Poppenhausen | Poppenhausen ist laut Rathauschef Manfred Helfrich (CDU) als Wohn- und Lebensort begehrter denn je

„Die Nachfrage nach Bauplätzen ist erst einmal befriedigt“

POPPENHAUSEN. „Aufgrund der Gemenge-Lage der kleinen und großen Probleme sowie der bekannten und noch unbekannten Veränderungen ist der Zusammenhalt der Gesellschaft eine große Herausforderung“, sagt Rathauschef Manfred Helfrich (CDU). „Ich hoffe, dass dieser gelingen möge“, fügt er hinzu.

Von Mirko Luis

Auch nach 22 Jahren im Amt ist der Mittesechziger hochmotiviert, freut sich auf neue Herausforderungen sowie eine gute Zusammenarbeit mit den gemeindlichen Gremien und mit der Bürgerschaft – und er zählt auf deren Unterstützung. Noch mehr verriet und der Diplom-Verwaltungswirt (FH) in nachfolgendem Interview.

Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr besonders und was wünschen Sie sich?
Ich freue mich über das Ende der Pandemie und über die Möglichkeit, dass sich die Menschen wieder begegnen und treffen, sich austauschen, sich unterhalten und gesellig sein können – an Freiheit und damit an Lebensqualität gewinnen. Ich hoffe, dass die Menschen es schaffen, sich mehr auf das Wesentliche zu besinnen und bereit sind, den Maßstab an die Zufriedenheit den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Für die Region Fulda-Rhön und die Gemeinde Poppenhausen (Wasserkuppe) wünsche ich mir eine weitere zukunftsfähige Entwicklung, damit die Menschen hier auch weiterhin gut und gerne wohnen, arbeiten und leben können und wollen – die „Lust auf Land“ weiter anhalten möge, darüber freue ich mich.

Ein kurzer Rückblick auf 2022: Gibt es etwas, worüber Sie sich richtig geärgert haben?
Über den sich immer weiter ausbreitenden Bürokratiewahn und den überbordenden Formalismus. „Ärgern“ – ist nicht der richtige Begriff, eher „Bedauern“. Darüber, dass Respekt und Wertschätzung verloren gehen. Gegenüber Amtsträgern, den Rettungs- und Hilfskräften und den Menschen insgesamt. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in der Pandemie eine „Ich-Bezogenheit“ verinnerlicht haben und weniger das große Ganze sehen.

Welche finanzielle Herausforderung erwartet Poppenhausen in diesem Jahr?
Insgesamt stellen wir fest, dass uns die Kosten im wahren Sinne des Wortes davonlaufen. Das betrifft vor allem die Ausgabenbereiche Strom- und Heizung, Personal, Fremdleistungen und Verbrauchsmittel etc. Besonders auffällig sind die wegen der Einführung des „Gute-Kita-Gesetzes“ erhöhten Personalkosten in der Kinderbetreuung. Die stetig steigende Kreis- und Schulumlage sowie die Reduzierung der Landeszuweisung aus dem Kommunalen Finanzausgleich verschärfen die Problematik.

Wie zufrieden sind Sie mit der wirtschaftlichen Entwicklung?
Wir waren finanziell nie auf Rosen gebettet. Die zur Verfügung stehende Finanzausstattung war und ist eher knapp. Der ländliche, eher schwächer strukturierte Raum wünscht sich seit Langem eine angemessene bessere Unterstützung durch das Land Hessen. Wir sind es geübt, mit dem uns anvertrauten Geld verantwortungsvoll umzugehen und damit eine höchstmögliche Wertschöpfung zu generieren. Bei uns gibt es keinen nennenswerten Investitionsstau. Alle öffentlichen Gebäude und Einrichtungen sind neuwertig oder in einem recht guten Zustand.
Die Schuldenlast ist mit circa 1,7 Millionen Euro überschaubar. Und das, obwohl darin alle gemeindlichen Einrichtungen abgebildet werden, wir also über keine Einrichtungen in einen Eigenbetrieb ausgelagert haben. Die mutige und entschlossene Ausnutzung unserer Chancen und eine pragmatische Vorgehensweise sind unsere Stärken. Leider werden wir immer wieder durch den überbordenden Formalismus gebremst.

