Fulda | IHK-Jahresempfang in der Orangerie blickt auf Fachkräftemangel, die Folgen des Ukraine-Krieges und anstehende Top-Events in Osthessen

Bildungsmesse Fulda erstmals im Einjahresturnus

Die als zentrale Plattform zur Berufsorientierung in Osthessen geltende Bildungsmesse in Fulda wird erstmals in ihrer Geschichte im Einjahresturnus stattfinden – und zwar am 6. und 7. Oktober. Das kündigte der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Fulda, Dr. Christian Gebhardt, auf dem IHK-Neujahrsempfang vor 500 geladenen Gästen aus Wirtschaft, Politik, Kirche, Verwaltungen und Wissenschaft in der Orangerie an.

Von Mirko Luis

Die Kammerorganisation starte bundesweit die Initiative #könnenlernen mit dem Ziel, „den Wert der dualen Ausbildung im gesellschaftlichen  Bewusstsein zu stärken und möglichst viele junge und gegebenenfalls auch  ältere Menschen für eine Ausbildung zu begeistern“, sagte Gebhardt mit Blick auf die kommenden zwölf Kammermonate. Ganz oben auf der Agenda stünde das Thema Fachkräfte, ergänzte er. Darüber hinaus drückte er seine persönliche Freude über die Ausrichtung der Landesgartenschau Hessen in der Stadt Fulda aus. Diese werde „ganz sicher Impulse für unsere Stadt geben wird, von denen wir  nachhaltig profitieren werden“, zeigte sich Gebhardt guter Dinge. Als weiteren Höhepunkt des Jahres lenkte er den Blick auf den 29. Fuldaer Wirtschaftstag am 8. September, der sich diesmal ausgiebig mit dem Thema Resilienz befassen soll.

Gedenken an die Opfer der Corona-Pandemie

Zuvor erinnerte Gebhardt in seinem Grußwort vor Hunderten geladenen Gästen aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung an das „rauschende Fest“, das vor wenigen Tagen mit dem „Ball der Stadt Fulda“ in der Stadt Fulda gefeiert worden sei. In Kürze ende dann auch die Maskenpflicht im Fern- und Nahverkehr. „Deshalb denke ich, dass es gut und richtig ist, wieder unseren traditionellen IHK-Neujahrsempfang zu feiern. Zuletzt habe man sich vor drei Jahren physisch zum IHK-Jahresempfang getroffen – damals noch im Schlosstheater. „Seitdem ist eine Menge Wasser die Fulda heruntergelaufen und viele Dinge sind passiert, die wir uns damals nie in den schlimmsten Albträumen hätten vorstellen können“, ging Gebhardt auf die knapp sieben Millionen Menschen ein, die der Corona-Pandemie zum Opfer fielen.

 

Position, „sich selbst der nächste zu sein“, ist unakzeptabel

Noch „viel einschneidender als Corona“ sei der 24. Februar 2022 gewesen, an dem die Russische Föderation einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die souveräne Ukraine gestartet habe. „Diesen Krieg verurteilen wir aufs Allerschärfste. Gleichzeitig sind wir für die große Solidarität aus Zivilbevölkerung und Unternehmerschaft im Landkreis Fulda sehr dankbar“, unterstrich Gebhardt. Der Krieg habe die Weltordnung und Globalisierung, die man gekannt habe, stark durcheinandergewirbelt. „Seither erleben wir die höchste Inflation seit Gründung der Bundesrepublik“, so Gebhardt zu den Auswirkungen des Krieges. Hierbei richtete er den Blick unter anderem auf die Energie- und Rohstoffknappheit sowie die gestörten Lieferketten. Gebhardt brachte jedoch noch eine weitere wichtige Botschaft ins Hotel Maritim mit. „Auch wenn die Auswirkungen für jeden von uns hart und teilweise wirtschaftlich fast unerträglich sind, haben wir kein Verständnis für Positionen, die wir leider auch in unserem Landkreis hin und wieder hören, sich selbst der nächste zu sein.“

„In keiner Zukunftstechnologie den Anschluss verpassen“

Unterdessen ging der Fuldaer IHK-Präsident auf eine Reihe von bundespolitischen Diskussionen rund um das Thema Energieversorgung ein. „Bei der Energieversorgung müssen wir uns zumindest die Möglichkeit der Kernfusion durch Forschung und Entwicklung offenhalten“, sprach er klare und deutliche Worte. Und warnte: „Deutschland darf in keiner der Zukunftstechnologien den Anschluss an die Weltspitze verlieren.“ Gebhardt zitierte den grünen baden-württembergische Ministerpräsident, Winfried Kretschmann. Dieser habe die aktuelle Lage in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ auf den Punkt gebracht. Dort habe er kürzlich gesagt: „2023 ist der Kipppunkt für den deutschen Wohlstand. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren“.

