Region | Blauer Brief von Hessischer Landjugend für Ministerpräsident Volker Bouffier

Bauern fordern mehr Planungssicherheit

ALSFELD. Als „besorgniserregend“ hat der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Karsten Schmal, den Rückgang der tierhaltenden Betriebe in Hessen bezeichnet. Ihm mache das große Sorgen, sagte er in der Hessenhalle Alsfeld vor Hunderten Branchenvertretern sowie Gästen aus Politik und Wirtschaft, darunter Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der Kasseler Regierungspräsident Mark Weinmeister (CDU), der Ehrenpräsident des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider, zahlreiche Vertreter aus Ministerien und Fachbehörden sowie führende Vertreter des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld.

Von Mirko Luis

Der Bauerntag stand unter dem Motto „Tradition mit Zukunft“. Der letzte Hessische Bauerntag hatte vor sechs Jahren in Bad Hersfeld stattgefunden. Im Jahr 2018 war die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden Gastgeber des Deutschen Bauerntages. 2020 hatte der Hessische Bauerntag, von dem stets wichtige Impulse für die heimischen Höfe ausgehen, aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden müssen. Parallel zum Bauerntag in Alsfeld wurde das 75- jährige Bestehen des Hessischen Bauerntages nachgeholt.

Karsten Schmal zufolge ist die gesamte Lebensmittelbranche derzeit mit „massiven Kostensteigerungen“ konfrontiert, insbesondere im Bereich Energie, Kraftstoff, Logistik und Düngemittel. „Nur durch faire Entlohnung aller Leistungen können die Landwirte den weiteren gesellschaftlichen Leistungen gerecht werden.

Stephan Paule (CDU), Bürgermeister der Gastgeber-Stadt Alsfeld, betonte in seinem Grußwort, dass die Bedeutung der Landwirtschaft heute in seiner Stadt mindestens so groß sei wie vor 800 Jahren – dem Jahr, als die national und international bekannte oberhessische Fachwerkstadt die Stadtrechte verliehen bekommen habe. Einziger Unterschied sei vielleicht gewesen, dass den Menschen seinerzeit die Bedeutung der Landwirtschaft bewusster war, als das heute der Fall sei.

Die besondere Rolle von Frauen in der Landwirtschaft betonte unterdessen Hildegard Schuster, Präsidentin des Landfrauenverbandes Hessen. Diese nähmen auf den Höfen ihre besondere Verantwortung wahr, für das Gleichgewicht und die Stabilität in den Familien zu sorgen. Die betreffenden Frauen würden mit großem Engagement und Leidenschaft generationenübergreifend an den Schnittstellen Familie, Kinder und Altenbetreuung zwischen Betrieb und Familie arbeiten. Schließlich trügen die Frauen auf vielfältige Weise nicht nur in den landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieben, sondern auch vielen Nebenerwerbsbetrieben zum Familieneinkommen bei. Den Landfrauen sei wichtig, Bäuerinnen auch in Zukunft Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. „Wir verstehen uns als Brückenbauerinnen zwischen Erzeuger und Verbraucher“, sagte Schuster mit Blick auf die facettenreiche Verbandsarbeit. Das gesellschaftliche Interesse sei da, „wir müssen es jetzt aber noch stärker zum Dialog nutzen“.

„Ich habe schon immer gesagt. Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht. Aber würde der Städter kennen, was er isst, er würde umgehend Bauer werden.“
Hildegard Schuster, Präsidentin des Landfrauenverbandes Hessen

Verbraucheraufklärung direkt vor Ort – auf Höfen, auf Märkten und allen Kanälen – sei wichtiger denn je, ebenso die Ernährungsbildung an Schulen. „Wir müssen an den kleinen und großen Verbrauchern dranbleiben – gerade jetzt, wo wir so eine große Vielfalt an regionalen Lebensmitteln haben“, lautete der Appell von Schuster. Ohne einen gut funktionierenden ländlichen Raum mit Familien von Landwirten habe das Land, ja habe Hessen keine Zukunft. Neben einem erfolgreichen Mann stehe immer eine Frau an dessen Seite.