Und wie beurteilen Sie die aktuelle Situation auf touristischem Gebiet?
Der Tourismus ist ein bedeutender Baustein der Wirtschaftskraft im ländlichen Raum. Mit der touristischen Entwicklung bin ich zufrieden. Im letzten Herbst erreichte die Zahl der Gästeübernachtungen nahezu das hohe Niveau von 2019 (115.000 Übernachtungen) vor der Corona-Pandemie. Unsere Luftkurortgemeinde Poppenhausen bestätigt damit die hohe Tourismus-Intensität der Drei-Länder-Rhön (Hessen Franken-Thüringen). In der Zeit der Pandemie waren insbesondere die Angebote für Ferienwohnungen, Ferienhäuser und Wohnmobilstellplätze nachgefragt. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Inlandstourismus profitieren wird und gestärkt aus der schwierigen Zeit hervorgeht.

Wie viel von Ihrem Amt ist Pflicht, wie viel ist Kür – was fasziniert Sie nach so vielen Jahren immer noch an der Tätigkeit als Rathauschef?
Ich unterscheide eigentlich weniger nach Pflicht und Kür. Bürgermeister haben Büro-Dienst, sind Personalchef, leiten die Rathaus-Verwaltung, den Bauhof, fungieren als Träger der Kinderbetreuungs- und Kinderbildungseinrichtungen, steuern Prozesse zur Entwicklung der Ge-meinde, nehmen an zahlreichen Sitzungen und Besprechungen sowie an Ortsterminen teil – mit Mitarbeitern, Mandatsträgern, Fachbehörden, und vieles andere mehr…. Auf der anderen Seite nehmen sie Repräsentationsaufgaben wahr, gratulieren zu Alters- und Ehejubiläen, besuchen Feste und Veranstaltungen, halten Grußworte u.s.w. Das gesamte Aufgabenfeld bildet meiner Wahrnehmung nach eine Aufgabeneinheit und damit eine Amtspflicht, die zusammengehört und die ich als Ganzes lebe. Bürgermeister zu sein ist meines Erachtens auch kein „Job“, wie es manchmal leichtfertig formuliert wird, es ist vielmehr ein Amt, eine allumfassende verantwortungsvolle Aufgabenstellung.

Zum Jahresende 2022 erklärten Sie in der Fuldaer Zeitung, dass im Haushaltsplan 2023 abermals Mittel für den Erwerb von Bauerwartungsland eingestellt wurden – wie groß ist denn aktuell die Warteliste von Bewerbern für einen Bauplatz?
In den letzten Jahren wurden über 100 Bauplätze entwickelt und vergeben. Unsere Gemeinde ist als Wohn- und Lebensort, aber auch als Ort der Arbeit (circa 1650 Arbeitsplätze) nachgefragt und begehrt. Alle gemeindlichen Bauplätze sind vergeben, derzeit steht kein Angebot zur Verfügung. Auch der Wohnungsmarkt ist belegt, freie Wohnungen sind schnell wieder belegt. Da die Gemeinde keine Bauplätze mehr zu vergeben hat, sollen durch den Ankauf von Bauerwartungsland Voraussetzungen für die Ausweisung von neuen Bauplätzen geschaffen werden. Die Nachfrage nach Bauplätzen ist erst einmal befriedigt. Das liegt hauptsächlich an den enorm gestiegenen Kosten – für Baumaterial, für Handwerker aber insbesondere auch für die stark gestiegenen Zinskosten für Baudarlehen. Zwar gehen immer wieder Nachfragen ein. Da aber nichts zur Verfügung steht, wurde zunächst keine Vormerkliste angelegt. Ich nehme wahr, dass der Wettbewerb in der Baubranche langsam wieder stattfindet, die Baufirmen und Handwerker sind in 2023 noch nicht ausgelastet und suchen noch Aufträge. Das ist gut, denn die Preise hatten im Sommer letzten Jahres ein Niveau erreicht, das einer „normalen“ Familie die Finanzierung unmöglich macht.Da ich an dem Ziel festhalte, die Gemeinde Poppenhausen behutsam aber stetig weiterzuentwickeln, soll die Siedlungsentwicklung weiterverfolgt werden. Schließlich vergehen zwischen dem Ankauf von Bauerwartungsland bis zur Baureife etwa 1 – 2 Jahre. Dabei gilt der Grundsatz: Wenn man nichts hat, kann man nichts anbieten. Oder: Die Nachfrage kommt mit dem Angebot.

