Fulda | Engineering-High-Tech-Cluster Fulda beleuchtet bei Experten-Forum im Technologiepark Top-Thema KI

ChatGPT: „Die Liste der Jobs, die gefährdet sind, ist lang“

Der Verein Engineering High-Tech-Cluster Fulda will sich noch breiter aufstellen und ab Herbst mit neuem Namen in einem neuen Gewand präsentieren, kündigte Christian Vey vor wenigen Tagen auf dem Engineering-Forum Fulda, das unter der Überschrift „Gamechanger KI?!“ im 3G Tagungshotel im Technologiepark Fulda stattfand, an.

Von Mirko Luis

Dem Geschäftsführer des Netzwerkes von Unternehmen und Institutionen aus der Wirtschaftsregion Fulda zufolge gibt es auch schon Namensvorschläge, über die allerdings erst noch entschieden wird. Für den 5. Juli ist eine außerordentliche Mitgliederversammlung im 2. Obergeschoss des DB Training (Esperantostraße 3 in Fulda) anberaumt. Dem Netzwerk gehören eine Reihe hochkarätiger osthessischer Unternehmen an, die sich mit dem Engineering und der Produktion von Anlagesystemen und Anwendungen in Hochtechnologien befassen. Dem Vernehmen nach soll der regelmäßige Austausch in Zukunft aktiviert werden – Details zur Weiterentwicklung und Neuausrichtung des Clusters sollen nach den Sommerferien vorgestellt werden.

Impuls zur Gründung kam aus Unternehmerschaft selbst

Das Besondere am Fuldaer Cluster ist, dass der Impuls zur Bildung eines Netzwerks aus der Fuldaer Unternehmerschaft selbst gekommen ist. Das hatten 2008, als der damalige Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel das Engineering-High-Tech-Cluster Fulda als eine von 15 hessischen Clusterinitiativen auszeichnete, seinerzeit die Juroren besonders gelobt. 2015 war das Cluster mit dem Bronze-Label der Europäischen Cluster Excellence Initiative ausgezeichnet worden – und erhielt gute Noten für seine regionale Bedeutung sowie die Kompetenzen in der Personalentwicklung.

 

Hessenweit 40 Clusterinitiativen mit 3500 Mitgliedern

Hessenweit gibt es aktuell rund 40 Clusterinitiativen mit annähernd 3500 Mitgliedern. Unter dem Dach „Technologieland Hessen“ findet ein regelmäßiger Austausch dieser Netzwerke statt, wobei das das Engineering-High-Tech-Cluster Fulda durch Kooperationen wie mit dem Verein Zeitsprung IT-Forum Fulda oder dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Darmstadt zusätzlich gut vernetzt ist.

Chancen & Risiken „Künstlicher Intelligenz“ (KI)

Im Fokus des mittlerweile 5. Engineering-Forum Fulda stand in diesem Jahr ein Thema, das auch in Osthessen selbst bei Technik-Laien in aller Munde ist: Künstliche Intelligenz (KI) und die damit verbundenen Chancen, aber auch Risiken. Ganze Berufszweige stehen vor einer Revolution, seit die neueste Generation eines sogenannten Chatbots namens ChatGPT auf dem Markt ist. Ein Chatbot verwendet Künstliche Intelligenz, um sich mit Menschen in natürlicher Sprache zu unterhalten. Das kann man sich in etwa vorstellen wie bei der Sprachassistenten Alexa des Online-Riesen Amazon. GPT ist die Abkürzung für die ziemlich abstrakt klingende englische Bezeichnung „Generative Pretrained Transformer“, was so viel wie erzeugender, vortrainierter Transformator bedeutet. Der Begriff Chat am Anfang der Abkürzung bringt auf den Punkt, dass ChatGPT mit Menschen kommunizieren und Fragen aus nahezu allen Lebensbereichen beantworten kann.

„Es kommt sehr viel auf uns alle zu“

„Es kommt sehr viel auf uns alle zu, das Land Hessen lässt Sie dabei aber nicht allein“, sagte Jan Oliver Schmitt vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen zur Begrüßung der mit 60 Teilnehmenden sehr gut besuchten Veranstaltung. Schmitt verwies hierbei insbesondere auf die zahlreichen, unter der Dachmarke „Technologieland Hessen“, Sponsor des Forums in Fulda, gebündelten Angebote.Diese Dachmarke wurde geschaffen, um technische Neuerungen noch mehr zu unterstützen, hinter ihr steht mit der Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI) die Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Landes Hessen. Schmitt ermunterte, die sowohl klein- und mittelständischen Betrieben (KMU) als auch größeren Unternehmen zur Verfügung stehenden Förderprogramme zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter zu nutzen. Schmitt zeigte sich überzeugt, „dass es in Hessen nicht an Angeboten, sondern an der Inanspruchnahme der Angebote mangelt“. Wahrscheinlich gingen viele unternehmen davon aus, dass das ins Auge gefasste Programm am Ende doch nicht zum eigenen Unternehmen passe. „Fragen hilft, die Förderung ist breit aufgestellt“, riet Schmitt den Anwesenden, darunter Hausherr Winfried Uth.