Blick auf Hemmnisse der Wirtschaft

Mit kritischen Worten griff Gebhardt in seiner Rede ein weiteres wichtiges Thema für die mittelständische Wirtschaft auf. „Die Politik muss uns nicht zum Handeln motivieren, es genügt völlig, wenn sie die Wirtschaft nicht ständig einbremst“, sagte er. Plakativ entgegne er den  ständig vorgebrachten Forderungen nach Steuererhöhungen: „Die Höhe des Steuersatzes führt nicht notwendig zu höheren Einnahmen: 100 Prozent von Null bleibt Null.“ Maßgeblich sei eine nachhaltige Bemessungsgrundlage.

Weniger Bürokratie und Planbeschleunigung für Infrastruktur-Maßnahmen

Der IHK-Präsident wünscht  sich ferner „an zahlreichen Stellen weniger Bürokratie“. Insbesondere bedürde es der Planbeschleunigung für alle Infrastruktur-Maßnahmen. „Unsere Straßeninfrastruktur benötigt dringend ein Facelift! Zwar sind wir im Landkreis Fulda verhältnismäßig gut aufgestellt, aber Wirtschaftswege enden nicht an den Kreisgrenzen – Unterbrechungen durch marode oder bereits gesprengte Brücken, wie auf der A66 oder der A45, betreffen auch Fuldaer Verkehre“, ging Gebhardt auf die lokale Situation ein. Und er lenkte den Blick vor dem Hintergrund von Abhängigkeiten von autoritären Regimen auf die Bedeutung der Diversifizierung von Lieferketten. „Genauso müssen wir uns auch die Erschließung heimischer Rohstoffvorhaben und deren Weiterverarbeitung vor Ort offenhalten und Unternehmen keine unnötigen Hürden in den Weg stellen. Gleichzeitig sind natürlich die Belange von Menschen und Natur angemessen zu berücksichtigen.

Fuldas OB warnt vor den Folgen des Fachkräftemangels

Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) Fuldas warnte unterdessen vor den Folgen des Fachkräftemangels. „Die Dimensionen, die er erreicht hat, haben wir uns vor drei Jahren in dieser Form nicht vorgestellt“, so der Kommunalpolitiker.Selbst der Stadtverwaltung fiele es mittlerweile schwer, alle Stellen zu besetzen, gestand er ein. „Es ist nicht damit getan, dass wir anstreben, dass jeder studiert, sondern wir müssen erreichen, dass es selbstverständlich ist, dass jeder eine Berufsausbildung anfängt, die die gleiche Anerkennung erfährt wie jemand, dem es gelingt, einen Studienplatz zu ergattern. Und daran gilt es, gemeinsam zu arbeiten“, führte Wingenfeld aus. Zwar sei Fulda traditionell eine starke Ausbildungsregion. Ein Blick auf die Zahlen zeige aber, dass die Zahl der Ausbildungsplätze geringer geworden sei. Habe sie vor einigen Jahren noch bei durchschnittlich 1.200 Ausbildungsplätzen gelegen, liege sie derzeit bei lediglich 900. Mit Blick auf weitere herausfordernde Aufgaben wie beispielsweise die Schaffung von neuem Wohnraum, die Verlegung von Glasfaserleitungen im gesamten Landkreis und Maßnahmen im Bereich der Erneuerbaren Energie sprach der CDU-Politiker Tacheles. „Ich habe den Eindruck, dass hier noch vieles beschönigt wird und die Dinge nicht klar analysiert werden“, äußerte er kritische Worte. Und fügt an, dass die Benennung von Problemen erste Voraussetzung sei, um Aufgaben erfolgreich zu meistern. Gesamtgesellschaftlich gesehen habe man es sich hierzulande zu bequem gemacht und Entwicklungen in anderen Teilen der Welt nicht hinreichend betrachtet. „Wir müssen deshalb aus unserer Komfortzone herauskommen“, verdeutlichte Wingenfeld. In diesem Zusammenhang zeigte er sich beeindruckt darüber, wie viele ukrainische Schüler in der Stadt Fulda tatsächlich von ihren Schulen in Kiew aus weiterhin online betreut würden. „Und wir uns die Frage stellen: Sind wir dazu auch in der Lage?“

