Fulda | Mittelalter und Moderne: Saltatio Mortis am 19. Mai bei Kultur.findet.Stadt in Fulda

Wo sich Drehleiern mit E-Gitarren streiten

FULDA (tg). Die Stadt Fulda steht im Spagat zwischen reichhaltiger Historie und Kultur sowie Moderne und Wirtschaftskraft. Gleiches gilt auch für die Band Saltatio Mortis. Passend dazu treten sie am Freitag, 19. Mai, bei Kultur.Findet.Stadt in Fulda auf.

Zum letzten Mal traten Saltatio Mortis in Fulda im Jahr 2012 auf, damals zusammen mit Subway to Sally im Schlosshof. Was das Fuldaer Publikum von ihnen am 19. Mai im Museumshof erwarten kann und wie sich die Band seit dem letzten Stelldichein verändert hat, darüber sprechen Gunter Kopf alias Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein (Dudelsack, Schalmei, Drehleier) und Jan S. Mischon alias Jean Méchant, der Tambour (Schlagzeug, Perkussion, Keyboard) im MK-Interview.

Wie auch ihr selbst wagt Fulda den Spagat zwischen Historie und Moderne. Was bedeutet es für euch, hier nach gut elf Jahren wieder aufzutreten?
Jean: Wären wir nicht in Karlsruhe beheimatet, wäre Fulda sicherlich die ideale Stadt, um uns niederzulassen. Diese Mischung aus Historie, Kultur, Moderne und Industrie, die auch mal miteinander konkurrieren kann, aber dann doch klarkommt, ist schon etwas Besonderes.
Wir sind da ähnlich gestrickt. Bei uns streiten sich die historischen Instrumente und Themen mit der Moderne, die E-Gitarren mit den Dudelsäcken. Umso mehr freue ich mich, dass wir nach so langer Zeit mal wieder in Fulda spielen.

Falk: Ich freue mich ebenfalls und hoffe, dass viele Leute, die unseren Auftritt vor elf Jahren zusammen mit Subway erlebt haben, wiederkommen, aber auch natürlich, dass viele neue Leute kommen, um unseren Mix zwischen mittelalterlich-historischen Instrumenten und wirklich modernstem Rock mitzuerleben.
Bisher habe ich immer den Fehler gemacht, dass ich Fulda noch nie besichtigt habe. Und ich glaube, das werden wir diesmal nachholen.
Jean: Definitiv. Ich bin ohnehin kein Fan davon, den halben Tag im Tourbus oder auf dem Backstagesofa bis zum Soundcheck zu verbringen.

Was können die Fuldaer von euch erwarten?
Falk: Wir werden eine unfassbar tolle Show mit dabei haben. Wir werden die Kuh fliegen lassen in Fulda!

Jean: Ich kann versprechen, es wird definitiv anders als vor elf Jahren.

 

Experimentierfreude

 

Musikalisch hat sich in eurer über 20-jährigen Historie einiges getan, was auch nicht allen eingefleischten Fans gefallen hat…
Jean: Es ist völlig okay, wenn man mit der Entwicklung einer Band ein Problem hat und sagt „Das gefällt mir nicht mehr“. Gleichzeitig hören wir auch oft „Ich habe euch mit den letzten drei Alben überhaupt erst kennengelernt.“ Vor zwei Tagen habe ich in einem Post an unser Album „Zirkus Zeitgeist“ erinnert. Damals war es sehr kontrovers, als Band eine solche Soundveränderung sowie politische Themen und Gesellschaftskritik zu liefern. Und jetzt, Jahre später, fordern die Leute „Ihr müsst den und den Song davon spielen, sonst bin ich beleidigt.“

Falk: Man möchte natürlich eine Band am liebsten einfrieren, mit dem Song, mit dem Album, das persönlich am meisten bewegt hat. Und dann ist der Wunsch da, dass der Künstler, Musiker, Maler genau das immer wieder macht und neu zusammensetzt. Das funktioniert nicht. Wir nehmen aber auch mit der Musik, die wir jetzt machen, viel mehr Menschen mit als damals.

