Bad Salzschlirf setzt auf „Gesundheitstourismus“ und „Grüne Oasen“
Die Erkenntnis ist nicht alt, aber sie ist für die einzige Kurgemeinde mit Prädikatsstufe „Heilbad“ im Landkreis Fulda überlebenswichtig: Bad Salzschlirf braucht, um auf dem knallharten Gesundheitsmarkt zu bestehen, eine kluge und nachhaltige Marken-Strategie.
Von Mirko Luis
In der jüngsten Gemeindevertretersitzung stellte die Fuldaer Ideenagentur „Schoene Aussicht“ erste Eckpunkte vor. Am kommenden Dienstagabend (16. Mai) sollen in der Wandelhalle Leitbild und Logo der Öffentlichkeit präsentiert werden. Nach einer kleinen Preview-Runde für geladene Gäste werden Ausstellung und Präsentation ab 19 Uhr für jedermann öffentlich zugänglich sein.
Wenke Selke: „Wollen Bad Salzschlirf attraktiv präsentieren“
„Mit einer starken Marke wollen wir Bad Salzschlirf als lebenswerten Ort für Bürger, Touristen und Wirtschaft attraktiv präsentieren“, kündigte Wenke Selke, Geschäftsführerin der Bad Salzschlirfer Touristik & Service GmbH, an. Bürgermeister Matthias Kübel (CDU), Kurdirektorin Wenke Selke sowie der Geschäftsführer der Agentur „Schöne Aussicht“, Nicholas Bredel, werden in kurzweiligen Reden und Präsentationen viele Informationen für Sie bereithalten. Nach Marktkorb-Informationen geht es hierbei unter anderem um eine zugkräftige neue Wort-Bild-Marke.
Zukunftsmarkt „Gesundheitstourismus“
Nicholas Bredel, Geschäftsführer der Agentur „Schoene Aussicht“, verdeutlichte in der jüngsten Gemeindevertretersitzung vor allem die im „Gesundheitstourismus“ liegenden Chancen der Gegenwart und Zukunft. Es geht hierbei um Reisen beziehungsweise Reisende, bei denen medizinische Behandlungen und Gesundheitsdienstleistungen einen Schwerpunkt bilden. Neben Kuren und Rehabehandlungen, zu denen Krankenkassen ihre Kunden schicken, gewönnen Angebote für Aktivurlauber, also Fitness, Wellness & Co., zunehmende Bedeutung.
Über 350 Kurorte erwirtschaften 30 Milliarden Umsatz in Deutschland
Zahlen, Daten und Fakten stützen die Aussagen von Bredel hinsichtlich der wirtschaftlichen Relevanz in beeindruckender Weise: Über 350 Kurorte erwirtschafteten in Deutschland zuletzt rund 30 Milliarden Euro Umsatz. Sie sichern damit nach einschlägigen Statistiken rund 400.000 Arbeitsplätze, haben darüber hinaus mit rund 30 Prozent der statistisch erfassten Übernachtungen einen hohen Stellenwert für den Deutschland-Tourismus und generieren vorwiegend in ländlichen Regionen Wertschöpfung.
„Interkommunaler Standortwettbewerb“
Da sich Bad Salzschlirf Bredel zufolge in einem „interkommunalen Standortwettbewerb“ befindet, habe sich auch Bad Salzschlirf auf den Weg zur Standortmarke gemacht. Seine Agentur, als externe fachliche Stütze, habe zur Erarbeitung des neuen „Touristischen Leitbildes“ unter anderem zwei gut besuchte Workshops mit Gästen aus Politik, Vertretern des Gastgewerbes, Handel und Tourismus sowie interessierten Bürgern veranstaltet, Befragungen durchgeführt, daraus resultierende Ideen und Vorschläge geclustert und zu Papier gebracht und vielversprechende Zielgruppen der Zukunft definiert. Hierzu gehört beispielsweise ein „konservativ gehobenes Milieu der Performer“, die zwischen 30 und 45 Jahren alt sind, viel arbeiten, gutes Geld verdienen, „Natur pur“ suchen und aus dem Rhein-Main-Gebiet kommen – aber auch das Klientel in der Altersgruppe von 45 bis 60 Jahren, das erst gar nicht erst krank, sondern gesundbleiben will und daher auf Vorsorge setzt. Ebenso im Visier stehen „rüstige Rentner“ aus einem Umkreis von 150 Kilometern, die in ihrer näheren Heimat wandern und mit dem Rad unterwegs sein wollen.
