Gersfeld | Land Hessen will Rhöner Ökosystem vor Austrocknung bewahren und investiert rund eine halbe Million Euro

Rotes Moor wird für den Klimawandel fit gemacht

Es ist ein Hotspot der Artenvielfalt, ein hocheffizienter CO2-Speicher und ein Ort, der Naturfans und Touristen aus allen Himmelsrichtungen lockt: das „Rote Moor“ im Biosphärenreservat Rhön.

Von Mirko Luis

Um einen möglichst natürlichen Zustand des Ökosystem wiederherzustellen, fiel jetzt der Startschuss für Projekte im Hochmoor und Legmoor – inklusive der Gutachten zum Projekt lässt sich das Land Hessen die Maßnahmen rund eine halbe Million Euro kosten.

Drohende Austrocknung soll verhindert werden

Durch die von verschiedenen Akteuren begleiteten Maßnahmen einer im Fachjargon als „Wiedervernässung“ umschriebenen Maßnahme soll eine drohende Austrocknung des als „gefährdet“ eingestuften Roten Moors verhindert werden. Auf dem Hochmoorkörper werden dabei sogenannte „Mönche“ – in den 1980er Jahren errichtete Wasser-Ablaufbauwerke – vollständig entfernt und die Abläufe verschlossen. Außerdem werden marode Holzspundwände saniert oder durch neue ersetzt. In den sensiblen Bereichen bewegen sich die Helfer dabei auf Bohlenwegen.

Freiwillige Helfer der Bergprojekts opfern sogar Urlaub

Das Besondere an diesem Projekt: Um das für die Tier- und Pflanzenwelt so wertvolle Biotop trotz vermehrt auftretender Extreme wie sommerliche Dürrephasen und Starkregenereignisse im Gleichgewicht zu halten, klotzen insgesamt 140 ehrenamtliche Helfer acht Wochen lang ran. Wöchentlich wird dabei ein Teamwechsel erfolgen. Unter den freiwilligen Helfern ist von der Studentin über den Anwalt bis hin zum Finanzbeamten, der für die Einsätze Urlaub opfert und im Job geleistete Überstunden abbaut, alles vertreten. Die Arbeiten erfordern nicht nur vollen körperlichen Einsatz, sondern auch viel handwerkliches Geschick. Der Verein arbeitet Hand in Hand mit dem Forstamt Hofbieber (HessenForst) als Umsetzungspartner des Regierungspräsidiums (RP) Kassel, dem Ingenieurbüro Meier & Weise (Gießen) als Planungsträger sowie dem UNESCO Biosphärenreservat Rhön, das die Federführung für die fachliche und organisatorische Betreuung vor Ort übernommen hat.

 

Sensibilisierung der Bevölkerung für Umweltfragen

„Markenzeichen unseres Projekt ist, dass man, sobald wir hier weg sind, nichts mehr von den Maßnahmen sehen wird“, sagte Projektleiter Lutz Rohland vom Verein „Bergwaldprojekt“, der 1993 gegründet wurde und seinen Sitz in Würzburg ist. Rohland zufolge kommt der Verein auf jährlich deutschlandweit zwischen 150 und 180 Einsätze. Wichtiges Anliegen dabei sei, eine breite Öffentlichkeit für einen naturverträglichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu bewegen.

Erhalt als CO2-Speicher und Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere

Schon sehr früh lernen Kinder in der Schule, dass es ohne Kohlendioxid (CO2) kein Leben auf der Erde gebe, weil CO2 Voraussetzung für die Fotosynthese ist. Denn sie ist für die Produktion von Sauerstoff zuständig, ohne den weder Menschen noch Tiere leben könnten. Durch das Anheben des Wasserspiegels soll das Rote Moor sowohl als CO2-Speicher als auch Lebensraum für seltene, an den Lebensraum angepasste Arten wie zum Beispiel die Kleine Moosjungfer, eine seltene Libellenart, den Hochmoor-Perlmuttfalter (Schmetterling) und den Sonnentau, der wie wie alle Pflanzen im Moor ein Anpassungskünstler ist, erhalten werden.

Bagger-Einsatz im Leegmoor

Parallel zum Bergwaldprojekt im Hochmoor soll es dann Anfang Juli auch im Leegmoor – dem abgetorften Bereich – losgehen. Aufgrund der Bodenverhältnisse ist hier allerdings der Einsatz spezieller Technik vonnöten. So soll in diesem Bereich mit Stahlspundwänden, die bis zur Tonschicht mittels Bagger eingedrückt werden, gearbeitet werden, damit so der Abfluss reduziert und das Wasser länger zurückgehalten wird. Im Leegmoor soll auf diese Weise unter anderem das Schwingrasenmoor erhalten werden. Im Idealfall gelingt es, ein erneutes Moorwachstum zu initiieren und damit die Vergrößerung der Schwingrasenfläche zu erreichen. In diesem Zusammenhang gibt Anna-Lena Bieneck, Pressesprecherin des Bisophärenreservats Rhön, einen wichtigen Hinweis: „Besucherinnen und Besucher müssen beachten, dass der Bohlenpfad voraussichtlich ab dem 30. Juni für etwa drei Wochen, spätestens bis zum 21. Juli, gesperrt wird.“

Reges Medieninteresse bei über zweistündigem Rundgang

Die Hessische Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön hatte den von vielen Menschen als Brückentag genutzten Freitag nach Fronleichnam genutzt, um Pressevertretern bei einer über zweistündigen Begehung des Areals Details sowie am Projekt Beteiligte vorzustellen. „Wir wollen das Rote Moor fit machen für den Klimawandel“, kündigte Torsten Raab, Leiter der Hessischen Verwaltung des Biosphärenreservats, hierbei bei strahlendem Sonnenschein an. Neben dem an diesem Tag von Heike Godt und Helmut Herbort (beide Obere Naturschutzbehörde) begleiteten Kasseler Regierungspräsident links an seiner Seite begrüßte Raab unter anderem seine Biosphärenreservat-Kollegen Elmar Herget (Leitung Sachgebiet Naturschutz), den für das sogenannte „Bergwaldprojekt“ zuständigen Ranger Jan Knittel den Gersfelder Bürgermeister Dr. Steffen Korell, den Leiter des Forstamtes Hofbieber, Florian Wilshusen, sowie den Bergwaldprojekt-Verantwortlichen.