Jean: Wenn jemand sagt: „Das auf dem und dem Album, das seid nicht mehr ihr“, dann fragen wir: „Von welcher Inkarnation von Saltatio Mortis reden wir denn?“ Bei uns ist nichts beständiger als der Wandel. Ab dem ersten Album hat sich diese Band immer wieder neu erfunden.
Als ich vor 15 Jahren eingestiegen bin, haben wir sieben Shows auf Mittelaltermärkten pro Tag gespielt. Wir haben überschaubar kleine Clubs vollgekriegt, nicht mit der musikalisch besten Leistung, aber mit Enthusiasmus. Das, was wir machen, ist auch das, was wir tun wollen. Wir bleiben authentisch. Und das liebe ich an dieser Kombo.

 

Und spielt jetzt vor 4000 bis 4500 Leuten…
Falk: Wenn mir irgendwann mal jemand gesagt hätte, dass wir mit Dudelsack und Drehleier, Schnabelschuhen und Schellenband mal auch auf dem Wacken spielen würden, hätte ich ihn ausgelacht. Aber Ihr könnt alle dabei sein und uns in Fulda miterleben! Man muss uns live sehen, um sich eine Meinung von uns zu bilden. Wir holen jeden ab. Garantiert.

Jean: Vor noch ein paar Jahren waren wir froh, das Cafe Central in Weinheim vollzukriegen, jetzt spielen wir regelmäßig vor bis zu 4000 bis hin zu 5000 Leuten. Wir sind aber jeden Tag nervös, ob der Laden voll wird und freuen uns über jeden, der kommt. Wir wissen ja noch, wie es ist, auf einer Bühne zu stehen, wo wir mehr Leute als die vor der Bühne waren.

 

Wie habt ihr die Zwangspause durch Covid genutzt?
Falk:Wir alle hatten mit den letzten zwei Jahren zu kämpfen. Manche Tourneen verschiedenster Künstler sind schlagartig ausverkauft und dann gibt es andere, die abgesagt werden müssen. Das ist ein supermerkwürdiger Effekt, den wir bei uns zum Glück noch nicht erlebt haben. Mir tut es aber um jeden Künstler wirklich leid, der gerade mit sich hadert.
Wir haben während der Pandemie wild drauflos experimentiert, Songs geschrieben, die wir in einer normalen Phase nie gewagt hätten. Dabei haben wir viele tolle Erlebnisse gehabt, Leute kennengelernt, uns freigeschwommen von kreativen Fesseln.

Jean:Eines dieser Experimente war zum Beispiel, unsere eigene Videoproduktionsfirma zu gründen. Entstanden sind dabei zum Beispiel die Videos von „My mother told me“, „Pray to the Hunter“, „The Dragonborn comes“, „Taugenichts“. Wir wollen nicht mehr anderen Leuten Geld geben, für uns Videos zu drehen, die uns nur halb oder im schlimmsten Fall gar nicht gefallen. Geld verbrennen können wir auch alleine.

 

Verantwortung als Künstler

 

In „Spur des Lebens“ beschäftigt ihr euch mit der Frage, ob man in dieser Welt noch Kinder zeugen sollte. Hat sich angesichts der neuesten Entwicklungen in der Welt eure Perspektive geändert?
Falk: Wir sind aktuell sieben Männer in der Band, zwei verheiratet, aber alle in festen Beziehungen und natürlich glaube ich, dass Kinder ein wichtiges Thema sind, mit dem man sich beschäftigen muss. Das kann nur jeder für sich mit seiner Partnerin beantworten. Persönlich finde ich es sehr wichtig, Kinder in die Welt zu setzen. Ansonsten gäbe es uns als Menschheit innerhalb einer Generation nicht mehr. Ja, wir haben eine Verantwortung dafür, dass die Welt besser wird, dass wir die Weichen stellen für die nächsten 50 Jahre. Wenn jemand, der im Dreißigjährigen Krieg gelebt hat oder wenn meine Urgroßeltern, die zweimal ausgebombt worden sind, gesagt hätten „Kinder? Nö. Es ist gerade alles so scheiße“, dann gäbe es mich nicht und dann hätte ich nicht die Chance, die Welt zu einer besseren zu machen. Ich glaube, dass man als Künstler durchaus eine gewisse Verantwortung hat, wenn man ernst meint, was man tut.

