Schlitz | "Kulturhalle" in der ehemaligen Brauerei bleibt weiterhin Reizthema

Zahlen-Hickhack und „Ententest“ im Schlitzer Parlament

Das Leuchtturmprojekt „Kulturhalle in der ehemaligen Brauerei“ bleibt, wie in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung am 12. September in der Burgenstadt Schlitz sichtbar wurde, ein Reizthema. „Ich bin sehr dafür, dass man den Sachverhalt nicht schlechtredet, aber auch dagegen, wenn man ihn schönredet“, sagte Prof. Dr. Konrad Hillebrand (SPD) mit Blick auf ausufernde Gesamtprojektkosten.

Von Mirko Luis

Der neuerliche Streit entbrannte bei der Beratung eines Antrages der Fraktion der Bunten Liste Schlitzerland (BLS). Der bezog sich auf das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) für das Fördergebiet „Südliche Altstadt“, das vom Stadtparlament am 29. Juni 2020 einstimmig beschlossen worden war und derzeit durch Magistrat und Stadtverwaltung umgesetzt wird. „Die Umsetzung des ISEK insbesondere im Bereich der alten Brauerei ist derzeit ein heißes Thema der Schlitzer Kommunalpolitik. Da die inhaltliche Umsetzung dieses Großvorhabens auf einem Parlamentsbeschluss beruht, möchten wir von Seiten der Bunten Liste gerne sicherstellen, dass wesentliche Änderungen nur nach parlamentarischer Diskussion und durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung ermöglicht werden“, trug BLS-Fraktionsvorsitzender Dr. Jürgen Marxsen vor.

Nicht ungewöhnlich: Planabweichung bei Großprojekten

In dem 173 Seiten starken ISEK-Papier, das unter Bürgerbeteiligung in drei Planungswerkstätten erarbeitet worden war, finden sich detaillierte Beschreibungen der Einzelmaßnahmen für die Revitalisierung des Brauereigeländes. Die Gesamtausgaben bis zum Jahr 2029 wurden seinerzeit auf knapp 13,8 Millionen Euro geschätzt. Ein Drittel der Kosten übernimmt der Bund, ein Drittel das Land Hessen, und ein Drittel müssen aus dem Stadtsäckel zur Verfügung gestellt werden. Keineswegs ungewöhnlich ist, dass es bei Großprojekten dieser Art Planabweichungen geben kann– zumal sich in zwei Jahren, wie wir gerade schmerzlich feststellen, die Welt verändern und von globalen Krisen erschüttert werden kann.


Kosten für ersten Bauabschnitt mittlerweile bei 10 Millionen Euro

Nach Marktkorb-Informationen verlangen die Fördermittelgeber unter anderem, dass das Untergeschoss mit Gewölbekeller ausgebaut werden muss. Die anfänglich kommunizierten 3,5 Millionen Euro an Investitionskosten für eine Kulturhalle hatten sich jedoch nur auf eine Ebene bezogen. Hinzu kommen massiv steigende Materialkosten. Mittlerweile liegen die Kosten für den ersten Bauabschnitt (Gebäude A bis D) bei 10 Millionen Euro, wie Bürgermeister Heiko Siemon (CDU) auf Anfrage der Mediengruppe Parzeller am Freitag bestätigte. Zu den Kostenerhöhungen führten dem Rathauschef zufolge neue Erkenntnisse, wie zum Beispiel die Drainage ums Gebäude und Auflagen der Denkmalpflege, die bei der Planung zu Beginn bei einem Projekt dieser Dimension nicht so detailliert geplant werden konnten. Siemon verweist darauf, dass es sich bei der genannten Summe um die Kostenberechnung am Anfang des Jahres handele und heute bei einigen Gewerken weitaus höhere Preise herauskämen.

Nicht anwesender SPD-Fraktionschef sprach schon von Stopp des Projekts

Der in der Sitzung neben vielen weiteren SPD-Mandatsträgern nicht anwesende SPD-Fraktionschef Zeynel Can hatte das Projekt Kulturhalle zwischenzeitlich in Frage und einen möglichen Stopp des Projekts in den Raum gestellt – einige regionale Medien und Onlineportale zitierten ihn mit den Worten, dass nicht alles umgesetzt werden müsse, bloß weil es Fördergelder gebe. BLS-Fraktionschef Dr. Jürgen Marxsen vermutete schlichtweg „einen einfachen Fehler, der im ISEK drinsteht.“ Während CDU-Fraktionschef Kevin Alles im Namen der Christdemokraten ankündigte, dem Antrag zuzustimmen, insofern es sich um „wesentliche Änderungen“ handele. „Die Diskussion ums Brauereigelände kennt viele Kuriositäten, der BLS-Antrag gehört dazu“, zeigte SPD-Mandatsträger Konrad Hillebrand eine ablehnende Haltung. Er sehe in den Einzelmaßnahmen des ISEK einen programmatischen Rahmen. „Alle Maßnahmen, die dort geplant werden, kosten Geld und sind insofern Bestandteil eines künftigen Haushaltes – und jeder Haushalt ist durch uns ohnehin zu beschließen“, so der ausgebildete Volkswirtschaftler und Hochschullehrer. Was ihn an dem Antrag störe, sei das Wort „wesentlich“, dessen Auslegung nun einmal im Auge des Betrachters liege. „Darüber kann es heftigen Streit geben.“