Mark Weinmeister mit Blick auf Birkhuhn voller Hoffnung

Mark Weinmeister zeigte sich froh, über das Umweltministerium die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt zu bekommen, die von Kassel aus für derartige Projekte vergeben werden könnten. „Ich freue mich nur allein schon deswegen, dass ich hier auf eine Wiese gucke und eine Flora sehe, die ich sonst nicht sehe und die auf einer normalen Wiese nicht stattfinden“, sagte der Politiker. Mit Blick auf das unter den Arten der Hochrhön geltende „Flaggschiff“, das Birkhuhn, zeigte er durchaus Zuversicht. „Wir haben immer noch die große Hoffnung, das Birkhuhn so zu etablieren, dass wir sagen können, es gibt einen gesicherten Bestand. Aber wir wissen natürlich auch, wie schwierig das ist und dass man da gute Nerven und einen langen Atem braucht.“ Unterdessen gab’s von Weinmeister ein Riesenlob an ausnahmslos alle ehrenamtlichen Helfer des Projekts. „Da nötigt mir einen Riesen-Respekt ab“, betonte er. Und fügte mit Augenzwinkern dazu, dass er immer froh sein, wenn er in seinem Urlaub möglichst wenig tun müsse. Durch das Projekt habe er viel gelernt – unter anderem, dass das Thema „Mönche“ nicht rein religiös zu sehen ist, zeigte sich der Politiker gut gelaunt.

Spontane Einladung der Helfer zum kostenlosen Freibad-Besuch

Während Moor-Experte Lutz Rohland vor versammelter Presse betonte, dass Moore das sind, was den Klimawandel sofort bremsen könne, zeigte Gersfelds Bürgermeister Dr. Steffen Korell seine Wertschätzung auf besondere Weise. So lud er die freiwilligen Helfer der Bergwaldprojekts zu einem kostenlosen Sprung ins kühle Nass des Gersfelder Freibades ein, das – na klar – eines der schönsten in der Region sei. „Wichtig ist, dass dieses Moor auch Moor bleibt“, unterstrich er. In einer sich vor den Medienvertretern entwickelnden kleinen Fachdiskussion verriet Forstamtsleiter Florian Wilshusen gleich noch, warum die Rhöner gefühlt ein halbes Jahr Nebel statt Sonne in Kauf nehmen müssen. „Das ist die Zeit, in der das Moor das Wasser, das es in niederschlagsreichen Zeiten gesammelt hat, wieder an die Umgebung abgibt.“ Zuvor hatte Moor-Experte Rohland die Funktion von Mooren aus „ausgleichendes Element im Wasserhaushalt“ plastisch dargelegt. So speichere das Moor Niederschlagsspitzen „wie ein sich vollsaugender Schwamm“. „Weil wir in Forst, Landwirtschaft und Siedlungswesen Wasser sammeln, brauchen wir die Moore“, fügte er hinzu.

90 Prozent der Moore in Deutschland sind trockengelegt

Laut Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sind 90 Prozent der Moore in Deutschland trockengelegt. In dem Zusammenhang war es der Bundesregierung wichtig, auf den Überlebenskampf der Moorbirke hinzuweisen, die auch im Roten Moor beheimatet ist. Um auf die Bedrohung hinzuweisen, wurde sie zum „Baum des Jahres 2023“ gewählt. Wie hocheffizient diese Ökosysteme bei der CO2-Speicherung sind, macht zudem eine Zahl deutlich, die das Biosphärenreservat Rhön gleich im ersten Satz seiner Pressemitteilung nennt. Demnach machen Moore zwar nur insgesamt drei Prozent der gesamten Landfläche der Erde aus. „Trotzdem speichern sie doppelt so viel CO2 wie alle Wälder zusammen.“

HINTERGRUND ZU DEN INVESTITIONEN IM ROTEN MOOR
Über Jahrtausende war das Rote Moor ein intaktes Ökosystem. Doch dann kam, wie so oft, der Mensch ins Spiel. Steigender Bedarf nach Brennmaterial – später auch die heilende Wirkung von Moorbädern – setzte ab 1809 den Torfabbau in Gang, der 175 Jahre lang betrieben worden war. Folge war ein Schrumpfen der Hochmoorfläche, die obendrein entwässert wurde und verheidete. Erst 1984 wurde der Torfabbau im Großen Roten Moor endgültig eingestellt – von ursprünglich 32 Hektar Hochmoorfläche blieben lediglich elf Hektar übrig, davon nur etwa vier Hektar offene Hochmoorfläche. Das Rote Moor ist das letzte hessische Hochmoor und seit 1997 Teil des Biosphärenreservats Rhön. Mit einer Fläche von 315 Hektar handelt es sich um eines der größten Naturschutzgebiete in Hessen. Das eigentliche Moor hat als Kernzone eine Fläche von 103 Hektar. Inzwischen hat sich in Teilen des Hochmoorbereiches eine neue Torfauflage von bis zu zehn Zentimetern gebildet.