1000 Stunden auf den Knien
Es ist jedes Jahr wieder spannend. Was haben sich die Organisatoren des Sargenzeller Früchteteppichs dieses Mal wieder einfallen lassen? Welches Motiv, welche Farben und welche Geschichte wird auf dem Fußboden der Alten Kirche in Sargenzell aus Millionen kleiner Körner entstehen? Die Betrachter dürfen sich freuen: Wichtige Stationen aus dem Leben Jesu werden ab September zu sehen sein.
Von Sabine Burkardt
Sandra Jensen ist zum ersten Mal mit dabei. Mit einem kleinen Löffelchen lässt sie gemahlenen Reis auf die Spanplatte rieseln, auf der die künstlerische Leiterin Heike Richter die Motive bereits vorgemalt hat. „Ich finde das ist wie puzzeln. Oder wie eine Meditation. Man kommt hier unheimlich gut zur Ruhe. Meistens ist es hier auch ganz still im Raum“, erzählt sie und steht kurz von ihrem Kissen auf. Ohne das weiche Hilfsmittel geht es nicht, denn die sieben Helferinnen verbringen seit Anfang Juni rund 1000 Stunden auf ihren Knien, in der Hocke oder im Liegen, bis der Früchteteppich auf den acht Spanplatten fertig ist.
Geduld sei dabei wichtig, eine ruhige Hand und ein bisschen Gefühl für Farben, zählt Brigitte Lindner auf, die seit vielen Jahren im Förderverein Alte Kirche Sargenzell aktiv ist. Die meisten Helferinnen sind Malkursteilnehmerinnen von Heike Richter, die ihre Damen und ihre Fähigkeiten ganz genau kennt: „Ich teile die jeweilige Aufgaben ein. Ich weiß, wer gerne mehr Fläche legen kann und wer sich gerne mit Details wie Wimpern oder Fingernägeln aufhält“. Und von Details gibt es in dem riesigen Bild auf dem Fußboden mehr als genug. Es wirkt fast wie ein Wimmelbild, auf dem es an allen Ecken etwas zu entdecken gibt. Das Team um Heike Richter hat sich diesmal für Stationen aus dem Leben Jesu entschieden. „Eine besondere Herausforderung, da das Bild aus mehreren Szenen besteht, die gestalterisch ineinander übergehen“, erklärt Richter.
Von der Geburt über die Taufe, der Hochzeit von Kanaa bis hin zur Kreuzigung reichen die einzelnen Szenen. Während der Früchteteppich vom vergangenen Jahr sehr farbenfroh gewesen ist, zeigt er sich diesmal eher in Erdfarben. Da kam Brigitte Lindners zufällige Entdeckung eines neuen Farbtons aus Blättern der Blutpflaume genau richtig. „Ich hatte das Pulver schon fast weggeworfen. Bis Heike Richter einen Blick darauf warf und hellauf begeistert war, denn das sei eine Supermischfarbe“, berichtet die Sargenzellerin, die einen großen Teil der rund 120 verschiedenen Samen- und Körnerarten im türkischen Supermarkt oder in der heimischen Natur findet.
In diesem Jahr wird das erste Mal eine neue Legetechnik angewendet. Wobei es eigentlich eine Schiebetechnik ist. „Wir streuen nicht mehr, sondern legen die Körner in Reihen und schieben sie Stück für Stück zusammen“, erklärt Heike Richter. Zudem liegen die Körner und Samen alle lose auf der Spanplatte, nichts ist festgeklebt. Das hat schon manches Mal für Spannung im Kirchenraum gesorgt, so wie auch an diesem Abend: Eine kleine Motte hat sich auf dem Teppich niedergelassen. „Die muss unbedingt gefangen werden, sonst haben wir ein Problem“, sagt Brigitte Lindner. Mit einer toten Fliege, die sich auf einem weißen Gewand mitten im Bild schwarz abhebt, wird sie besser fertig. Jahrelange Erfahrung hat das Früchteteppichteam erfinderisch gemacht. An der Spitze eines Besenstiels klebt ein Stück Tesafilm, und schwupps, hängt die kleine Fliege dran.
Wie im vergangenen Jahr wird die Vorlage des Früchteteppichs als handliches Bild im Kleinformat verlost. Die Einnahmen aus Losen und Spenden dienen, neben der Erhaltung des Gebäudes und der Kostendeckung, der Unterstützung gemeinnütziger, sozialer, kultureller und caritativer Projekte.