„Viele grüne Oasen der Ruhe“
Bei der Neupositionierung komme es in erster Linie auf das an, was Gäste und Touristen der Stadt mit der „Marke Bad Salzschlirf“ individuell verbinden würden. Und hier seien das Kurwesen, die vielen „grünen Oasen der Ruhe“ und die gut entwickelte Infrastruktur für Aktivurlauber wesentliche Bestandteile des Markenkerns. Während viele andere Kurorte mittlerweile großstädtisches Flair besäßen, punkte Bad Salzschlirf durch die gegenläufige Wahrnehmung „klein und fein“. Das alles zusammengenommen, so der renommierte Kommunikations-Experte, gelte es authentisch und selbstbewusst zu kommunizieren – zum Beispiel als „Jugendstil-Heilbad in der grünen Mitte“.
Friedrich Meister erinnert an „bekanntesten Gichtbrunnen Europas“
„Mich freut, dass Sie die Kur in den Mittelpunkt gestellt haben“, lobt Friedrich Meister (CDU), Vorsitzender der Gemeindevertretung, Nicholas Bredel nach dessen Ausführungen zur geplanten touristischen Neupositionierung. Er erinnerte hierbei unter anderem an den „Bonifazius-Brunnen“. Diese, so Meister gegenüber unserem Wochenblatt, sei um die Jahrhundertwende (1900) der bekannteste Gichtbrunnen Europas gewesen, habe seine Heilkraft bis heute behalten und finde Verwendung für Trinkkuren. Ungeachtet dessen hätten Kurgäste schon immer die Wohltat der Bäder und Massagen und das Wissen der Badeärzte zu schätzen gewusst, ebenso die bereits zitierten „Oasen der Ruhe“.
Schon Paul Lincke, Heinz Rühmann und weitere Promis genossen die „Vulkansole“
Ein Blick in die Geschichte wertet die Rolle der Bad Salzschlirfer Solequellen weiter auf: So haben in dem beschaulichen Kurort schon viele gekrönte Häupter Genesung gesucht – ebenso wie prominente Persönlichkeiten. Hierzu gehören sehr bekannte Namen wie Königin-Witwe Carola von Sachsen, der Operettenkomponist Paul Lincke, bekannt durch „Berliner Luft“. Aber auch Prominente wie Heinz Rühmann – und viele namhafte Schauspieler mehr – haben die Bad Salzschlirf „Vulkansole“ sehr genossen, gelobt und geliebt.
Vorsitzende der Gemeindevertretung schlägt Namensänderung vor
Vor dem Hintergrund der langen Kurtradition, wäre es im Zuge der Neupositionierung aus der Sicht sinnvoll, der Bedeutung Kur für Bad Salzschlirf durch eine Aufnahme in den Namen der Touristik & Service GmbH Rechnung zu tragen beziehungsweise konsequenterweise den Namen dieser städtischen GmbH zu ändern. Friedrich Meister schlägt eine Umbenennung der Gesellschaft in „Kur- und Tourismus GmbH“ vor und will das Thema in seiner eigenen Fraktion sowie den städtischen Gremien aus aktuellem Anlass auf die Agenda setzen. „Mit dem anderen Namen können viele nichts anfangen“, so Meister, vor dem da wohl noch jede Menge Überzeugungsarbeit liegt.
