Großenlüder | Bürgermeister-Kritik an Turbo-Planungen für Gleichstromstrassen — UBL Großenlüder stellt Verfahren in Frage

Reaktionszeit zu knapp

Die Planungen für den Bau zweier durch die Region führenden Gleichstromtrassen (Nordwestlink DC 41 und Südwestlink DC 42) stoßen in Osthessen und Teilen des Vogelsbergkreises offenbar auf zum Teil heftige Widerstände.

Von Mirko Luis

Im Ergebnis einer Sondersitzung lehnte die Wartenberger Gemeindevertretung  am 25. Januar die in die Zuständigkeit der Bundesnetzagentur (BNetzA) fallenden Pläne grundsätzlich ab. Das Rathaus wurde beauftragt, der Genehmigungsbehörde die ablehnende Haltung und die Verärgerung über die Informationspolitik mitzuteilen. Man hätte die Kommunen bereits bei der Findung der Trassenkorridore einbinden müssen, hatte sich zuvor auch der Schlitzer Magistrat irritiert gezeigt. Träger öffentlicher Belange und die Öffentlichkeit hatten nur wenige Wochen Zeit, Stellungnahmen abzugeben.

„Ein Trassenverlauf von 38 Metern Breite, der nicht überbaut werden darf und nur noch bedingt landwirtschaftlich genutzt werden kann, ist nicht akzeptabel“, kritisierte Jürgen Hübl, Fraktionschef der Unabhängigen Bürgerliste (UBL) Großenlüder. „Wir stellen die Art und Weise des Verfahrens in Frage“, sagte er. Zum einen habe es keine Informationsveranstaltung gegeben. Zum anderen hätten in Großenlüder die Fraktionen nur knapp zwei Wochen vor der Abgabefrist für eine Stellungnahme von diesem Projekt erfahren.

 

Die neuen Leitungsvorhaben im StromNetzDC – NordWestLink, SuedWestLink, NordOstLink und OstWestLink – durchlaufen das sogenannte Präferenzraumverfahren. Dieses Verfahren löst die bisherige erste Genehmigungsphase für bundeslandübergreifende Infrastrukturvorhaben, die Bundesfachplanung, ab. Wichtigste Neuerung: Sogenannte Präferenzräume werden durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) ermittelt, ohne dass die Vorhabenträger einen Vorschlag machen. Zum Vorgehen heißt es dazu auf der Website von StromNetzDC, dass ein Algorithmus automatisch prüfe, wo die besten Korridore verlaufen könnten – sprich diejenigen, bei denen es möglichst wenig Konflikte wie Siedlungen, Naturschutzgebiete oder Flüsse gibt.

Kritik von der UBL Großenlüder

Genau an diesem Punkt fürchtet Jürgen Hübl, zugleich Ortsvorsteher von Großenlüder, Negativfolgen. Grund: Großenlüder habe wertvolle Naturschutzflächen sowie Flora-Fauna-Habitate (FFH) Gebiete sowie seltene und gefährdete Tierarten, deren Lebensraum möglicherweise gefährdet wäre. Zwar seien Erdkabel vorgesehen, jedoch werde auf den Internetseiten eine oberirdische Umsetzung nicht ausgeschlossen. Zudem sei die Wohnbebauung der Gemeinde sehr eng. Weitere Details nennt die UBL Großenlüder, die seit mittlerweile 27 Jahren in der Kommunalpolitik mitmischt, auf ihrer Website. Eigenen Angaben zufolge hat die UBL zwischenzeitlich eine ausgiebige und ablehnende Stellungnahme mit den entsprechenden Raumwiderständen an die Bundesnetzagentur gesendet.

Verfahrensschritte nicht hinreichend kommuniziert

Unterdessen fand sich im Gemeindevorstand Großenlüder eine Mehrheit dafür, einem potenziellen Leitungsverlauf auf dem Gebiet der Gemeinde Großenlüder nur dann zuzustimmen, wenn für die beiden Gleichstromtrassen eine Erdverkabelung eingesetzt wird. In ihrer Stellungnahme kommuniziert die Gemeinde Großenlüder unter anderem noch als wichtige Prämisse, dass durch den finalen Leitungsverlauf die potenzielle Entwicklung der Gemeinde Großenlüder nicht eingeschränkt oder gar behindert werden dürfe. Dies gelte insbesondere für mögliche künftige Erweiterungsflächen wie etwa der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten oder Sondergebieten, beispielsweise für Photovoltaik-Freiflächenanlagen.

Der Gemeindevorstand Großenlüder gab in der Stellungnahme außerdem Hinweise der Unteren Denkmalpflege des Landkreises Fulda weiter, wonach sich auf dem Gemeindegebiet mehrere Bestattungsplätze in Form von Hügelgräbern befinden. Neben dem „Finkenberg“ – als einer der bedeutendsten Bestattungsplätze in Form von Hügelgräbern –   gehöre hierzu auch ein Areal nordwestlich des Ortsteils Eichenau. Großenlüders Bürgermeister Florian Fritzsch (parteiunabhängig) schloss sich dem Tenor von anderen betroffenen Gemeinden, die sich überrumpelt fühlen, an. Auch aus Sicht von Fritzsch sind die einzelnen Verfahrensschritte nicht hinreichend kommuniziert worden. Zwischen der Bekanntgabe der Suchkorridore am 12. Dezember 2023 und der Aufforderung zur Stellungnahme bis Ende Januar dieses Jahres hätten nur wenige Wochen gelegen.

Betroffene Gemeinden in der Region sind neben Wartenberg und Großenlüder die Stadt Schlitz, Bad Salzschlirf, Herbstein, Grebenhain und Großenlüder. Nach Informationen unserer Zeitung soll der vorläufige Trassenvorschlag, für den am 2. Februar die Entscheidung fallen sollen, bereits am 6. Februar veröffentlicht werden.

Infomärkte in Hünfeld und Schlüchtern

Unterdessen ist die Öffentlichkeit zu einem Infomarkt zum „Stromnetz der Zukunft“ am Mittwoch, 14. Februar, von 16 bis 20 Uhr in die Stadthalle Kolpinghaus nach Hünfeld eingeladen. Dort sollen unter anderem Detail-Planungen von NordWestLink und Sued-WestLink vorgestellt werden. Einen Tag darauf, am 15. Februar, ebenfalls 16 bis 20 Uhr, gibt es in der Stadthalle Schlüchtern Gelegenheit, sich über das weitere Verfahren umfänglich zu informieren. Weiterführende Informationen, darunter zum geplanten Trassenverlauf, sind zudem auf dem Online-Portal www.stromnetzdc.com  abrufbar.