Enorme Bandbreite an Förderungen

Die Bandbreite der Förderungen reicht vom sogenannten DIGI – Zuschuss bis zu 10.000 Euro für die Einführung neuer digitaler Systeme der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der IT-Sicherheit in KMU bis hin zu 1 Million Euro Unterstützung für die Entwicklung von Technologie für das Schließen von Stoffkreisläufen im Bereich von Sortier- und Recyclingtechnologien. „Sagen Sie uns Ihre Idee, wir schauen uns diese an“, so Jan Oliver Schmitt. Was Hessens Mittelstand unbedingt brauche, sei, KI-Technologien zu einem Produkt zu bringen. Forschung und Entwicklung sei, um am Markt zu bestehen, unerlässlich. „Sorgen muss sich ein Unternehmen machen, das in diesem Bereich nicht unterwegs ist.“

Industrie 5.0 rückt den Mensch wieder in den Mittelpunkt

Christoph Burkard, Geschäftsführer der Region Fulda GmbH, wies darauf hin, dass man mittlerweile nicht mehr von Industrie 4.0, sondern Industrie 5.0 rede. Diese rücke im Gegensatz zu ihrem Vorgänger den Mensch wieder in den Mittelpunkt. Es gehe darum – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – Gutes zu tun für den Menschen. Burkard ging damit auf das Ziel der Industrie ein, Arbeitnehmer mit intelligenten Maschinen und Robotern von körperlich anstrengenden, monotonen Tätigkeiten zu entlasten. Die zwei wichtigsten Herausforderungen in der Wirtschaftsförderung – Fachkräftemangel und Klimawandel – ließen sich mit Industrie 5.0 lösen, zeigte sich Burkard optimistisch. Bei der Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft – hier benannte der Regionalmanager die Schlagwörter Digitalisierung, Dekarbonisierung und Deglobalisierung – hätten regionale Wertschöpfungsketten, wie sie in Osthessen bestünden, zunehmende Bedeutung. Ins Cluster einzutreten und aktiv mitzuarbeiten, hiervon sollten nach Möglichkeit noch viele weitere Unternehmen der Region Gebrauch machen.

Vier spannende Fach- und Praxisvorträge

Den motivierenden Grußworten von Burkard folgten vier spannende Fach- und Praxisvorträgen. Experten der Technischen Universität Darmstadt, des Mittelstand-Digital Zentrums in Darmstadt, der EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG sowie der FFT Produktionssysteme GmbH & Co. KG boten einen umfassenden Überblick zum gegenwärtigen Stand der Technik.

Adrian Glauben von der Technischen Universität (TU) Darmstadt und der und „Zukunftszentrum für menschzentrierte KI in der Produktionsarbeit“ (ZUKIPRO) ging auf Stärken, aber auch Schwächen von ChatGPT ein. Die Technologie könne nicht nur Programmcode produzieren, sondern diesen auch noch ausführen und mit den Ergebnissen weiterarbeiten. Zwar habe der mit unvorstellbar großen Datensätzen trainierte Chatbot ChatGPT selbst keine Möglichkeit, auf aktuelle Informationen zurückzugreifen. Das ändere sich jedoch, sobald man dem Chatbot durch entsprechende Tools – sogenannte Plugins – den Zugang zum Internet ermögliche.

Liste der gefährdeten Jobs ist lang

Dann durchforste er das Internet nicht nur binnen weniger Sekunden nach dem günstigsten Preis zum Traumurlaubsziel, sondern könne die komplette Reisebuchung vornehmen. Dem Wissenschaftler zufolge kämen immer mehr Plugins, die die Funktionen erweitern, auf den Markt – er verglich den Hype mit den Anfängen des App Store. „Die Liste der Jobs, der gefährdet sind, ist lang“, so Glauben, der seinen Job begleitende Arbeitsbereiche da nicht ausnahm. Der ChatGPT sei fast schon ein Data Analyst, so verstehe sich der Chatbot ganz hervorragend auf das Auswerten von klassischen Excel-Tabellen. Dennoch habe das Sprachmodell, das sich auf die sogenannte inkrementelle Vorgehensmodell stützt, gegenüber dem Menschen momentan auch noch klare Schwächen.