Punktlandung der CDU-Fraktion: Prüfantrag zur Sicherung der Ärzte-Versorgung
Angesichts der geplanten Neupositionierung auf dem Feld des Gesundheitstourismus landete die CDU-Fraktion mit ihrer Anfrage und dem Prüfantrag zur „Sicherung der hausärztlichen Versorgung in Bad Salzschlirf“ eine Punktlandung. „Gesundheit ist, wie wir heute gehört haben, einer unserer Markenkerne – wir sollten daher schauen, wie wir uns auf diesem Gebiet zukunftssicher aufstellen können und uns mit anderen Kommunen austauschen, welche Formen der Zusammenarbeit möglich und sinnvoll sind“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kluge bei der Einbringung des Antrages.
Auch „Badeärzte“ im Blickfeld behalten
Eine ausreichende hausärztliche Versorgung sei ein Grundbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger, eine „gute und nachhaltige Ärzteversorgung liege daher im Interesse der Gemeinde“, so die CDU in ihrem Antrag. Dabei sei auch die badeärztliche Versorgung zu beachten. Hierbei im Blickfeld stehen sogenannte Kur- beziehungsweise Badeärzte, sprich an einem Bade- und Kurort ansässige Mediziner, die die Zusatzbezeichnung „Physikalische Therapie und Balneologie“ oder „Balneologie und Medizinische Klimatologie“ erworben haben.
Wegen Altersstruktur der Ärzte: Zeitnahes Handeln erforderlich
Mit Blick auf die Altersstruktur der vor Ort niedergelassenen Ärzte, so die von der CDU getroffene Einschätzung, sei zeitnahes Handeln erforderlich. Bürgermeister Matthias Kübel verwies auf jährliche Gespräche mit Vertretern der für Arztsitze zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Das nächste Treffen soll demnach im Sommer dieses Jahres stattfinden. Darüber hinaus gebe es einen regelmäßigen Austausch mit Rehakliniken und deren Ärztepersonal inklusive einer interdisziplinären Zusammenarbeit. Friedrich Meister zufolge steht die Kurgemeinde auch mit dem Chef des Klinikums Fulda, Dr. med. Thomas Menzel, in Verbindung. „Wir sind da in Sachen Netzwerk schon ganz gut unterwegs“, sagte Meister.
MVZ „nicht die ausschließliche Möglichkeit“
Matthias Kübel wies bei der Besprechung des von der Gemeindevertretung mit einstimmiger Mehrheit verabschiedeten Papiers darauf hin, dass das von einigen Kommunen favorisierte Modell eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) „nicht die ausschließliche Möglichkeit ist“. In solchen Häusern, die im ländlichen Bereich eine der möglichen Antworten auf den Ärztemangel sind, arbeiten mehrere ambulant tätige Ärztinnen beziehungsweise Ärzte kooperativ unter einem Dach zusammen.
Kübel zufolge sei eine MVZ eine Option unter vielen. „So tragen private Arztpraxen und Apotheken, für die sich Nachfolger finden, sehr wesentlich zur Belebung von Innenstädten bei.“ Dr. David Post, Fraktionschef der Freie Wähler Liste (FWL), wies darauf hin, dass nicht nur Bad Salzschlirf ein Problem mit dem Ärztemangel auf dem Land habe. „Das haben fast alle“, so Post, der selbst Mediziner ist. Ein jährliches Treffen des Bürgermeisters mit den KV-Vertretern sei aus FWL-Sicht zu wenig, da müsse mehr passieren. Post schlug vor, dass das CityManagement ein Augenmerk auf Geschäftsräume haben sollte, die gegebenenfalls für Ärzte-Nachwuchs in Frage kämen. Auch Projekte privater Investoren seien denkbar. „Wir sollten all das im Blickfeld behalten, während wir politisch das Rad drehen“, so der FWL-Fraktionschef. FWL-Fraktionsstellvertreterin Ute Passarge riet, auch Physiotherapien mit ins Monitoring zu nehmen, um Behandlungsengpässe für die allgemeine Bevölkerung zu vermeiden.