Bad Salzschlirf | Kreisbrandmeister Andreas Waldmann sieht nicht nur die Freiwillige Feuerwehr in Bad Salzschlirf vor enormen Herausforderungen

Ehrenamt, das viel abverlangt

365 Tage im Jahr Tag und Nacht einsatzbereit, ganz egal ob an Weihnachten, Silvester oder Ostern: Seit 116 Jahren leistet die Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Bad Salzschlirf Dienst am Nächsten. Sie ist mit Tatkraft, Mut und Einsatz immer zur Stelle.

Von Mirko Luis

Damit das noch lange so bleibt, muss aufgrund des demographischen Wandels in Sachen Mitgliedergewinnung vermutlich nicht nur bei der Feuerwehr in Bad Salzschlirf künftig noch viel mehr als bisher getan werden. Zwar konnte die Einsatzabteilung des Kurortes in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt verjüngt und zahlreiche Mitglieder der Jugendfeuerwehr erfolgreich in die Einsatzabteilung integriert werden. Doch veränderte Rahmenbedingungen erschweren diesen nahtlosen Übergang schon heute.So beobachtet Kreisbrandmeister Andreas Waldmann (38), der sein geballtes Feuerwehr-Wissen in seiner Funktion als Gemeindejugendfeuerwehrwart, Ausbilder Gefahrgut und stellvertretender G-ABC-Zugführer weitergibt, eine Entwicklung, auf die nicht nur Feuerwehren, sondern viele weitere Vereine im ländlichen Raum schon heute mit Sorge blicken.

„Ehrenamt verlangt immer mehr ab“

„Immer mehr Leute wollen sich heutzutage nur ungern binden, weil das, was von ihnen im Ehrenamt an Leistung abverlangt wird, von Jahr zu Jahr immer mehr wird“, sagt Waldmann. Im Gegensatz zu Hobbys wie Fußballspielen, wo von vornherein die Zeiten für das Training und die Punktspiele feststünden, sehe das bei Feuerwehren noch mal ein ganzes Stückchen anders aus. „Von uns weiß nämlich keiner, wann der Melder geht“, nennt Waldmann einen entscheidenden Unterschied. Dabei hätten die meisten Feuerwehrleute selbst herausfordernde Jobs – er selbst arbeite beispielsweise für die US-Amerikaner als Personenschützer im Bereich Sicherheit in der Garrison Kaserne in Wiesbaden sowie als Disponent und Brandschutzbeauftragter bei der Firma Otterbein in Großenlüder-Müs.

Kaum jemand möchte noch den Hut aufhaben

Als aktuelles Beispiel für akute Personalnot nennt Waldmann den Alsfelder Ortsteil Fischbach im Vogelsbergkreis, wo sich sogar aufgrund der geringen Beteiligung an Übungen und Einsätzen die Feuerwehr-Einsatzabteilung und der Feuerwehrverein aufgelöst hätten. „Es besteht aber auch in Osthessen die zunehmende Gefahr, dass Feuerwehren keinen mehr finden, der den Hut aufhaben und Verantwortung übernehmen will“, befürchtet Waldmann. Sein Kamerad und Betreuer in der Bad Salzschlirfer Jugendfeuerwehr, Alexander Kluge (23), sieht die Gründe hierfür „in immer mehr Verwaltungsaufgaben“, die Wehrführungen aufgebürdet würden. „Da müssen sich Leute, die sonst nichts mit solchen Dingen zu tun haben, erst einmal hineinfuchsen – und man darf nicht vergessen, dass das die Betreffenden ja alles freiwillig im Ehrenamt tun“, ergänzt Kluge, seines Zeichens Inspektoranwärter für die Laufbahn des gehobenen Dienstes beim Regierungspräsidium in Kassel.


