Fulda | Kreisbauernverband Fulda-Hünfeld zog nach Protesten in dieser Woche eine erste Bilanz

„Wir-Gefühl“ in besonderem Maße

Der Kreisbauernverband (KBV) Fulda-Hünfeld zog nach großangelegten Bauernprotesten  gegenüber unserem Wochenblatt eine erste Bilanz. KBV-Pressesprecher Thomas Schneider sprach von einem „Wir-Gefühl in besonderem Maße“.

Von Mirko Luis

„Der Zusammenhalt, die Unterstützung und die Teilnahme der Landwirtinnen und Landwirte an den Aktionstagen war grandios“, sagte Schneider, der selbst leidenschaftlicher Nebenerwernslandwirt ist. Er betonte mit Blick auf den Charakter der Veranstaltungen, dass es sich um einen „geordneten, angemeldeten und friedlichen Protest“ gehandelt haben. An der Stelle versäumt er nicht, sich im Namen des KBV Fulda-Hünfeld insbesondere bei allen beteiligten Behörden und Institutionen zu bedanken, die für die Genehmigung und den sicheren Ablauf der Veranstaltungen gesorgt haben. „Der Dank geht aber auch an alle Menschen in der Region, deren Unterstützung, Verständnis und Wertschätzung wir an diesen Tagen unmittelbar erfahren durften.“

Endlose Traktoren-Kolonnen

Bereits zu Wochenbeginn hatten sich schier endlose Kolonnen von Traktoren und Lastwagen formiert. Sie starteten gegen 5 Uhr vom Messegelände in Fulda-Sickels, dem gemeinsamen Treffpunkt, zu einer rund zehnstündigen Demo. Schätzungen zufolge waren etwa 800 Fahrzeuge daran beteiligt. Wie nicht anders erwartet, kam es zu Hupkonzerten und Verkehrsbehinderungen, sei es auf der B 27, der Petersberger Straße, Auffahrten und Kreuzungen. Im morgendlichen Berufsverkehr waren schnell etliche Straßen blockiert. Unter den stellenweise chaotischen Verhältnissen litt auch der Busverkehr, der gleich auf mehreren Linien eingeschränkt war.

 

Auf Schildern und Plakaten, die an den Fahrzeugen angebracht waren, machten die Landwirte ihrem Ärger über die Politik der Ampel-Regierung Luft. Warnungen wie „Stirbt der Bauer, stirbt das Land!“ oder in englischer Sprache „No Farmer, no food, no Future“ („Keine Bauern, keine Nahrung, keine Zukunft“), derbe Sprüche wie „Nieder mit der Hampelregierung“ oder einen politischen Touch tragende Slogans wie „Grüne Ideologie macht nicht satt“ prägten die Szenerie. Dass der Protest gut organisiert war, hatte sich unter anderem an einem Parkplatz nahe der B 254, an dem eine Verpflegungsstation aufgebaut war und Landfrauen aufgetischt hatten, gezeigt.

Aufbruch in Richtung Landeshauptstadt Wiesbaden

Parallel zu den protestierenden Landwirten im Kreis Fulda hatte sich ein Tross aus 35 Fahrzeugen, den Kreisbauernverband-Vorsitzender Stefan Schneider anführte, Richtung Landeshauptstadt Wiesbaden aufgemacht, wo rund 2.000 Traktoren zusammenkamen.

Zu einer weiteren Demo mit rund 400 Fahrzeugen auf der Autobahn war es am Mittwoch im Rahmen einer genehmigten Schlepper-Demofahrt gekommen. Die A 66 war für mehrere Stunden in beide Richtungen gesperrt. Am Ende eines Staus, der sich in Folge der Bauernproteste gebildet hatte, hatte sich ein schwerer Unfall mit Beteiligung von mehreren Lkw ereignet, bei dem nach Polizeiangaben ein 47-jähriger Lkw-Fahrer tödlich verletzt worden war. Die Fuldaer Zeitung zitierte in einem ausführlichen Bericht hierzu den Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld, Sebastian Schramm, der den Unfall sehr bedauerte. Nach allem, was bekannt sei, stünde der Unfall nicht im Zusammenhang mit der Demo, hieß es in dem Bericht.

Scholz hält an Kürzungsplänen fest

Zwar hatte die Bundesregierung Teile der Kürzungen beim Agrardiesel zurückgenommen und auf eine Streichung der KfZ-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichtete, was Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „Entgegenkommen“ wertete. Mit den Worten „Die Ampel steht dazu“ hielt er ansonsten aber an den stufenweisen Kürzungsplänen fest.

Schramm: „Im Idealfall werden beide Forderungen erfüllt“

Sebastian Schramm erwartet mehr von der Regierung. „Im Idealfall werden beide Forderungen erfüllt von der Regierung“, sagte er auf der Pressekonferenz vor der Protestwoche Zu gut deutsch: Auch die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel müsse komplett zurückgenommen werden. Nach Darstellungen von Sebastian Schramm ist der Kapitalbedarf für Landwirte gewachsen. Um die seitens des Gesetzgebers in vielen Bereichen hochgeschraubten Auflagen erfüllen zu können, müssten Betriebe in modernste Technik investieren, um weiter produzieren zu können. Als Beispiel nannte er die neueste Technik zur Ausbringung von Gülle, die wahnsinnig teuer sei. Indes verdiene der Betrieb durch diese keinen Cent mehr. Kreislandwirt Winfried Schäfer befürchtet, dass sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft durch sich weiter verschlechternde Rahmenbedingungen beschleunigen wird und immer mehr Lebensmittel importiert werden, deren Produktion nicht mit den extrem hohen Standards in Deutschland zu vergleichen sei.