Ebersburg | Newcomer Benjamin Reinhart über seine ersten 100 Tage im Amt des Bürgermeisters von Ebersburg

Warum ein Ex-Polizist als Rathauschef mit neuem Biorhythmus agiert

Seinen ersten Arbeitstag – es war der 4. Oktober 2022 – wird Bürgermeister Benjamin Reinhart (parteiunabhängig) sein Leben lang nicht vergessen. „Die Nacht davor war nicht so einfach. Ich habe da nicht fest geschlafen und mir schon ein paar Gedanken gemacht“, erinnert sich der 45-jährige Rathauschef, der Mitte nächster Woche 100 Tage im Amt ist.

Von Mirko Luis

Unser Wochenblatt nutzte die Gelegenheit, um mit dem Newcomer eine erste kleine Bilanz zu ziehen. Wie vertraut ist der erfahrene Polizeioberkommissar, dessen Beamtenverhältnis für die Dauer von sechs Jahren ruht, mittlerweile mit den Abläufen seines neuen Jobs, welche Maßnahmen und Themen stehen auf seiner Agenda? Reinhart zeigte Verständnis für unsere Neugier und beantwortete uns nachfolgende Fragen in seinem Dienstzimmer.

Wie groß ist die Umstellung zu Ihrem bisherigen Beruf?
Wenn man den Job hier annimmt, muss man den Polizisten abstreifen. Dort gibt zwar noch einige kleine Berührungspunkte. Das sind aber ganz wenige im Vergleich zu dem, was man vorher gemacht hat. Gegenüber dem Schichtdienst habe ich mittlerweile andere Schlafgewohnheiten und einen deutlich gesünderen Biorhythmus. Ich brauche nachts nicht mehr Streife fahren und kann tatsächlich schlafen, wenn es dunkel ist. Das Arbeiten tagsüber hat große Vorteile gegenüber der Nachtarbeit – ich werde morgens gut und früh wach, ohne das Gefühl zu haben, nicht ausgeschlafen zu sein. Da kann der Tag, solange er auch dauern mag, kommen.

Sie sind nun Chef von 75 Beschäftigten, die von der Ihrer Verwaltung in den fünf Ortsteilen Ried, Schmalnau, Thalau, Weyhers und Ebersberg angestellt sind. Wie sind Sie vom Kernteam der Verwaltung aufgenommen worden?
Am Anfang, vor allem am ersten Arbeitstag, war schon so ein gewisses Prickeln zu spüren. Ins Rathaus reinzukommen und sich bewusst zu werden, nicht nur die Schlüsselgewalt zu haben, sondern die Verwaltung zu führen, das war mit Sicherheit auch für mich eine Herausforderung. Aber der Empfang war gut und herzlich. Das tolle Team um mich herum, in dem jeder Einzelne Vollgas gibt und auch bis an die Belastungsgrenze geht, machte mir die Phase der Eingewöhnung leichter. Die Aufgaben sind mannigfaltig. Mit der schrittweisen Digitalisierung haben wir, wie ich glaube, einen Ansatz, um für Entlastung des Personals zu sorgen.


Sie agieren unabhängig von einem Parteibuch – gibt es für Sie dennoch (politi-sche) Vorbilder?

Nun, ich weiß, dass der Bürgermeister oft als Politiker gesehen wird. Bei mir ist das aber nicht so. Ich sehe mich eher als lokalen Verwaltungsmanager und Kümmerer, der für alle Einwohner jederzeit auf Augenhöhe ansprechbar ist. Ohne Bürger säße ich nicht hier. In Gemeinden unserer Größenordnung geht es darum, auch in Zukunft engagierte Ortsbeiräte und Gemeindevertreter zu finden – so etwas darf nicht von einer Parteifarbe abhängig sein. Vielmehr gilt: Leute, die sich engagieren, sind in jeglichem Ehrenamt – ich denke hier auch an unsere tollen Vereinsstrukturen – willkommen.

Entspricht der Job dem, was Sie sich vorgestellt hatten?
Es ist sicher noch kein Bürgermeister vom Himmel gefallen – und obwohl ein solcher Vieles können muss, ist es kein Lehrberuf, sondern definitiv auch für mich eine Berufung. Im Nachhinein bin ich sehr dankbar, mit meiner Vorgängerin Brigitte Kram über einen langen Zeitraum viele Themen besprochen und im Landratsamt hospitiert zu haben. In der Bürgermeisterkreisversammlung sind zudem sehr erfahrene Kollegen und Kolleginnen dabei, von denen man sich gute Tipps holen kann. Was im Endeffekt in Ebersburg rund um die Verwaltung in den einzelnen Ortsteilen tagtäglich zu erledigen ist, ist jeden Tag herausfordernd und des macht es so interessant – vor allem dann, wenn sich zum täglich Brot Sitzungswochen und Beratungen in den Ausschüssen und Beiräten dazugesellen.

Sie sind nicht nur Rathauschef, sondern auch Vorsitzender vom Carneval Club Thalau (CCT). Bleibt da überhaupt noch Zeit für Ihre Familie?
Glücklicherweise sind meine Frau Christine und meine Tochter Ella, die in wenigen Tagen sieben Jahre alt wird, genauso karnevalsbegeistert wie ich. Berufliches lässt sich gerade im ländlichen Bereich oftmals sehr gut miteinander kombinieren. Bei den Veranstaltungen vom CCT werden meine Akkus ordentlich aufgeladen. Die Qualitätszeit, die ich mit meiner Familie ansonsten zuhause und bei gemeinsamen Ausflügen verbringe, ist eine weitere Energiequelle für mich.

Zu den zehn Kommunen, die sich über die Aufnahme in das hessische Förderprogramm „Dorfentwicklung“ freuen durfte, gehört auch Ebersburg. Welchen Stellenwert hat dieses aus Ihrer Sicht – und wie ist der aktuelle Stand der Dinge?
Das Programm soll unsere Ortskerne stärken und noch attraktiver machen – ich hoffe mal, dass sich das so entwickelt, wie wir uns das vorgestellt haben. Es geht wohlgemerkt nicht darum, neue Bürgerhäuser zu bauen, sondern eher darum das zu erhalten oder zu verändern, was das Leben für die Menschen lebenswert macht. Nach dem Kick-off-Termin geht es jetzt um die konkrete Konzeptarbeit – dazu werden Arbeitsgruppen gebildet und ich hoffe, dass sich viele Mitbürgerinnen und Mitbürger einbringen, um unsere Gemeinde ein gutes Stück voran zu bringen. Es geht unter anderem darum, die Mobilität zwischen den einzelnen Ortsteilen zu entwickeln. Das ist sicher eine gute Chance für E-Mobilitäts-Lösungen. Zuerst müssen wir allerdings schauen, zeitnah Ersatz für den Bus der Gemeinde und Miteinander-Füreinander zu finden, der sich in diesen Tagen leider verabschiedet hat.

Letzte Frage für heute: Thalau wird in diesem Jahr 750 Jahre alt – worauf dürfen sich Einheimische und Gäste freuen?
Einen Tag vor Christi Himmelfahrt, sprich am 17. Mai, wird der Startschuss für eine kleine Festwoche bis zum 21. Mai erfolgen. Geplant ist ein buntes Festpro-gramm mit Live-Band, Disco, Weindorf, einer großen Freikirche und Prozession am Festplatz mit traditionellem Essen. Es wird mit Sicherheit eine gemütliche Feier, die unsere Ortsteile sicher noch ein Stückchen mehr zusammenschweißen wird.