Derzeit stehen ja keine Bauplätze im Angebot – wann könnte sich das frühestens ändern?
Zunächst muss man an Bauerwartungsland kommen. Wir haben einige Grundstücke, die aus der Landschaftsschutzverordnung entlassen sind und mit einer Änderung des Flächennutzungsplans und einem Bebauungsplan zu Bauland entwickelt werden können. Zwischen dem Ankauf von Bauerwartungsland bis zur Baureife vergehen etwa 1 – 2 Jahre. Daran schließt sich ein Verfahren für die Vergabe der Bauplätze an, das noch einmal zwei Monate dauert.

Blicken wir in die Zukunft: Wo sehen Sie Poppenhausen in zehn Jahren – für welche langfristigen Visionen sind heute schon die Weichen gestellt?
Ich sehe die Gemeinde Poppenhausen (Wasserkuppe) auch in zehn Jahren als selbstbewusste, selbständige Gemeinde mit guter Infrastruktur und Zukunftspotential. In der prosperierenden Weiterentwicklung werden wir begünstigt durch die gute Verkehrsanbindung an die Fernstraßen und das Oberzentrum Fulda sowie die herrliche Lage am Fuße der Wasserkuppe mitten im Biosphärenreservat Rhön. Die Rhöngemeinde sollte sich bis dahin als klimaneutrale Kommune entwickelt haben, unabhängig von fossilen Energieträgern, optimaler Weise energieautark, das heißt, dass die benötigte Energie (Heizung und Strom selbst erzeugt wird). Vorleistungen wurden bereits getroffen: Bio-Energiedorf Sieblos und die Gründung der Energiegenossenschaft Poppenhausen eG. mit über 100 Anschlüssen im Kernort sowie die Installation von Photovoltaikanlagen samt Speicher auf gemeindlichen und vielen privaten Dachflächen.

Themenwechsel: Welchen Stellenwert hat das Ehrenamt, sprich die Arbeit in den Vereinen, für das Zusammengehörigkeitsgefühl in Ihrer Gemeinde?
Als Bürgermeister bin ich froh, dankbar und auch etwas stolz, dass es in unserer Gemeinde viele engagierte Bürgerinnen und Bürger gibt. Unser Gemeinwesen lebt von der Mitwirkung und Mitgestaltung seiner Bürgerinnen und Bürger, die sich in etwa 40 Vereinen tatkräftig engagieren. Die Bandbreite reicht von den Sporttreibenden Vereinen über kulturelles Engagement, in der Kirche, für die Jugend und die Musik, den Naturschutz bis hin zur Kommunalpolitik. Die Vielzahl und die Vielfalt des ehrenamtlichen Engagements sind mitentscheidend für die Lebensqualität und die Lebendigkeit unserer Bürgergesellschaft in unserer Gemeinde.

Im Volksmund sagt man auch „Bürgerschaftliches Engagement ist der Kit, der die Gesellschaft zusammenhält“. Sich aus freien Stücken für seine Mitmenschen oder für die Allgemeinheit einzusetzen, das ist Ausdruck von Verantwortungsbereitschaft und Solidarität. Das macht unsere Gesellschaft menschlicher und wärmer. Wir brauchen eine aktive Bürgergemeinschaft, denn weder Staat noch der freie Markt können die anstehenden Zukunftsaufgaben alleine bewältigen. Die Verantwortlichen der Gemeinde bemühen sich stetig, das Bürgerengagement zu stärken und mit einer „Anerkennungskultur“ dazu beizutragen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. In diesem Zusammenhang ist es unsere Aufgabe, dem Ehrenamt geeignete Rahmenbedingungen zu geben. Dies tun wir durch finanzielle Förderung (pauschale Förderung, Projektbezogene Förderung oder die Jubiläumsgabe), durch die kostenfreie Nutzungsmöglichkeit von gemeindlichen Räumen und Plätzen, für die auch die Nebenkosten übernommen werden oder die Übernahme der Hausmeisterpräsensgebühren für die Nutzung der Kreissporthalle. Folgerichtig haben wir schließlich auch die Aufgabe, herausgehobenes Engagement einzelner Gemeindemitglieder von Zeit zu Zeit zu honorieren und wertzuschätzen. Das tun wir verbaler Anerkennung, mit öffentlichen Ehrungen, der Verleihung des Landesehrenbriefs, dem Rhön-Taler, der Von-Steinrück-Medaille als Ehrenmedaille.