Sicherung der Tagesalarmbereitschaft zentrale Aufgabe

Kluge wie auch Waldmann betonen im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Feuerwehr in Bad Salzschlirf mit 36 Männern und fünf Frauen in der Einsatzabteilung und 24 Mitgliedern in der Jugendfeuerwehr derzeit noch über eine recht robuste Personaldecke und darüber hinaus über eine gute Fahrzeug- und Technik-Ausstattung verfügt. „Der Knackpunkt ist nicht, Kinder für die Feuerwehr zu begeistern, sondern sie zu behalten, wenn sie sich unmittelbar auf dem Weg zum Erwachsenwerden befinden“, führen die beiden Aktivposten der Bad Salzschlirfer Jugendfeuerwehr aus. Die einen würden etwa ein Studium beginnen und wären dann erst einmal eine Weile weg, die anderen würden Berufe erlernen, die es in der Region nicht gäbe – und stünden dann plötzlich wider Erwarten ebenfalls nicht mehr zur Verfügung. Das seien für Feuerwehren auf dem Land schwer zu verkraftende Rückschläge. Im Ehrenamt zähle jede Fachkraft. „Wenn sie studieren gehen und kommen danach wieder, ist das ein Glücksfall für uns“, sind sich beide einig. So oder so, aus überschaubaren Personalressourcen erwüchsen – Stichwort Tagesalarmbereitschaft – allemal neue Herausforderungen im Feuerwehralltag. So falle es in der heutigen Zeit zunehmend schwerer, Leute zu finden, die im Ort arbeiten und so innerhalb kürzester Zeit am Einsatzort sein können. „Durch Homeoffice in der Pandemie waren viele zu Hause, aber inzwischen kann es vor allem tagsüber mit dem Personal eng werden“, räumt Jürgen Schlei, seit 1994 Gemeindebrandinspektor von Bad Salzschlirf, ein.

Gemeinde muss schauen, wo sie helfen kann

Gesetzlich vorgeschrieben ist die Einhaltung einer zehnminütigen Hilfsfrist – im Unterschied zum Rettungsdienst allerdings ab Alarmierung und nicht ab dem Zeitpunkt des Anrufs. Innerhalb dieser Frist muss einer aus einer Staffel (1/5) bestehende Besatzung der Feuerwehr wirksame Hilfe eingeleitet haben – sprich der Gruppenführer, Einsatzleiter oder Staffelführer machen sich vor Ort ein Bild von der Lage. „Die Erfahrung zeigt aber, dass man mit dieser Besetzung nicht viel reißt und man in der Regel mehr Menpower braucht“, verdeutlicht Kluge, der sich nicht nur in der Feuerwehr, sondern auch politisch engagiert und als CDU-Fraktionsvorsitzender in der Gemeindevertretersitzung oft die Finger in die Wunde legt. „Auch beim Thema Tagesalarmbereitschaft müssen wir schauen, ob wir nicht das ein oder andere Mittel oder Instrument haben, da von Seiten der politischen Gremien der Gemeinde nachzuhelfen“, verdeutlicht Kluge, der zugleich stellvertretender Vorsitzender der Jungen Union Fulda-West (Bad Salzschlirf, Großenlüder, Hosenfeld) ist.

Unterstützung durch die Gemeinde „vorbildlich“

Zwar habe man aufgrund der angespannten Haushaltslage in den vergangenen Jahren bei der ein oder anderen Anschaffung Geduld aufbringen müssen, doch generell sei die Unterstützung durch die Gemeinde vorbildlich. Zu den Anreizen einer Tätigkeit für die Freiwillige Feuerwehr gehört unter anderem die komplette Übernahme der Kosten für den Lkw-Führerschein – längst nicht jede Gemeinde handhabe das so, berichten Kreisbrandmeister Waldmann und der bodenständige Feuerwehrmann und Politiker Alexander Kluge.

„Was wir bei manchen Einsätzen sehen, verändert einen schon“

Auch in Pflichtlehrgänge im Rahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Spezialausbildungen der Feuerwehrkameradinnen und Kameraden wird fleißig investiert, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Neben den physischen Herausforderungen bei Einsätzen sind die psychischen Belastungen nicht zu unterschätzen. Dabei müssen Einsatzkräfte auch manchmal extrem belastende Unglücksfälle verarbeiten, bei denen Menschen durch das Geschehen völlig entstellt sind. Oder vermisste Personen mitten in der Nacht gesucht und dann tot im Fluss geborgen werden. Ein ums andere Mal muss hier die sogenannte Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) in Anspruch genommen werden. „Was wir bei manchen Einsätzen sehen, das verändert einen dann schon“, gesteht Andreas Waldmann offen ein.

