Petersberg | Umfassend umgestalteter Propsteigarten offiziell eröffnet und gesegnet

Inspirierender Ort mit der unsichtbaren Kraft Gottes

Er ist nach den Worten des Petersberger Bürgermeisters Carsten Groß (CDU) zu einem Rückzugsort geworden, in dem man entspannt die Mittagspause oder nach Feierabend seine Runde drehen und beim Spazierengehen die Natur genießen kann – der mit viel Liebe zum Detail umgestaltete Propsteigarten.

Von Mirko Luis

Das Interesse der Öffentlichkeit anlässlich der offiziellen Eröffnung und Segnung des aus historischer Sicht durchaus bedeutsamen Areals seitens der Bürgerschaft war groß. Ursprünglich war der Termin schon mal am 20. Mai angesetzt, doch da hatte eine Unwetterwarnung quasi in letzter Minute einen Strich durch die Rechnung gemacht. Viele von denen, die sich seinerzeit auf den Weg gemacht hatten, kamen wieder. Und siehe da, beim zweiten Anlauf lief alles wie am Schnürchen.


Ein wahres Kleinod inmitten des Petersberger Zentrums


„Wir befinden uns hier inmitten eines wahren Kleinodes im Zentrum von Petersberg. Und über uns thront die Liobakirche, die älteste Kirche in Hessen“, merkte Froß zu Beginn seiner Ausführungen an. Wobei er angesichts zweifelnder Gesichter, ob diese Einordnung denn so stimmen kann, nachsetzte. „Gilt nicht die Michaelskirche in Fulda als viel älter?“, warf er als Frage in den Raum. Um die Antwort gleich danach selbst zu geben. „Ja, theoretisch stimmt das auch, schließlich feiert die Michaelskirche in diesem Jahr 1200-jähriges Bestehen. Aber die noch vorhandene Bausubstanz, der Baubestand unserer Liobakirche – und das ist von sämtlichen Bauexperten, auch des Bistums Fulda bestätigt – die ist älter. Insofern sage ich nicht ohne Stolz: Das Kirchlein in Petersberg, unsere Lioba-Kirche, ist für uns ein Stückchen Weltkulturerbe“, legte Froß sehr ausführlich dar.



„72-Stunden-Aktion“ der Pfarrjugend

Danach wandte sich Froß wieder dem Propsteigarten zu. Dessen Terrain sei in der 300-jährigen Geschichte des Areals vielfältig genutzt worden – mal für die Landwirtschaft, mal als „Kinderbewahranstalt“, mal als Schwesternheim. Dass er ein Platz für die breite Öffentlichkeit wurde, das wiederum sei der Pfarrjugend der Kirchengemeinde zu verdanken. Die habe sich diesen Garten im Jahr 2013 vorgenommen, bei einer sogenannten „72-Stunden-Aktion“ aufgehübscht und so schon mal den Grundstock für dessen heutiges Aussehen gelegt. Seinerzeit seien auch neue Wege angelegt worden. Die Gemeinde Petersberg habe sich entschlossen, die begonnene Neugestaltung fortzuführen und dafür einen Vertrag mit den Vinzentinerinnen geschlossen, die Eigentümerinnen des Gartens sind. Laut Froß stand die Umgestaltung des Propsteigartens im Zusammenhang mit der Bewerbung der Gemeinde Petersberg und der Stadt Fulda um das Europäische Kulturerbe-Siegel. Daraus sei im Endeffekt zwar nichts geworden. „Aber wir sehen, wie ich finde, dass sich unseren Bemühungen dennoch gelohnt haben“, sagte Froß anlässlich der offiziellen Eröffnung des Gartens. So habe man einen Ort geschaffen, den die Bürgerinnen und Bürger dauerhaft nutzen könnten. „Es liegt an uns, diesen herrlichen Garten mit Leben zu erfüllen“, so Froß. So sei es hier zum Beispiel seit Neuestem möglich, Trauungen zu vollziehen – hierfür sei einer der Pavillons hergerichtet worden. Froß kündigte an, in dem Garten in den nächsten Wochen und Monaten – gutes Wetter vorausgesetzt – die ein oder andere Veranstaltung durchführen und auch Gottesdienste abhalten zu wollen. Konzerte seien ebenso darunter wie Lesungen. Bei alldem sei ein wichtiges Anliegen der Gemeinde, stets die Würde des Gartens zu wahren. „Wir wollen hier keinen Festrummelbetrieb machen, sondern es bei kleinen Veranstaltungen belassen“, so Froß. Ideen und Impulse aus der Bevölkerung seien jederzeit willkommen. Froß zufolge wird seitens der Gemeinde angestrebt, den Garten im nächsten Jahr den Besuchern der Landesgartenschau zugänglich zu machen.