Jung, motiviert und innovativ

Eine ähnlich hohe Bedeutung maß Torben Eppstein, Vorsitzender der Hessischen Landjugend, regionalen Versorgungskreisläufen bei. Nahrungsmittelprodukte rückten in den „aufregenden und ängstigenden Zeiten“ der Gegenwart immer weiter in den Mittelpunkt der Gesellschaft. Fast jeden Tag seien Weizenpreise Thema im Fernsehen, ebenso höre man dort plötzlich sehr viel über Anbauflächen und Exporte. „Egal ob Corona oder Krieg in Europa: Die deutschen Bauern haben es immer geschafft, die Bevölkerung sicher zu ernähren. Und das machen wir auch weiter – wenn man uns lässt“, so der dynamisch auftretende Landjugend-Impulsgeber. Allerdings, so Eppstein, müssten hierfür auch die Weichen gestellt werden. „Wir brauchen eine heimische Landwirtschaft und eine heimische Produktion, hier und nicht irgendwo anders auf der Welt müssen die Lebensmittel für unsere Verbraucher produziert werden. Wenn das einer kann, dann sind das wir Landwirte, gerade die jungen Landwirte – wir sind jung, motiviert und innovativ“, fügte er an. So hätten gerade die hessischen Bauern öfter bewiesen, dass sie Lebensmittel nach höchstem Standard produzieren könnten – und das im Einklang mit dem Tierwohl sowie Arten- und Umweltschutz.

Vorgaben müssen umsetzbar sein

Das alles, so Eppstein mit Blick auf strenge Umweltauflagen, gehe allerdings nicht zum Nulltarif. „Die Spielregeln, die hier kommen, müssen fachlich umsetzbar und dürfen keine ideologischen Träumereien sein.“ Gerade Junglandwirte bräuchten Zuversicht und das Vertrauen der Gesellschaft, um Millionenkredite aufnehmen und in die Zukunft ihrer Betriebe investieren zu können. „Ein Investitionsstillstand wegen fehlender Planungssicherheit wäre fatal für unsere Branche“, warnte Eppstein. Hier brauche man seitens der Politik weitere Gespräche und klare Signale. In Richtung von Ministerpräsident Volker Bouffier sagte Eppstein wertschätzend, dass man wisse, in ihm einen engagierten Partner zu haben. Man sei froh, dass das Hessische Landwirtschaftsministerium und die Ministerin immer wieder zu Gesprächen bereit sei. Eppstein bedankte sich explizit für die Gründung des Runden Tisches Landwirtschaft und Naturschutz. „Aber wir haben auch viele Probleme, die jetzt anstehen, bewältigt und angegangen werden müssen“, wies er auf weiteren Handlungsbedarf hin. Und hatte etwas mitgebracht, das nicht nur eine originelle Idee war, sondern den Dialog der Bauern mit dem Ministerium weiter forcieren soll.

Hoffen auf klare Signale seitens der Politik

Eppstein übergab Ministerpräsident Volker Bouffier in Anspielung auf traditionelle Gepflogenheiten im Schulbereich einen überproportional großen Blauen Brief. Zumindest früher erhielten Schüler, wenn es nicht so gut lief, manchmal einen mahnenden Blauen Brief mit nach Hause. „Als Erziehungsberechtigter des Landwirtschaftsministeriums dürfen Sie gerne nach vorne kommen“, lud Eppstein den Ministerpräsident in die Nähe seines Rednerpults ein. Dort bekam er den Brief überreicht – sehr zur Freude des amüsierten Publikums. „Wir hoffen, dass wir hiermit ein klares Signal für die landwirtschaftliche Branche setzen können. Und wir hoffen, dass Sie die politische Sommerpause nutzen, mal in Dich zu gehen und mit dem Ministerium zu sprechen“, lautete die Botschaft von Eppstein.

Ministerpräsident gratuliert zum 75-jährigen Jubiläum

Ebenso schlagfertig wie über Jahrzehnte auf der politischen Bühne reagierte Bouffier, für den der Bauerntag einer der letzten großen öffentlichen Auftritte vor seiner Verabschiedung aus der Politik war. Den Blauen Brief, versicherte er, nehme er natürlich sehr gerne mit. Zumal er sich in einer fabelhaften Lage befinde. Wer aus der Schule herausgehe, müsse ja schließlich nicht mehr versetzt werden. Bouffier gratulierte dem Hessischen Bauernverband schließlich zum 75. Geburtstag und betonte, dass der Verband auf das all in den vielen Jahren Geleistete stolz sein könne. Zuvor hatte der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Vogelsbergkreis, Volker Lein, noch die Bitte einer „gerechteren Verteilung von Geldern zwischen Land- und Stadtbevölkerung“ an Bouffier herangetragen und eine bessere monetäre Vergütung auf dem Land angeregt. Der Verband selbst wirke bei politischen Entscheidungen mit Augenmaß mit und versuche, soweit es geht, ideologische, populistische und auf nicht wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Vorgaben zu minimieren.