Region | „Von Menschen und Mäusen“: Burgmuseum eröffnet Saison mit besonderer Vernissage

Wenn’s Speedy Gonzales & Jerry an den Kragen geht

Eigentlich ist die gewöhnliche Hausmaus (Mus musculus) ja ein Kinder-Held und Sympathieträger – man denke hier nur mal an den seit 1971 im Ersten ausgestrahlten Klassiker „Die Sendung mit der Maus“, den triumphalen Ausruf „Arriba! Arriba! Ándale! Ándale!“ von Speedy Gonzales, der schnellsten Maus von Mexiko, oder die andere weltberühmte Zeichentrick-Serie Tom und Jerry mit wilden Verfolgungsjagden.

Von Mirko Luis

Doch bei genauerem Hinsehen ist die Beziehung von Mensch und Maus eine kulturgeschichtliche Hassliebe, die sich ganz simpel erklären lässt: Was uns schmeckt, das war schon immer auch für Mäuse ein Festmahl. Während Plüsch-Mäuse die Regale von Spielzeugläden und Souvenir-Shops zieren und die Maus hervorragend zur Haltung als agiles Haustier eignet, treiben die sich explosionsartig vermehrenden Vielfraße dem Menschen mitunter auch auffällige Zornesröte ins Gesicht. Schmeckte den diebischen Plagegeistern früher Speck – daher der berühmte Ausspruch „Mit Speck fängt man Mäuse!“ – ist es heute Nutella & Co.


Erschlagen, Ersäufen, Elektrisieren, Festkleben bis zum Existus

Nicht verwunderlich, dass sich der Mensch früher wie heute mit fiesen Methoden gegen den Nahrungskonkurrenten zur Wehr setzt. Dabei ist er sehr erfinderisch und fantasievoll (um nicht zu sagen bösartig), egal ob Erschlagen, Ersäufen, Elektrisieren, Festkleben bis zum Exitus oder dem Klassiker – einem kräftigen Schlag ins Genick. Natürlich gibt’s auch schonendere Methoden, bei denen man gefühlt nicht gleich das „FSK-ab-18“-Label an die Mausefalle anbringen muss.

Wenn der Nager zum Delinquent wird.

Einer, der sich mit der Mausefallen-Materie besonders gut auskennt, ist der 76-jährige ehemalige Studiendirektor Reinhardt Ewert aus Grünberg (Landkreis Gießen). Ihm haben wir eine wunderbare Wanderáusstellung im Burgmuseum Schlitz mit rund 180  Mausefallen zu verdanken, die bis zum 30. September dieses Jahres geöffnet ist. Auf die Idee, Mausefallen zu sammeln, kam der sympathische Grünberger über einen Artikel in der „Frankfurter Rundschau“. Darin wurde seinen eigenen Angaben zufolge über die Nerother „Musfallskrämer“ berichtet, die in der Vulkaneifel ein fester Begriff sind. Viele Familien, die seinerzeit in der Eifel mit der vorherrschenden Armut zu kämpfen hatten, fertigten in Heimarbeit aus Holz und Draht Mause- und Rattenfallen in allen Größen und Formen – und verdienten sich mit deren Verkauf ein Zubrot. Hausierer, die oft wochenlang durch Deutschland reisten, übernahmen den Vertrieb der Fallen.

Manche Exponate vor dem Sperrmüll gerettet


Manche Exponate rettete der Sammler aus dem Sperrmüll, einen Teil erstand er bei Ebay-Aktionen – sein leidenschaftliches Hobby veranlasste ihn aber auch zu konkreten Auslandsreisen. Informationstafeln zur Spezies Maus sowie authentische Werbeschilder für serienmäßige Mausefallen-Fabrikrikate vermitteln Spezialwissen, ohne dabei aufdringlich zu wirken.

 

Makaber, aber nie im Einsatz: Miniatur-Nachbau einer Guillotine


Die makaberste Falle – ein Miniatur-Nachbau einer Guillotine aus der Zeit der Französischen Revolution (1789 bis 1799) befand sich glücklicherweise nie im Einsatz und dramatisiert eher noch die ohnehin tödliche Beziehung zwischen Mensch und Maus. „Ein Freund hat mir dieses Exponat gebaut“, verriet Ewert. Vorwiegend sind es mechanische Fallen aus dem In- und Ausland, die die Aufmerksamkeit unweigerlich auf sich ziehen – Vielfalt, Raffinesse, aber auch die Hinterhältigkeit der Fallen ziehen die Besucher förmlich in den Bann und üben eine bizarre Faszination aus. Bis heute buchstäblich „todsicher“ ist die als Klassiker geltende flache Holzfalle mit Drahtbügel und Sprungfeder. Sobald der ahnungslose Nager nach dem Köder schnappt, wird er wider Erwarten zum todgeweihten Delinquent. Mit ihrem Gewicht auf dem kleinen beweglichen Holzbrettchen löst die ahnungslose Maus nämlich die Falle selbst aus – in atemberaubender Geschwindigkeit saust der metallene Bügel hienieden und bricht der Maus das Genick.