 

Gemeinde investiert rund 40.000 Euro

Nach Angaben von Froß investierte die politische Gemeinde Petersberg den letzten zwei, drei Jahren rund 40.000 Euro, um den Garten zu dem zu machen, was er jetzt ist. „Wir haben Sitzgelegenheiten installiert, Sonnenliegen aufgestellt, einen Weg zur Friedensstraße angelegt, Pavillons aufgestellt und Infotafeln bereitgestellt“, listete Froß auf. Zudem bringe eine Spende der Familie Gaul barocken Glanz in den Garten. Die Statue stelle symbolisch die vier Elemente der Erde – die Kraftquellen aus der Natur – dar. Wie Froß betonte, sei auf eben jene Natur bei der Gestaltung des Gartens besonderer Wert gelegt worden. So seien Bäume, Sträucher und Wiesen gepflanzt worden, darüber hinaus wäre eine Blühwiese angelegt worden und dank der Spende des naheliegenden nahkauf-Marktes sein ein Insektenhotel sowie ein Hochbeet aufgestellt worden. Darüber hinaus sollen Spalierobst mit einer ganzen Reihe von Apfelsorten sowie Weinreben den Garten aufwerten. „Ob diese Weinreben irgendwann zu einer Flasche Wein werden können – ich werde es Sie wissen lassen“, sagte Froß, mit Augenwinkern versehen, an die Anwesenden gerichtet. Froß dankte alle Baumpatinnen und Baumpaten.




nahkauf-Markt unterstützt nachhaltiges Projekt mit Insektenhotel und Hochbeet




Zu den aktiven Mitgestaltern und Unterstützern des Gartens gehörte der Petersberger nahkauf-Markt. Im Rahmen einer Aktionswoche zum Thema Bienen- und Insektenschutz, die vom 16. bis 21. Mai bundesweit in 450 nahkauf-Märkten stattgefunden habe, seien Bürger:innen beziehungsweise Kundinnen und Kunden für das Thema Nachhaltigkeit und Artenschutz sensibilisiert worden, führte der für den Petersberger Nahkauf-Markt verantwortliche Marktleiter Jörg Kiel aus. Da man in Sachen Neugestaltung des Propsteigartens früh im Bilde gewesen sei, habe man sich zur Aufstellung eines Insektenhotels und Spende eines Hochbeets entschlossen, das die Mitarbeiterin Mariola Werthmüller liebevoll in Handarbeit bepflanzt habe, so Kiel. Er schwärmte bei der Einweihung des Gartens von der Attraktivität der Gemeinde. „Petersberg hat – verglichen mit anderen Gemeinden dieser Größenordnung – einen wunderschönen Ortskern, den ich so noch nicht gesehen habe. Das gehört unterstützt.“

„Liebt die ganze Schöpfung – jedes Blatt und jeden Sonnenstrahl!“

Schwester Annette von den Vinzentinerinnen überbrachte zunächst die herzlichen Grüße von Generaloberin Birgit Bohn, die aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein konnte und dies sehr bedauerte. „Die unsichtbare Kraft Gottes gibt es in der Natur immer wieder zu entdecken. Inmitten einer solchen Landschaft fühlt sich der Besucher dem Schöpfer greifbar nahe“, führte sie aus. Und fügte hinzu, „dass wir in den Schönheiten der Schöpfung Gottes wunderbare Ordnung erkennen“. Dazu passend zitierte Schwester Annette aus dem Roman des russischen Dichters Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821 – 1881) „Die Brüder Karamasow“, aus dem das bekannte Zitat „Liebt die ganze Schöpfung – jedes Blatt und jeden Sonnenstrahl! Wenn ihr das tut, werden sich euch die Geheimnisse des Göttlichen offenbaren“ abgeleitet ist. Der Ort sei ideal, um aufzutanken und Inspirationen für Neues zu empfangen, so Schwester Annette.

Nicht nur Fulda, auch Petersberg hat eine Orangerie



Peter Scheel, Ortsvorsteher von Petersberg und zugleich Vorsitzender des Heimatvereins Petersberg, widmete sich spannenden geschichtlichen Details. So habe der unter Propst Leopold Specht von Bubenheim (1697 – 1755) errichtete sogenannte „Neue Garten“ ursprünglich einem Verbund mit insgesamt acht Gärten der Propstei angehört, deren Spuren sich heute nur noch über bestimmte Namensbezeichnungen identifizieren ließen. Fakt ist – und hier pflichtete Scheel Bürgermeister Carsten Froß bei – dass nicht nur Fulda, sondern auch Petersberg eine Orangerie hat. Diese sei zwar nicht mehr ohne weiteres erkennbar, aber vor allem die älteren Petersberger wüssten, dass der Grundstock des Hauses der Lioba Schwestern die alte Orangerie ist. Doch was, fragte Scheel in den Raum, wollte man seinerzeit erreichen, als man eine solche Orangerie oder Garten anlegte?