Schwächen beim Lösen von nicht kontinuierlichen Aufgaben

„ChatGPT kann Dinge Schritt für Schritt lösen, die danach kommen – er berechnet somit stets die Wahrscheinlichkeit für das nächste Wort. Nicht so gut sei das Sprachmodell indes beim Lösen von nicht kontinuierlichen Aufgaben – vor allem solchen, die es erfordern, dass man noch einmal reflektiert und in die Zukunft denke. „Wenn ich mir zum Beispiel einen neuen Witz überlege, dann setze ich die Pointe voran und mache dann die Geschichte, die zu dieser Pointe hinführt – damit wäre ChatGPT überfordert.

Enormes Risiko: Halluzinieren

Der Umgang mit der durchaus umstrittenen Technologie ist für die Anwender alles andere als risikofrei – Schüler und Studenten, die der Technologie bei Haus- oder Examensarbeiten blind vertrauen, können sich ebenso blamieren, wie laut Medienberichten ein Anwalt in New York, der über ChatGPT Präzedenzfälle anführte, die es gar nicht gab und in den Datenbanken von Richtern nicht auftauchten. So nennt es die Wissenschaft Adrian Glauben zufolge Halluzinieren, wenn ChatGPT – befragt nach einer Quelle – eine Quelle nennt, die es gar nicht gibt. „Und wenn ChatGPT einmal eine Sache falsch gesagt hat, wird der Chatbot dabei bleiben, weil er sich ja wie gesagt auf alles bezieht, was er vorher gesagt hat, „dies aber versuchen, umso überzeugender herüberzubringen“.

Adrian Glauben: Jeder Output muss extrem kritisch betrachtet werden

Experte Glauben zufolge muss man fast Experte sein in einem Thema, über das man etwas von ChatGPT wissen will, um überhaupt validieren zu können: „Ist es überhaupt das richtige Wissen – stimmt das, was ChatGPT sagt.“ Jeder Output müsse also extrem kritisch betrachtet werden. Wobei auch klar sei, dass man ein Sprachmodell nicht vor Gericht stellen kann. Die Verantwortlichkeit liege letztendlich beim Nutzer.

Große Hersteller wollen sich Wettbewerbsvorteil sichern

Ein weiteres Risiko bestehe in möglichen Urheberrechtsverletzungen, die in den Datensätzen enthalten sein könnten. Ein großes Problem sei, dass die großen Hersteller nicht erzählen, wie das Modell trainiert wurde, da sie sich logischerweise beim derzeitigen Wettrennen um die beste Technologie Wettbewerbsvorteile sichern wollen. Wer ChatGPT nutzen wolle, gehe indes allein schon deshalb ein großes Risiko ein, weil er in dem Moment die eigenen Daten preisgeben.

Gretchenfrage: Sind die Amerikaner überhaupt noch einzuholen?

Smartes Engineering im Anlagenbau und Potenziale mit KI war unterdessen das Thema von Christian Kubik, ebenfalls von der TU Darmstadt. Er beantwortete eine der Gretchenfragen des Tages, nämlich, ob die Amerikaner im KI-Wettrennen überhaupt noch einzuholen seien. Hier räumte der Experte ein, dass die klugen Köpfe aus der amerikanischen und chinesischen Wirtschaft zwar besser und schneller bei der Entwicklung neuer Modelle seien. Im Kontext mit der Industrieproduktion sei KI aber zunächst einmal ein Werkzeug, das es gelte, in eine Gesamtprozesskette einzubinden. „Und ich glaube, da sind wir in Deutschland aus forschungs- und entwicklungstechnischer Sicht führend“, so Kubik, der für die Einbindung cleverer KI in die Produktion ebenso praxisnahe Beispiele mitgebracht hatte wie die ihm nachfolgenden Referenten Dr. Frank Breitenbach (EDAG Production Solutions GmbH & Co. KG) und Florian Hasani und Philipp Hochenbleicher (EKS Intec GmbH/FFT Produktionssysteme GmbH & Co. KG).

FÖRDERUNG INNOVATIVER IDEEN & PROJEKTE
Die Bandbreite der Förderungen für innovative Ideen ist riesig. Umfassende Informationen hierzu sind unter der Adresse https://www.technologieland-hessen.de zu finden. Für Interessierte besteht unter anderem die Möglichkeit, sich über einen kostenlosen Newsletter auf dem Laufenden zu halten.