1.500 Menschen mehr in der Stadt gegenüber 2020

Wingenfeld ging in seiner Rede ausführlich darauf ein, was die globalen Krisen konkret vor Ort bedeuten. „Für uns als Kommunalverantwortliche geht es um Menschen – allein in unserer Stadt sind im Vergleich zum Januar 2020 rund 1500 Einwohner hinzugekommen, das ist ein drei Mal gut gefüllter Stadtsaal“, rechnete Wingenfeld vor. Es gelte deshalb, adäquaten Wohnraum zu schaffen für alle, die neu in die Stadt kämen., aber auch für diejenigen, die sich verändern wollten. „Das ist eine gewaltige Aufgabe, die wir in dieser Form nicht für möglich gehalten hätten.“

„Fahrplan für zukunftsfähige Gesellschaft“ gefordert

Im Mittelpunkt stand der unter der Überschrift „Deutschland 2030“ stehende Vortrag der Forscherin und Politikexpertin Prof. Dr. Andrea Römmele (Hertie School in Berlin), die schon hochrangige Politikerinnen und Politiker bei deren Wahlkämpfen wie Hillary Clinton, Gerhard Schröder und Markus Söder beriet und für ausreichend Impulse für einen langen Netzwerkabend. Sie forderte unter anderem einen Kurswechsel in der Bundespolitik. „Wir brauchen keine neue Verzichtsdebatte, sondern wir brauchen eine neue politische Rahmengestaltung, den ‚Doppel-Wumms‘. Und wir brauchen ganz klare Führung“, betonte sie hierbei. Viele würden sagen, Demokratie sei Partizipation. Aber dies sei nur eine Seite der Medaille. „Die andere Seite ist Führung – und führen bedeutet, Perspektiven zu schaffen und zukunftsgerichtete Entscheidungen zu treffen.“ In diesem Zusammenhang forderte Römmele einen „Fahrplan für eine zukunftsfähige Gesellschaft“, verbunden mit einer „eindeutigen und nachhaltigen Kommunikation im Dialog mit den Repräsentanten“. Basierend auf ihrer Grundthese, dass Demokratie nur dann resilient ist, wenn man die Dinge zuende denkt, entwarf Römmerle verschiedene Szenarien, wie Deutschland 2030 aussehen könnten. Mit Blick auf die volatile, unsichere, komplexe und mehrdeutige Gegenwart – Experten bezeichnen diese schwierigen Rahmenbedingungen als VUCA (volatility, uncertainty, complexityund ambiguity) – betonte die Politik-Expertin: „Wir müssen für unsere Demokratie etwas tun – Demokratie kommt nicht von selbst.“ In den möglichen Szenarien für das Jahr 2030 zeigte Römmele die Gefahr von langfristigen politischen  Polarisierungen, die Gefahr einer neuen deutschen Teilung durch die Abspaltung Ostdeutschlands durch einen zunehmenden Einfluss der AfD, die Gefahr einer Radikalisierung der Klimabewegung sowie die Gefahr eines Auseinanderbröselns der EU auf – hierzu könnten  unter anderem neue Konflikte zwischen Frankreich und Deutschland und eine Allianz gegen Europa durch Ungarn, Italien und Polen führen.

IHK-Ehrungen für Firmen, Institutionen und eine Stadt

Im Anschluss an den Hauptact des Abends vergab die IHK Fulda in diesem Jahr gleich an drei Unternehmen und Institutionen, die für den Sternenpark Rhön und die Sternenstadt Fulda Werbung machen, das Prädikat #lichtbewusstsein für nachtfreundliche Beleuchtung. Geehrt wurden hier der Rewe Markt Wieber in Petersberg, die Stadt Tann sowie der Media Markt Fulda. Eine ganze Reihe von einheimischen Unternehmen bekam  zudem Prädikate  vom „Arbeitskreis Gesundheit und Werte“ überreicht. Das Prädikat „Gesund arbeiten in Fulda“ erhielten in diesem Jahr die Unternehmen bytewerk, DRK Seniorenzentren, alt & partner, KGM Kugelfabrik und Wagner Fahrzeugteilefabrik (alle aus Fulda) sowie G+S, DiAL und sifar (alle aus Eichenzell).