Fulda | „Campus Fulda“ knüpft nach 218 Jahren an Traditionen der Medizinischen Fakultät an

Innovatives Modell für angehende Ärzte mit Pioniercharakter in Deutschland

Historischer Tag am Klinikum Fulda: Dort eröffnete Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) am Dienstag offiziell den „Campus Fulda der Universitätsmedizin Marburg“. Er wird nach Überzeugung seiner experimentierfreudigen Wegbereiter Studierenden der Medizin, Dozenten und Forschern Top-Voraussetzungen für Wissenschaft und Lehre bieten.

Von Mirko Luis

Ab dem Wintersemester 2023/24 werden zunächst 90 angehende Ärzte im vierten Studienjahr fast alle Lehrveranstaltungen in der Campus-Etage im fünften Stock des INO-Zentrums am Klinikum Fulda absolvieren. 2024 werden weitere 90 Medizinstudenten folgen, kündigte Klinikum-Chef Dr. Thomas Menzel an, für den die Campus-Eröffnung am Dienstag vermutlich das schönste Geburtstagsgeschenk war. „Wir treten in einen neuen Abschnitt unserer Geschichte“, sagte er mit Blick auf die ersten eingerichteten ordentlichen Professuren-Stellen. Der frühere hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein ergänzte, dass der „Campus Fulda“ Ausbildung und Forschung auf höchstem Niveau erlaube, top ausgestattet, digital, interprofessionell und „auf Augenhöhe mit bundesweit führenden Standorten“ sei. Bisher seien in das Projekt aus Wiesbaden Zuschüsse in Gesamthöhe von 41 Millionen Euro geflossen, ab 2024 erhalte die Philipps-Universität Marburg 21 Millionen jährlich. Dies sei ein klares Bekenntnis zu Fulda, Marburg und Hessen als Gesundheitsstandort und eine klare Verbesserung.

Studierende stärker an das Bundesland binden

Rhein zeigte sich optimistisch, dass es durch die 185 geschaffenen zusätzlichen Vollstudienplätze besser gelinge, Studenten der Humanmedizin stärker an das Bundesland zu binden als in der Vergangenheit. Aufgrund fehlender Kapazitäten waren Studierende nach dem sogenannten Physikum, sprich dem ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung, in andere Bundesländer umgezogen. Sie nach dem Physikum nicht weiter in Hessen auszubilden, sei ein Fehler gewesen, so der Ministerpräsident. An Stadt und Landkreis Fulda, die sich mit verschiedenen Initiativen schon länger für eine solche Aufwertung des Gesundheitsstandortes und der Krankenhauslandschaft stark gemacht hatte, richtete er ein Kompliment. „Wenn diese Region um eine Aufgabe bittet, weiß man, dass diese mustergültig erledigt wird, es funktioniert, man sich darauf verlassen kann, Absprachen gelten und mit einer hohen Kompetenz und Qualität an den Dingen gearbeitet wird.“  Rhein prägte den Begriff eines „neuen medizinischen Kraftzentrums“, was da entstanden sei und zeigte sich für das Engagement, das Hessens Wissenschaftsministerin, Angela Dorn (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), bis heute an den Tag lege, dankbar.

 

Fulda einst Standort für Medizinische Fakultät

Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) sprach unterdessen von einem „historischen Tag“ aus Sicht der Stadt, aber auch der Region. So sei Fulda von 1734 bis 1805 Standort einer Medizinischen Fakultät gewesen. „Ein Stück weit knüpfen wir mit dem heutigen Tag an diese Tradition an“, betonte OB Wingenfeld, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Klinikum Fulda gAG ist. Die Chancen, Mediziner zur Niederlassung im ländlichen Raum zu gewinnen, seien besonders groß, wenn Teile dieser Ausbildung in diesem Raum stattfänden. Wingenfeld wies hiermit auf die erhofften Effekte des „innovativen Kooperationsprojektes“, das inhaltlich von der Philipps-Universität Marburg, der Hochschule Fulda und dem Klinikum Fulda ausgestaltet wird, hin.

Erstes gefördertes Forschungsprojekt

Mit dem „Campus Fulda“ verbinde sich die Möglichkeit, die Universitätsmedizin zu einem zentralen Akteur eines adaptiven, zukunftsfähigen und krisenfesten Gesundheitssystem weiterzuentwickeln, warf mit Prof. Dr. Denise Hilfiker-Kleiner eine weitere Rednerin den Blick nach vorn. Die Dekanin des Fachbereichs Medizin an der Philipps-Universität Marburg hat, wie sie formulierte, „größtes Vertrauen, dass sich unser Projekt zu den Top-Modellen Deutschlands entwickeln wird.“  Ein erstes gefördertes, standortübergreifendes Forschungsprojekt der Uni Marburg, der Hochschule Fulda und des Klinikums Fulda befasse sich mit dem Klimawandel und den damit einhergehenden Gesundheitsrisiken für sensible Patienten und Antworten auf die Frage, wie nicht kalkulierbare Belastungen durch Klimaveränderungen analysiert und Zukunftsvorhersagen getroffen werden können.

Hochschule Fulda leistet Pionierarbeit bei Akademisierung von Gesundheitsberufen

Wie Hilfiker-Kleiner guter Dinge ist Prof. Dr. Karim Khakzar, Präsident der Hochschule Fulda. „Bundesweit gibt es kein anderes Modell, das ähnlich effizient, effektiv und vor allem wirtschaftlich neue Absolventen produziert wie unser Fuldaer Modell.“ Vielversprechend sei vor allem der Ansatz der interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Pflege und Gesundheitswissenschaften und der Medizin. Khakzar zufolge soll in der Novelle der Ärztlichen Approbationsordnung (AO), die zum 1. Oktober 2027 in Kraft treten soll, verankert werden, dass Studierende der Medizin über interprofessionelle Kompetenzen verfügen sollten. Und hier punkte die mit Promotionsrecht ausgestattete Hochschule Fulda, die Pionierarbeit bei der Akademisierung von Berufen leisten – Khakzar denkt hier vor allem an die Bereiche Hebammenkunde, Therapiewissenschaften und Pflegewissenschaften. „Ich glaube, dass wir den stärksten Fachbereich Gesundheitswissenschaften aller Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Deutschland haben.“