Hünfeld | Grüsselbacher fährt Europameisterschaften im Motocross

Mit 70 km/h über die Rennstrecke

Fragt man elfjährige Jungs nach ihren Berufswünschen, kommt meist Astronaut, Polizist oder Feuerwehr als Antwort. Bei Luca Frank aus Grüsselbach ist das anders: „Ich könnte mir gut vorstellen, Motocross-Profi zu werden.“
Das glaubt man gern, denn Luca ist außerordentlich erfolgreich in diesem Sport mit den schnellen Zweirädern. Bei der Europameisterschaft in Dänemark schaffte Luca in der Klasse 85 ccm den zweiten Platz im B-Finale. Für Luca und seine Familie ist das der Lohn für viel Mühe, Zeitaufwand und Disziplin. Denn welcher Fünftklässler muss sich an ein spezielles Ernährungsprogramm halten, das sein persönlicher Fitnesscoach vorgibt? Oder täglich rund 90 Minuten Fitness und Koordinationsfähigkeit trainieren, um die Maschine mit ihren 30 PS absolut im Griff zu haben? Das ist für Luca kein Problem, denn er brennt für seinen Sport.
Während in anderen Kinderzimmern elfjähriger Jungs noch Lego-Burgen oder Autorennbahnnen den Weg zum Hindernislauf machen, stehen bei Luca an deren Stelle ein Rudergerät und ein Fitnessfahrrad. Stolz führt er eine kleine Trainingseinheit am Rudergerät vor, dabei immer den Blick auf die Vitrine mit seinen zahlreichen Pokalen gerichtet. Und diese glänzenden Trophäen kommen nicht ohne viel Disziplin und Training dort hinein. Montags hat Luca frei, dienstags bis freitags ist Training angesagt, und am Wochenende stehen von März bis Oktober Rennen auf dem Programm.
Und für diese Rennen muss Luca mit Papa Martin mehrere hundert Kilometer Wegstrecke mit dem Wohnmobil auf sich nehmen. „In unserer Region gibt es kaum Rennstrecken. Es gibt nur Hartbodenstrecken in Nüsttal, in Meckbach, in Sontra und in Bad Salzungen. Um Sandstrecken trainieren zu können, müssen wir bis nach Grevenbroich fahren. Oder noch viel weiter“, erzählt der Grüsselbacher. In Belgien oder auch in Holland gebe es an jeder Ecke Rennstrecken. „Dort hat dieser Motorsport fast so eine Bedeutung wie bei uns der Fußball“, so Frank.
Das Motocross-Gen hat Luca offenbar von seinem Papa geerbt und bekam schon mit fünf Jahren sein erstes Motorrad. Bis zum 30. Lebensjahr ist Martin Frank noch selbst Rennen gefahren, nun ist er Coach, Co-Trainer, Motivator und Taxi für seinen ehrgeizigen Sohn. „Klar geht viel Zeit drauf. Aber ich verbringe diese Zeit ganz intensiv mit meinem Kind, und das finde ich sehr bereichernd“, sagt der Kfz-Meister, der eine eigene Werkstatt in Oberweisenborn betreibt und gleich die Wartung der Maschinen übernimmt.
Zwei Rennmaschinen und ein Trainingsmotorrad besitzt Luca, dazu kommen Rennanzug, Helm und natürlich auch der Sprit, der aktuell den Sport zu einem eher weniger preiswerten Hobby macht. „Es geht noch, aber wenn wir einige Sponsoren finden könnten, die Luca unterstützen, dann wäre das schon klasse“, findet Frank. Bisher hat Luca mit dem ADAC Hessen-Thürigen und Mefo-Sport-Racing zwei Unterstützer an seiner Seite.
Beim Motocrossrennen rast Luca teilweise mit einer Geschwindigkeit bis zu 70 km/h über die 1,6 bis zwei kilometerlange Strecke. Das klingt gefährlich, und das wäre es auch, wenn man sich einfach auf die Maschine setzt und losfährt. „Es kommt auf die richtige Fahrtechnik an, man muss vorausschauend fahren und immer die Körperspannung halten. Das ist jahrelanges Training, diese Abläufe müssen immer wieder trainiert werden“, erklärt Martin Frank, der mit Collin Dugmore und Tim Koch zwei Weltklasse-Trainer des ADAC an Lucas Seite weiß. „Das Schwierigste ist der Start“, fügt Luca hinzu. Wenn rund 40 Fahrer gleichzeitig darum kämpfen, möglichst weit vorne auf die Runde zu gehen, wird es eben ganz schön eng. Vor den Rennen geht er die Bahn erst mal ab, um sich besondere Herausforderungen und hohe Sprünge zu merken. Das Springen und Kurvenfahren findet er am besten, und gerade das erfordert eine gute körperliche Fitness.
Wenn Luca nicht trainiert oder auf der Motocrossmaschine sitzt, geht er in die Sport-Klasse 5aR der Hünfelder Jahnschule. Ab und zu wird er sogar vom Unterricht befreit, wenn es beispielsweise auf ein EM-Rennen nach Belgien geht und die Anreise schon freitags starten muss. Bis zum 14. Lebensjahr startet Luca, der einer der Jüngsten in seiner Rennklasse ist, noch in der 85 ccm-Klasse, danach wechselt er in die 125 ccm-Klasse.
Diesen Weg will Luca also auf jeden Fall noch weitergehen, um es irgendwann genauso weit zu bringen wie seine großen Motocross- Vorbilder Ken Roczen und Jeffrey Herlings, die mehrfach Meistertitel national und international erreicht haben. Doch das kann er nicht allein.„Das geht nur, wenn wir alle mitziehen. Es betrifft unser Familienleben unmittelbar. Das Training und die weiten Fahrten zu den Rennen. Aber wenn Luca sein Ziel erreichen will, helfen wir ihm natürlich“, bekräftigt Nicole Frank.