagabend die Kassen klingeln, kommen an ihre Grenzen. In einzelnen Eisdielen entstanden am Samstag lange Warteschlangen, weil Waffeln nachbeordert werden mussten.

Für jeden musikalischen Geschmack ist etwas dabei

In der pittoresken Altstadt, mit ihren Fachwerkhäusern, schmalen Gässchen, Musikbühnen und Festzelten, jagt rund um den historischen Marktplatz und das Burgen-Ensemble ein Höhepunkt den anderen. Ob Karaoke, Discoparty, Schlagermusik oder handgemachte Rockmusik aus fünf Jahrzehnten – im viertägigen Musik- und Festprogramm ist für jeden Geschmack etwas dabei. Es verbindet wie das Trachtenfest selbst Generationen auf und neben der Bühne. Zwischen den angereisten Trachtengruppen, die in privaten Quartieren in und um Schlitz untergebracht sind, und den Einheimischen wurden zahlreiche bestehende Freundschaften gepflegt und neue geschlossen.


Landestypische Folklore erzählt aus dem Alltag von Menschen

Landestypische Folklore zieht das Publikum magisch an. Die Aktiven zeigen dabei landes- und regionaltypische Folklore, die vom Leben und ganz normalen Alltag in den betreffenden Ländern erzählt. Aus Italien reiste die „Gruppo Folkloristico Caprivese Michele Grion“ an. Beim Auftritt führte die Gruppe Tänze auf, in denen Szenen aus dem bäuerlichen Alltag von einst im Mit- telpunkt standen. Die kroatischen Gäste vom „VARAŽDINSKI FOLKLORNI ENSAMBL“ nahmen sogar eine 30-stündige Busfahrt in Kauf, um beim Trachtenfest dabei sein zu dürfen. Der frenetische Applaus nach ihren mitreißenden Auftritten dürfte sie für die Strapazen entschädigt haben. „Tine Rožanc“ aus Ljubljana ist eines der erfolgreichsten und größten Folklore-Formationen aus Slowenien. Die „Royal Burgh of Renfrew Pipe Band“ warten mit traditioneller schottischer Musik aus ihrem Heimatland auf, drei Mädels der Gruppe zogen bei ihren bisherigen Auftritten zudem mit spektakulären Tänzen die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. „De Losser Böggelrieders en Daansers“ aus Holland bewiesen, dass man auch bei Tänzen in Holzschuhen eine überaus gute Figur machen kann. Für pure Lebensfreude sorgte auch „Ansamblul Folcloric Mugurelul“, ein rumänisches Folkloreensemble. Die weiteste Anreise hatte die auf Europatournee befindliche mexikanische Folkloregruppe „Vallarta Azteca“, die in ihren bunten Kostümen und die Seele berührenden südamerikanischen Musik die Zuschauer in Schlitz in den Bann zog.

Bunter Vergnügungspark abseits der Aufführungen

Abseits der Musik- und Tanzaufführungen verwandelt die Schaustellerfamilie Ferling die Günthergasse mit Fahrgeschäften und Essens- und Spielbuden in einen bunten Vergnügungspark. Hier kann man Mut und Geschicklichkeit beweisen, sein Glück an Losbuden versuchen oder den „kleinen Hunger“ zwischendurch stillen.

Regionale Produkte und fliegende Händler

Wem unterdessen der Sinn nach regionalen Produkten oder Waren aus aller Welt steht, wird in der Ringmauer fündig. Hier bieten fliegende Händler und regionale Erzeuger noch bis Montag ihre vielfältigen, vom Vulkanlikör und Lavendelprodukte bis zu Lederwaren und Accessoires, Produkte an.

Schlitz ist mehr als ein Schuld auf der Autobahn“

Schlitz sei weit mehr als ein Schild auf der Autobahn, sagte ein Sprecher der aus Holland angereisten „De Losser Böggelrieders en Daansers“, die im Ortsteil Hemmen untergebracht und mit ihren Holzschuh-Tänzen schon in Moskau und Hongkong für Begeisterungsstürme sorgten. Nach 1973, 1987 und 2015 besucht sie in diesem Jahr bereits zum vierten Mal das Schlitzerländer Trachtenfest. Mit ihren hölzernen, eisenbereiften Fahr- und Laufrädern, gekleidet in die schlichte, dunkle Bauerntracht der Region Twente und mit klobigen Holzschuhen an den Füßen gewannen sie innerhalb weniger Minuten die Sympathien des Publikums. Schlitz sei ein Aushängeschild für ein friedliches und freundschaftliches Miteinander in Europa und darüber hinaus in der ganzen Welt, betone der Sprecher der Gruppe.