Heiko Siemon: „Ich bin mit Tom und Jerry aufgewachsen“

Für den neuen Bürgermeister von Schlitz, Heiko Siemon (CDU), war es eine sichtliche Freude, als eine seiner ersten Amtshandlungen die auf viel öffentliches Interesse stoßende Vernissage im Festsaal der Vorderburg eröffnen zu können. „Die Verbindung zwischen Mensch und Mäusen ist ja sehr – wie soll ich sagen – ‚kompliziert‘“, formulierte der 45-jährige Kommunalpolitiker verhalten-vorsichtig. Jeder von uns habe schon mal etwas mit Mäusen zu tun gehabt, sie vielleicht im Keller gesehen oder lebe mit ihnen in friedlicher Koexistenz zusammen. Gehe man allerdings ein paar Jahre in der Geschichte zurück, als es noch keine Kühlschränke gab, da habe so eine Maus und ihr Gefolge durchaus eine ganze Existenz bedrohen können. Er selbst sei mit der US-Fernsehserie „Tom und Jerry“ groß geworden – und da habe das Fangen der Maus ja die Hauptrolle gespielt. Umso mehr freue er sich, in der Ausstellung zu erkunden, wie kreativ der Mensch im Laufe der Jahrhunderte geworden ist.

Der Rathauschef sollte ebenso wenig enttäuscht werden wie seine Frau Farina und seine Tochter Luise, die ebenso neugierig auf die Ausstellung waren wie die Fraktionsvorsitzenden von FDP und Bunte Liste Schlitzerland, Daniel Braun und Dr. Jürgen Marxsen. Ebenso mit im Publikum: BLS-Fraktionskollege und Kulturausschuss-Mitglied Dr. Klaus Dieter Koch, vielen Fuldaern durch als langjähriger Lehrer ab der Rabanus-Maurus-Schule (Domgymnasium) bekannt.

Heiko Siemon bedankt sich bei Museumsteam für Vorbereitungen

Siemon versäumte es nicht, sich bei allen Mitarbeitenden des Schlitzer Burgmuseums für ihren unermüdlichen Einsatz im Vorfeld der Ausstellung zu bedanken und für die Ausstellungsvorbereitung ein ausdrückliches Lob auszusprechen. Das Burgmuseum sei sein Ort, an dem Geschichte bewusst zu uns zurückgeholt und wo Geschichte transparent gemacht werde, sagte Siemon. „Ich freue mich umso mehr, dass wir heute zusammenkommen konnten, um hier endlich mal wieder eine Ausstellung zu eröffnen.“



Warum bekommt eigentlich die zweite Maus den Käse?



Der von seiner Frau Kriemhild begleitete Mausefallen-Sammler Reinhardt Ewert beugte einer falschen Erwartungshaltung vor. Statt einer allzu wissenschaftlichen Darstellung habe er sich für eine launige, nicht immer ganz ernstzunehmende Vortragsweise entschieden. Von seinem detailreichen Exkurs in die Welt der Nager nahm der Rathauschef am Ende doch sichtlich verblüfft mit, dass zwischen dem Erbgut von Mensch und Maus besteht, wie Analysen des Mäuse-Chromosoms 16 zeigen, offenbar kaum ein Unterschied. Vom Nager trennen uns demnach nicht einmal drei Prozent der Gene … Einen über viel Wahrheitsgehalt enthaltenden Tipp, über den sich nachzudenken lohne, hatte der Mausefallen-Experte übrigens noch parat: „Die zweite Maus bekommt den Käse.“ Die Bedeutung dieser Redensart – da ist sich der Autor dieses Artikels sicher – kennen selbst schon die kleinsten Fans der „Sendung mit der Maus“.

Weitere Informationen

Burgmuseum Schlitz
An der Vorderburg 1
36110 Schlitz
Telefon: (06642) 40420
E-Mail: Burgmuseum@schlitz-hessen.de
Öffnungszeiten: Di bis So 14 bis 17 Uhr