Jean: Wir haben mal entschieden, am besten über die Dinge Musik machen, die uns selbst bewegen. Dadurch glauben wir, anderen auch aus der Seele zu sprechen. Wir haben viel diskutiert und gestritten über „Spur des Lebens“. Wir finden es weitaus interessanter, wenn wir Themen haben, die bei den Menschen hängen bleiben und sie zu etwas anregt, als über Profanes zu singen.
Die Welt kann nur besser werden, wenn man selbst etwas macht und das vorlebt, und wenn es nur im kleinsten Bereich ist, der kleinsten Keimzelle, nämlich der Familie, in der man Dinge positiver gestaltet.
Aber natürlich soll es auch weiterhin die etwas leichteren Feiersongs geben, die finde ich ebenfalls sehr wichtig.

 

Eulenspiegel, Loki, Das kalte Herz : Wer ist bei euch der Literaturbegeisterte, der die Kollegen mit neuen Themen für eure Musik ansteckt?
Jean: Keiner von uns muss begeistert werden, denn wir sind es bereits. Von Sagen, von Geschichten allgemein. Falk verschlingt Geschichten förmlich und gibt dann wie bei „Eulenspiegel“ gerne mal die Initialzündung. Bisher kamen auch viele Ausarbeitungen von unserem ehemaligen Bandkollegen Lasterbalk, aber nicht ausschließlich. Die Keimzelle ist das Kollektiv.
Die Beschäftigung mit nordischer Mythologie bei „My mother told me“ zum Beispiel kam von unserem Sänger Alea. Der hat uns so lange genervt, bis wir es gemacht haben (lacht) und es ist eines der erfolgreichsten Projekte der letzten Jahre geworden.

Falk: Wir haben einen unglaublich tiefen Brunnen an Ideen auszuschöpfen, sodass man keine Angst haben muss, dass uns Ideen ausgehen.

 

Wann werdet ihr persönlich zum Fan?
Jean: Bei allem, was sich gut anfühlt, egal ob handgemachte Rockmusik, Elekektronisches aus obskuren Hinterhofclubs, Balkanbeats oder krude skandinavische Musik, wenn mich irgendwas abholt, dann werde ich zum Fan.

Falk: Kunstformen brauchen für mich Hingabe und einen Effekt, der mich rockt. Absurde Instrumente, komische Folksachen, alles irgendwie Schräge, das einen Haken hat, der mich einfängt und nicht mehr loslässt, begeistert mich.

 

Gibt es irgendeinen Song, bei dem ihr rückblickend froh wärt, wäre er nie entstanden?
Jean: Ganz viele (lacht). Aber wir sagen auch immer wieder: Das, was wir damals gemacht haben, ist das Beste, was wir zu dieser Zeit hätten tun können, zu dem wir fähig waren. Es gibt ganz viele Leichen im Keller, auch Musikvideos, wo wir sagen „Oh Gott, was haben wir uns dabei gedacht?“, aber zu der Zeit fanden wir es super.