Um die 200 Einsätze pro Jahr

Beim Besuch des Reporters wies die digitale Tafel gerade 177 Einsätze für das Jahr 2022 aus. „2021 hatten wir 190 Einsätze – und auch in den Jahren davor waren es stets um die 200 Einsätze – vom Scheunenbrand bis zur Hilfe bei schweren Verkehrsunfällen“, erfahren wir von der Wehrführung. Schwerpunkt der Einsätze seien technische Hilfeleistungen, Verkehrsunfälle, Türöffnungen, die Beseitigung von Ölspuren auf der Straße oder ähnliche Gründe für das Auslösen eines Alarms. „Wobei wir im Vergleich zu anderen Gemeinden im Landkreis Fulda eine große Anzahl von Brandmeldeanlagen haben und jede gemeldete Gefahr wie einen Ernstfall behandeln“, so Kreisbrandmeister Andreas Waldmann. Auch wenn bei solchen Einsätzen manchmal aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort schnell Entwarnung gegeben werden könne, handele es sich hierbei keineswegs um Fehlalarme. Denn die betreffende Anlage habe ja tatsächlich etwas von der Normalität Abweichende wahrgenommen.

Fuhrpark soll schon 2023 weiteren Zuwachs bekommen

Dass der Fuhrpark und das Feuerwehrhaus picobello ist und sich viele ältere Fahrzeuge noch im 1a-Zustand befinden, gehe vor allem auf das enorme Engagement von Gemeindebrandinspektor Jürgen Schlei zurück, loben beide Herzblut-Feuerwehrleute. Für eine schlagkräftige Wehr sorgen im Fuhrpark aktuell fünf Fahrzeuge – ein Einsatzleitwagen (ELW 1), ein Hilfeleistungs-Tanklöschfahrzeug (HTLF 16/25), ein Löschgruppenfahrzeug (LF 10), das als klassisches Arbeitstier in der Feuerwehr-Welt gilt, ein Gerätewagen Logistik (GW-L 1) sowie ein Mannschaftstransportwagen (MTW). Je nach Einsatzerfordernis steht für die Beladung der Ladefläche des Gerätewagens Logistik Spezialtechnik auf diversen Rollcontainern zur Verfügung – ganz egal ob für Waldbrände, Gefahrgut-Einsätze oder unter Wasser stehende Keller.

Schon im Jahr 2023 soll der Fuhrpark weiteren Zuwachs bekommen. So sieht der kürzlich vom Gemeindeparlament verabschiedete und unter Mitwirkung der Wehrleitung entstandene Bedarfs- und Entwicklungsplan der FF Bad Salzschlirf für den Zeitraum 2023 – 2032 unter anderem die Anschaffung eines neuen MTW im Jahr 2023 für 74.000 Euro, eines neuen ELW 1 im Jahr 2025 für 108.000 Euro sowie eine Ersatzbeschaffung für das HTLF 16/25 im Jahr 2032 vor.

Populäre Feuerwehr-Events mit festem Platz im Terminkalender

Für ihr Engagement war der FF Bad Salzschlirf sowie der JF Bad Salzschlirf anlässlich des diesjährigen Lichterfestes nachträglich der Dr. Martiny-Ehrenpreise für bürgerschaftliches Engagement für das Jahr 2020 überreicht worden – die Freude darüber war natürlich groß. Das Lichterfest ist nicht zuletzt aufgrund der Wasserspiele, die die Kameraden der Einsatzabteilung Jahr für Jahr durchführen, überregional bekannt und populär. Aber auch Events wie die „BLAUElicht NACHT“ (jeweils zu Pfingsten im Kurpark), der Fastnachts-Hausball im Feuerwehrhaus oder Weihnachtsfeiern, bei denen ausdrücklich auch mal den Partnern der aktiven Kameradinnen und Kameraden gedankt wird, haben einen festen Platz im Terminkalender.