Wartenberg | Wartenberger Rathauschef Olaf Dahlmann (SPD) kommt um Abwahlverfahren wohl herum

Mit Blessuren, aber selbstbewusst

Nach den spektakulären Vorgängen rund im den Spendenquittung-Fauxpas von Rathauschef Dr. Olaf Dahlmann (SPD) bleibt der Gemeinde Wartenberg offenbar ein nervenaufreibendes Abwahlverfahren des Bürgermeisters mit anschließenden Neuwahlen erspart. Ganz ohne Blessuren kam Dahlmann allerdings nicht aus der jüngsten Sitzung im Wartenberg Oval.

Von MIRKO LUIS

Wie das Unwetter an diesem Abend standen die Zeichen seitens der politischen Gegnerschaft des angezählten Bürgermeisters weiter auf Sturm. Ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen Freie Wählergemeinschaft Wartenberg (FWGW), Wartenberger Liste (WAL) und CDU sah eine Missbilligung des Verhaltens – verbunden mit der Aufforderung zu einer öffentlichen Entschuldigung – vor.

In Bedrängnis gekommen war Dahlmann durch eine Leihgabe von vier privaten Bauzaunfeldern. Diese waren im Zuge des Gemeindejubiläums „50 Jahre Wartenberg“ für das Anbringen von „Bauzaunbannern“ zu Werbezwecken verwendet worden. Im Nachgang hatte Dahlmann der Gemeinde für den Verleih eine Rechnung gestellt, jedoch auf die Zahlung des Rechnungsbetrages verzichtet und stattdessen um die Ausstellung einer Spendenbescheinigung gebeten. Diese hatte Dahlmann schließlich vor den Augen der Gemeinderatsmitglieder und in Anwesenheit des zuvor zurückgetretenen Ersten Beigeordneten Bernd Wahl (FWGW) zerrissen. Wahl hatte zuvor im Zuge seinen Paukenschlag-Charakter tragenden Rücktritts erklärt, dass er das Verhalten des Bürgermeisters nicht mehr mittragen könne.

 

Dahlmann: „Es gibt kein unrechtmäßiges Handeln“

Olaf Dahlmann zeigte sich in einer in Teilen hitzigen offenen Debatte selbstbewusst. Praktisch könne den Vorgang zwar jeder bewerten, wie er wolle, aber es habe kein „unrechtmäßiges Handeln“ gegeben, sagte Dahlmann. Sein Handeln, fügte er an, sei „spendenrechtlich einwandfrei“. Dahlmann wies zugleich Anwürfe, er habe in der Sitzung am 11. Mai Bernd Wahl nicht das Wort erteilt – der war mit Wirkung zum 1. Mai zurückgetreten – energisch zurück. Er habe schließlich nicht die Sitzungsleitung gehabt, diese sei in den Händen von Gaby Füg (WAL) gewesen. „Wenn dann kommuniziert wird, der Bürgermeister hätte das Wort nicht erteilt, ist das inhaltlich und rechtlich falsch.“ Wenn es die Wahrnehmung gebe, dass der frühere Erste Beigeordnete vorgeführt werden sollte, so sei das nicht seine Absicht gewesen. Gaby Füg ließ den wunden Punkt in der Argumentation von Dahlmanns politischen Widersachern nicht unkommentiert. „Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten auch das Gespräch gesucht und eine andere Plattform gewählt“, erklärte sie.

CDU spricht von Veränderung der Wartenberger Politik

Heiner Bockweg hatte in seinem Statement an diesem Abend außerdem von einer spürbaren Veränderung der Wartenberger Politik seit Dahlmanns Amtsantritt gesprochen und den Rathauschef aufgefordert, sich öffentlich bei dem ehermaligen Ersten Beigeordneten zu entschuldigen. da Bernd Wahl in einer Art und Weise bloßgestellt worden wäre, die so nicht hinnehmbar sei. Habe die Kontinuität des Amtes aus „Sachverstand, Engagement, Zuverlässigkeit, Weitsicht und vor allem Ehrlichkeit bestanden, seien diesen Grundakkorde der Amtsführung „interpretativ“ geworden, so der CDU-Kommunalpolitiker. In der späteren Debatte meldete er sich noch einmal zu Wort und sprach von „einem ganz üblen Beigeschmack“, den die Sache haben. Ein paar lumperte Zäune für so viel Geld zu vermieten (Anm.d.Red.: Es ging um eine Gesamtsumme von 689,04 Euro), dies zerstöre Vertrauen. „Und ich bin darauf angewiesen, dass ich Ihnen vertrauen kann.“