23 weiße Tauben als Symbol für den Frieden

Dazu passte eine besondere Premiere am Freitag: Vor den Augen der angereisten politischen Prominenz der Region schickte der Pfordter Taubenzüchter Uwe Fischer 23 weiße Tauben gen Abendhimmel – ein schöneres Symbol für den Frieden hätte es kaum geben können. Unter den Gästen war natürlich der Vogelsberger Landrat Manfred Görig (SPD). Aber auch Vizelandrat Jens Mischak (CDU) nahm auf der Ehrentribüne Platz. Bundestagsabgeordneter Michael Brand (CDU), der Vogelsberger Wurzeln hat, kam gemeinsam mit seiner Mutter zum Fest. Der hessische Landtagsabgeordnete Michael Ruhl (CDU) reise aus Wiesbaden an. Der Schlitzer Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Dickert (CDU) kam in Begleitung seiner seiner Frau Gudrun. Mit von der Partie waren außerdem der Schlitzer Altbürgermeister Hans-Jürgen Schäfer (CDU), der Bürgermeister der ungarischen Partnerstadt Bogyiszlo, István Tóth, sowie Dr. Hans Heuser (CDU), Vorsitzender des Kreistages des Vogelsbergkreises.

Heiko Siemon: „Denken auch an Trachtengruppen aus der Ukraine“

Bürgermeister Heiko Siemon (CDU) – er begrüßte die ausländischen Gäste in ihrer jeweiligen Landessprache – hatte anlässlich der Eröffnung am Freitag betont, was für ein „außerordentlich-berührender Moment“ es für ihn persönlich sei, das Trachtenfest zum ersten Mal als Bürgermeister selber eröffnen zu dürfen. Neue Brücken zu bauen und Freundschaften zu knüpfen, seien die Kernbotschaften des Festes, das nicht nur wegen der vierjährigen, Corona-bedingten Pause ein ganz besonderes sei. „Wir feiern es in einer Zeit, in der es in Teilen Europas einen fürchterlichen Krieg gibt. Wir denken deshalb auch an Trachtengruppen aus der Ukraine, die in diesem Jahr möglicherweise gerne nach Schlitz gekommen wären, dies aber nicht konnten“, sagte er. Leider stehe man diesen Entwicklung ohnmächtig gegenüber. Dank gelte all jenen Schlitzerländer Gastfamilien, die einmal mehr ihre Türen geöffnet hätten. Zusammen zu frühstücken, zu kochen und Zeit zu verbringen, hebe dem Fest eine besondere Note. „Für ein friedliches Miteinander der Nationen gibt es kaum Besseres, als sich auf einer solchen persönlichen Note kennenzulernen und auszutauschen. Familien leisten deshalb einen tollen Beitrag zum Erfolg des Festes.“ Dank gelte aber auch allen Sponsoren des Festes, den Sicherheitskräften, der Polizei, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst.

Nach der Eröffnungsansprache von Klaus Hohlmeier erleuchteten Hunderte von bunten Lichtern

In Schlitzer Mundart trug Anke Schlosser (Vorsitzende des Schlitzerländer Trachten- und Volkstanzkreises), was das Trachtenfest für sie bedeutet. Nach dem gemeinsamen Singen der Schlitzer Stadthymne eröffnete schließlich der 1. Vorsitzende des Heimat- und Trachtenfestvereins Schlitzerland , Klaus Hohmeier, das Festival. Mit dem letzten Wort seiner Eröffnungsansprache erleuchten schlagartig Hunderte von bunten Lichtern den Marktplatz.

Unersättliche feiern bis in die Morgenstunden des Dienstags weiter

Neben der feierlichen Eröffnung des Festivals zählt der Festivalabschluss ab der 25. Stunde am „Festivalmontag“ zu den emotionalsten Momenten des Festivals. Was es damit auf sich hat? Am Ende des Events erlischt die gesamte Illumination, der Marktplatz ist in völlige Dunkelheit getaucht, das Festival ist offiziell zu Ende – kurz darauf gehen alle Lichter wieder an und für die „Unersättlichen“ geht die Party bis in die frühen Morgenstunden des Dienstags weiter.