Belesener Akademiker in SPD-Reihen spricht von „DGH ohne Hochzeitsfeier“ und bezieht sich auf „Ententest“

Hillebrand lockte einmal mehr Bürgermeister Siemon aus der Reserve, indem er die Bezeichnung „Kulturhalle“ als „beschönigend“ bezeichnete und die in der Sitzung vor der Sommerpause vom stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Frank Döring für Dorfgemeinschaftshaus stehende Abkürzung „DGH“ in den Raum warf. „Es tut uns gut, wenn wir dieses Wort nicht in den Mund nehmen“, erwiderte Siemon mit Blick auf unnötige Verunsicherungen in der Bevölkerung auf die künftige Nutzung des Gebäudes. Hillebrand setzte unterdessen noch einen drauf und zitierte das Prinzip einer intuitiven Methode, dem „duck test“ (Ententest). Dessen Prinzip lautet: „Wenn es aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es wahrscheinlich eine Ente.“ Der belesene Akademiker in SPD-Reihen übertrug das Ganze prompt auf das Schlitzer Leuchtturmprojekt, das nun einmal aussehe wie ein DGH und auch eines sei – „nur eben ohne Hochzeitsfeier“.

FDP sieht ISEK-Programm als nicht zerpflückbare Einheit

Thomas Landgraf (FDP) stellte in Frage, ob die Politik per Beschluss über Teilbereiche des ISEK-Programms bestimmen könne, da dieses ja einem stringenten Ablauf habe. Wenn, dann müsse man vermutlich darüber entscheiden, das Programm komplett einzustellen. Elisabeth Hillebrand (SPD) bezeichnete die Ausweisung der Kosten im städtischen Haushalt und deren Entwicklung als „schlamperig“, so etwas wolle sie künftig nicht mehr sehen. Bei vier Gegenstimmen stimmte das Parlament schließlich dem Antrag der BLS-Fraktion, ergänzt mit dem kleinen Zusatz der CDU, zu.

Rathauschef Heiko Siemon: Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen

Rathauschef Heiko Siemon warnt wenige Tage nach der Sitzung. „Man bringt nur unnötig Unsicherheit in die Bevölkerung hinein, wenn man verschiedene Zahlen – mal mit, mal ohne Mehrwertsteuer – aus dem Kontext reißt und in den Raum wirft.“ Äpfel mit Birnen zu vergleichen nütze am Ende niemanden etwas. Die Stadt habe längst ihre Hausaufgaben erledigt und die zur Deckelung der Kosten notwendigen Fördermittel angemeldet.

Wegen Energiekrise; Keine Vollbestrahlung der Burgen, begrenztes Leuchten der weltgrößten Weihnachtskerze

Mit Blick aufs Weihnachtsfest werden die Energiesparzwänge auch um das Schlitzerland keinen Bogen machen. „Eine Vollbestrahlung der Burgen, wie wir sie hatten, wird es nicht geben“, verkündete Heiko Siemon mit hörbarem Wehmut in seiner Stimme. Geprüft werde außerdem, ob die größte Weihnachtskerze der Welt anno 2022 nur am Wochenende leuchten wird. „Wobei das eine sehr emotionale Angelegenheit und eine schmale Gratwanderung ist.“ Man strebe in jedem Fall an, eine gewisse Form der Feierlichkeit zu wahren.

Austausch zum Projekt „Alte Brauerei“ soll sich verbessern
Nach Angaben der Stadtverwaltung Schlitzkönnen Fragen und Anregungen zum Projekt „Alte Brauerei“ direkt an die Stadt gesendet werden. Um allen Bürgerinnen und Bürgern des Schlitzerlandes die Möglichkeit zu geben direkt Ihre Fragen und Anregungen zum größten Bauprojekt der Stadt Schlitz zu schreiben, ist ab sofort die E-Mail-Adresse kulturbrauerei@schlitz-hessen.de aktiv geschaltet. Hier werden Fragen und Anregungen bearbeitet, den Entscheidern weitergegeben und teilweise auch veröffentlicht. Dies soll der Verbesserung des Informationsaustausches dienen und bestehende Unklarheiten beseitigen. Warum passiert dies? Warum macht man denn dies nicht so? Wisst Ihr denn nicht? Dies sind Fragen, die den Schlitzerländer beantwortet werden sollen, um so den Fortschritt dieses Projekts zu erklären, um damit auch die Akzeptanz zu erhöhen.