Grüne fordern zu Rückkehr zu einer „sachorientieren Politik auf“

Grünen-Fraktionsvorsitzender Hubert Reinhardt forderte die anwesenden Gemeindevertreter unterdessen zur Rückkehr zu einer „sachorientierten Politik“ auf. Er finde es überhaupt nicht gut, wenn Internas in der Presse stünden. Genauso wenig sei akzeptabel, Personen in der Öffentlichkeit bloßgestellten würden. „Leider hat die Gemeinde Wartenberg in der Öffentlichkeit einen großen Imageschaden erlitten.“ Konträre Standpunkte seien normal, jedoch dürfe hierbei der gegenseitige Respekt auf allen Seiten nicht verlorengehen. „Dafür sind wir gewählt.“

Schwichtenberg: Entschuldigung muss von sich aus passieren

Dirk Schwichtenberg (FWGW) erklärte, zwar – wie im im Vorfeld unter den antragseinbringenden Fraktionen abgesprochen – die Missbilligung des Bürgermeister-Verhaltens auszusprechen. Anders sehe es bei einer öffentlichen Entschuldigung aus. „Entweder passiert das von sich aus, ich kann es nicht mittragen.“

Dahlmann bedauerte Spendenquittung-Fauxpas schon am 11. Mai

Im Zusammenhang mit Schwichtenbergs Worte hatte die Vorsitzende der Gemeindevertretersitzung, Gabriele Oestreich-Renker (SPD) auf eine weitere Krux des Antrages hin. Es gebe hierfür nämlich nicht einmal eine Rechtsgrundlage in der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). „Ich hätte mir eine andere Klärung gewünscht“, erklärte sie. Ein weiterer Wunsch sei, „dass wir hier im Parlament unsere Gemeindepolitik diskutieren und nicht in der Presse“. Den Spendenquittung-Fauxpas hatte Dahlmann nach eigenen Angaben bereits in der besagten Sitzung am 11. Mai bedauert. „Unbe- nommen habe ich für Irritationen gesorgt – und das tut mir leid“, formulierte er dort. (siehe Marktkorb vom 27. Mai 2023).

„Recht viele Alphatiere unterwegs“

Wolfgang Post (SPD) startete den Appell, „uns wieder zusammenzuraufen und vielleicht in Zukunft mehr zu überlegen, was man so sagt“. Die Schuld sei seiner Meinung nach nicht immer nur bei einem zu suchen. Hierzulande seien „recht viele Alphatiere unterwegs“, die die Dinge am Ende stets so münzen, dass sie in ihre Richtung passend erscheinen. Sein profaner Tipp: „Vorher mehr miteinander reden.“

Schriftführer der Sitzung platzte die Hutschnur

Dietmar Schnell (WAL) stellte schlussendlich den Antrag, getrennt über die zwei Punkte des Antrags, also einmal Missbilligung und einmal öffentliche Entschuldigung, abzustimmen. An dieser Stelle konnte der Schriftführer des Abends, Stephan Schrimpf, nicht mehr innehalten – dem Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung, der sogar seine Freizeit opfert, um Sitzungsprotokolle anzufertigen, platzte die Hutschnur. „Bitte findet zu einem Miteinander, zum Wartenberger Stil zurück“, forderte er das Gremium mit Nachdruck auf. Irgendwann reiche es ihm und er verliere allmählich die Lust, gestant er ein.

Mehrheit für Missbilligung, aber nicht für Aufforderung zu Entschuldigung

Mit neun Ja-Stimmen, vier Gegenstimmen und einer Enthaltung fand die Missbilligung von Dahlmanns Verhalten schließlich eine deutliche Mehrheit. Keine Mehrheit gab’s dagegen beim Punkt öffentliche Entschuldigung. Lediglich vier Gemeindevertreter stimmten dafür, sechs dagegen und vier Politiker enthielten sich der Stimme.

Gemeindevertretung und Gemeindevorstand wieder komplett

Die beste Nachricht des Tages hatte es gleich zu Beginn der Sitzung gegeben, sind doch Gemeindevertretung und Gemeindevorstand nach dem Rücktritt des 1. Beigeordeten Bernd Wahl wieder komplett. Nachdem dieser sein Amt zum 1. Mai 2023 niedergelegt hatte, rückte jetzt Barbara Luck (SPD) durch den geänderten gemeinsamen Wahlvorschlag vom 15.Mai 2023 an die Stelle der 1. Beigeordneten nach. Währenddessen rückte André Weiß (FWGW) als Beigeordneter in den Gemeindevorstand nach. Dafür, als Nachrücker, wurde Tim Herber als neues Fraktionsmitglied der FWGW begrüßt. Die nach den jüngsten Wahlergebnissen dafür eigentlich in Frage kommenden Kandidaten Ulrich Möller und Florian Höll hatten erklärt, für diese Aufgabe nicht zur Verfügung zu stehen.