 

Modernes Leben als Band

 

Wie haben YouTube, Social Media und Co. eure Arbeit Jahren verändert?
Jean: Die Arbeit als Band wurde vielfältiger, gleichzeitig aber auch weitaus fordernder. Wo es vor einigen Jahren noch gereicht hat, alle zwei bis drei Jahre ein neues Album zu veröffentlichen und eine zeitlich begrenzte, konzentrierte Form von Promo dafür zu machen und anschließend auf Tour zu gehen, findet man sich jetzt in der Situation wieder, täglich und manchmal sogar mehrfach täglich Inhalte liefern zu müssen. Für uns heißt das neben Instagram und Facebook eben auch noch weitere Plattformen und einen YouTube-Kanal zu betreiben, zusätzlich einen regelmäßig erscheinenden Podcast (Met & MMoshpit) zu produzieren und eine Radioshow zu moderieren. Alles Dinge, die mit der Arbeit als Band eigentlich nichts zu tun haben.
Das kann man als Einzelner kaum leisten, wenn man quasi „nebenbei“ noch eine Band betreiben möchte. In unserem Fall heißt das, dass wir ein Social-Media-Team brauchen, während wir uns auf Videokonzeption, Podcast und Radioshow konzentrieren. So was kostet natürlich Zeit und entsprechend Geld – und beides steht dann nicht mehr für musikalische Dinge zur Verfügung.
Andererseits ist der Kontakt zu den Fans viel direkter möglich, und in vielen Bereichen sind die sogenannten „Gate Keeper“ weggefallen. Gerade YouTube ist da besonders interessant, weil es für einen großen Teil unserer Bevölkerung mittlerweile das „normale“ lineare Fernsehen abgelöst hat. Für uns eine tolle Chance, z.B. mit unseren aufwändig produzierten Musikvideos noch mehr Leute für uns zu begeistern.

 

Und wie wirkt es auf euch, wenn ihr von der Bühne ins Publikum schaut und dabei von einem Meer aus Smartphones begrüßt?
Jean: Da muss ich sagen, dass wir im Vergleich zu anderen Künstlern noch Glück haben, denn unsere Fans sind da zum Großteil eine löbliche Ausnahme. Die meisten unserer Konzertbesucher behalten das Handy in der Hosentasche und lassen sich auf das echte Liveerlebnis ein. Klar, wird hier und da mal ein Foto geschossen und ein Video gemacht – aber soweit ich das von meiner Trommelburg aus sehen kann, verzichten doch sehr viele darauf, sich das gesamte Konzert nur indirekt durch einen winzigen Bildschirm anzuschauen.

Das hängt sicher auch damit zusammen, dass wir das auf der Bühne durchaus auch mal thematisieren, wenn wir den Eindruck haben, dass besonders in den vorderen Reihen sehr viele lieber ihr Handy in der Hand halten, anstatt mit den Menschen in der Halle gemeinsam als Gruppe ein einmaliges Erlebnis zu feiern. Denn ganz ehrlich: Was gibt es denn besseres als ein tolles Konzert, bei dem man mitsingt, mitlacht, mitfeiert und – tanzt und am Ende komplett nassgeschwitzt und glücklich aus der Halle geht – vielleicht sogar mit neuen Freunden?

 

Habt ihr ein Ritual, das ihr vor der Tour oder nach ihr begeht?
Falk: Wir haben ein anderes Ritual, und zwar vor jedem Auftritt. Das sieht aus wie ein Huddle beim Football-Spielen. Wir schwören uns dann darauf ein, eine geile Show zu machen. Es ist ein Gemeinschaftsmoment, in dem wir uns am allernächsten miteinander fühlen. Der ist für uns alle sehr wichtig.
Jean:Und jeder hat darin noch einmal separate Minirituale, jeder Handschlag ist anders. Wie Sportler sind wir da sehr abergläubisch, wenn irgendwas schief geht. Geht der Handschlag überkreuz oder trifft nicht richtig, dann heißt es „Oh Gott nein, du hast uns verhext!“.

Termin

Saltatio Mortis spielt am Freitag, 19. Mai, um 20 Uhr im Museumshof als Teil der Reihe „Kultur.findet.Stadt.“ Tickets gibt es in allen Geschäftsstellen der Fuldaer Zeitung: Steinweg 26 (Heimatliebe-Laden), Frankfurter Straße 8; Hünfelder Zeitung: Fuldaer Berg 46; Kinzigtal Nachrichten: Schlüchtern, Obertorstraße 16.