Glaube an ein neues, goldenes Zeitalter


„Die Bevölkerung dachte, dass ein neues, goldenes Zeitalter anbrechen würde“, so Scheel. „Man begann Früchte wie Zitronen, Orangen, Ananas und weitere Früchte zu sammeln, die vorwiegend durch ihre goldgelbe Farbe hervorstachen, bis dahin aber in unseren Breitengraden nicht zu finden waren“, so Scheel. „Es mussten dabei Möglichkeiten geschaffen werden, diese Pflanzen über die Winterzeit zu bringen“, so Scheel. Und so banal es heute auch klinge: Erst durch die Erfindung des „Pflanzentransportwagens“ war es möglich, die in Europa nicht winterfesten Gewächse in beheizte Orangeriegebäude zu verbringen. Diese dienten längst nicht nur gärtnerischen, sonder vielmehr repräsentativen Zwecken und dem Vergnügen fürstlicher Herrschaften beziehungsweise deren steigendem Bedürfnis nach exotischen Früchten.

Pröpstliches Jagdhaus abgebaut und in Thüringen wiedererrichtet



Über einer Tür am Ausgang des Propsteigartens könne man heute noch solch eine Frucht erkennen. „Es dürfte sich bei der Darstellung vermutlich um eine Ananas handeln, aber auch die Artischocke käme in Frage, zumindest der Zopf davon“, so Scheel. „Ob es wirklich so war, dass der ausführende Steinmetz die ein oder andere Frucht tatsächlich schon mal live gesehen hat, möchte ich stark bezweifeln“, ergänzte er. An der Stelle, wo sich heute die Statue befinde, habe früher ein pröpstliches Jagdhaus gestanden. „Dieses Haus ist noch erhalten“, sagte Scheel zur Verwunderung des ein oder anderen Gastes. Denn zu sehen ist von dem Haus nichts. „Man hat es komplett abgebaut und in Thüringen wiedererrichtet, wo das barocke Gebäude als wunderbares Pfarrhaus erhalten worden ist“, klärte Scheel auf. Gut möglich sei, dass für den Garten – zumindest in Ansätzen – mal ein Wasserspiel vorhanden gewesen ist und dieses zeitweise in Betrieb gesetzt wurde. Scheel zufolge wurde der Garten in der Vergangenheit unter anderem als Mustergarten und für eine kleine Landwirtschaft genutzt. Auch eine „Kinderbewahranstalt“ und ein Schwesternheim hätten einst auf der Fläche gestanden.

„Kleine Paradiese auf Erden“

Er habe sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass dieser alte Petersberger Garten wieder mit Leben erfüllt wird, so Scheel am Ende seines kleinen Geschichtsexkurses. Bei der Gelegenheit dankte er Bürgermeister Froß für die „hervorragende Aufwertung des Geländes“. Solche Gärten seien – sinnbildlich gesprochen – kleine Paradiese auf Erden, so der Ortsvorsteher abschließend.

„Gott hat dem Ganzen eine gewisse Ordnung gegeben“


Tatsächlich komme dem Garten schon auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift enorme Bedeutung zu, erinnerte der katholische Pfarrer Togar Pasaribu an den Garten Eden, die biblische Bezeichnung für das zunächst irdische Paradies. „Gott hat dem Ganzen eine gewisse Ordnung gegeben, alles so koordiniert und getimt, dass es harmonisch ist“, beschrieb der junge Geistliche die Szenerie mit modernen Worten. „Wir alle wissen, dass das Leben viele Herausforderungen und spannenden Höhen und Tiefen bereit hält. Es ist aber wichtig, dass es immer wieder Orte gibt, wohin man sich zurückziehen und auch mal abschalten kann“, so Pfarrer Pasaribu. Der Propsteigarten sei ein ruhiger, ein wunderbarer Ort, der sich bestens eigne, aus dem Alltag, aus dem Business zurückzuziehen. Er biete Ursprünglichkeit und Gelegenheit, durchzuatmen, zur inneren Mitte zu finden und zur Ruhe zu kommen. „Für mich als Pfarrer hat das natürlich auch eine religiöse Komponente“, so der Leiter der Pfarrei Sankt Lioba in Petersberg, dem die Freude, die kirchliche Segnung an diesem Tag vornehmen zu dürfen, ins Gesicht geschrieben stand. Bei einem Spaziergang und dem Anblick der wunderbaren Blumen und dem Genießen der Sonne, sagt er, sei das Zurückfinden und das Rückbinden zum Ursprung gut möglich, indem man sich ins Bewusstsein rufe, wer hinter all dem stehe. Jeder Einzelne könne dann versuchen, für sich Fragen zu beantworten wie „Wo kommt das alles her?“, „Warum bin ich hier?“, „Was ist eigentlich mein Zweck?“ Oder „Was ist das Wichtige in meinem Leben?“