Schlitz | Flammende Antrittsrede von Heiko Siemon bei Bürgermeister-Amtseinführung in Schlitz

„Segel setzen statt Mauern zu bauen“

Stehende Ovationen erntete der neugewählte Bürgermeister der Burgenstadt Schlitz, Heiko Siemon (CDU), für seine deutlichen Worte und Zukunftssignale in seiner Antrittsrede. „Ich stehe für eine offene, ehrliche und sachliche Kommunikation“, sagte der 45-jährige Kommunalpolitiker am Montagabend anlässlich seiner Amtseinführung im feierlich ausstaffierten Konzertsaal der Landesmusikakademie Schlitz vor rund 150 Anwesenden.

Von Mirko Luis

Unter den Gästen befand sich unter anderem der Landrat des Vogelsbergkreises, Manfred Görig, Bundestagsabgeordneter Michael Brand (CDU), Landtagsabgeordneter Michael Ruhl (CDU), eine Vielzahl von Bürgermeistern aus dem Vogelsbergkreis und dem Landkreis Fulda, kirchliche Vertreter, Vertreter aus den Vereinen und interessierte Bürgerinnen und Bürger auf der Zuschauertribüne. Dem Prozedere der Amtseinführung voraus ging eine turnusmäßige Stadtverordnetenversammlung, die unter anderem mit einer Schweigeminute der unschuldigen Kriegsopfer in der Ukraine gedachte und in einer von allen Fraktionen getragenen Resolution zur Wiederherstellung der europäische Friedensordnung aufforderte. Das Parlament beschloss zudem, die Sitzungsgelder für Projekte der Ukraine-Hilfe zu spenden.

„Sie alle sind uns lieb und teuer“ – Begrüßung der Ehrengäste

Nach dem kommunalpolitischen Pflichtprogramm des Abends leitete das Ensemble „Variation“ der Musikschule Schlitz unter Leitung von Susanne Behounek zum festlichen Zeremoniell der Amtseinführung über. „Man macht gewöhnlich viele Worte, wenn man nichts zu sagen hat“, zitierte Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Dickert danach zunächst Komödien-Legende Heinz Erhard und versprach, sich aus genau diesem Grund kurz zu fassen. Auf eine Aufzählung der Ehrengäste verzichtete er. „Sie sind uns alle lieb und teuer“, versicherte Dickert stattdessen. Dem neuen Bürgermeister wünschte er neben Inspirationen vor allem Mut und Weitsicht, aber auch Visionen und bei alledem „das notwendige Quäntchen Glück“. Gemeinsames Motto von Stadtverordnetenversammlung, Magistrat, Ortsbeiräten und Verwaltung müsse es sein, für eine erfolgreiche Zukunft der Stadt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, „geprägt von gegenseitigem Respekt und Achtung“, sagte Dickert.


Willy Kreuzers Schrauben-Tipp an den Ex-Ferienjobber

Bevor Heiko Siemon ans Mikrofon trat, ließ Erster Stadtrat Willy Kreuzer (CDU) das Ergebnis der Wahlen, die für Siemon ein „enormer Vertrauensbeweis seien“, Revue passieren. Kreuzer dankte allen Bewerbern für den fairen Wahlkampf und sprach dem aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Amt geschiedenen ehemaligen Bürgermeister Alexander Altstadt noch einmal einen gesonderten Dank aus. „Der Beruf des Bürgermeisters ist einer der interessantesten und vielseitigsten“, beschrieb er die Faszination dieser Tätigkeit. Gleichermaßen bedankte er sich bei der Verwaltung, die ihn die Vertretungszeit enorm erleichtert habe. Heiko Siemon die Ernennungsurkunde überreichen zu dürfen, sei ihm eine Ehre, so Kreuzer. Schließlich kenne er den neuen Bürgermeister seit dessen Kindergarten- und Schulzeiten. Wohl wegen des Ferienjobs, den Heiko Siemon bei ihm im Baumarkt gemacht habe, sei ihm bei der Vorbereitung seiner Rede die Vielgestaltigkeit der Schraube in den Sinn gekommen, die es in vielen Varianten gebe und die unterschiedliche Funktionen besäßen, um etwas zu befestigen oder zusammenzuführen. Kreuzer stellte bemerkenswerte Parallelen zur Politik her und gab Siemon einen fachmännischen Profitipp: „Manchmal ist es ratsam, dass man vorbohrt, wenn man eine größere Schraube eindrehen möchte. Wir haben in unserer Stadt einiges auf den Weg gebracht, da darfst Du noch einige Schrauben einbringen oder auch lösen.“ Von ihm werde er weiterhin jedwede Unterstützung bekommen.

90-jährige Oma verdammt stolz auf ihren Enkel

Nach Einführung, Verpflichtung und Vereidigung durch Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Dickert (CDU), der Aushändigung der Ernennungsurkunde durch Ersten Stadtrat Willy Kreuzer und dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Schlitz nutzte Siemon zunächst die Gelegenheit, um sich nochmals bei all denen zu bedanken, die ihn in den Tagen und Wochen vor seinem Wahlsieg am 13. Februar begleitet und unterstützt hatten. Mit 50,38 Prozent der abgegebenen Stimmen hatte sich der über hohe Wirtschaftskompetenz verfügende Politiker gleich im ersten Wahlgang unter vier Bewerbern durchgesetzt.

Nach 24 Jahren Sparkassenerfahrung und 16 Jahren ehrenamtlichen Engagement in den unterschiedlichsten Funktionen beginnt für den Vater dreier Kinder ein neuer Lebensabschnitt, den zu gehen ihn neben Willy Kreuzer vor allem seine Frau Farina Siemon ermutigt hat. „Auch für Euch ist heute ein ganz besonderer Abend“, sagte er an seine Familie gerichtet, die quasi mitgewählt worden sei. Seine Oma, die 90-jährige Margarete Siemon, bekam natürlich eine persönliche Begrüßung von ihrem Enkel geschenkt, auf den sie mächtig stolz ist. 

Mit direktem Blick ins Publikum sprach Heiko Siemon seinen Vorgänger, Alexander Altstadt (CDU), an, der vor fast drei Jahren an der selben Stelle wie er gestanden habe. „Alex, ich freue mich, dich heute hier begrüßen zu dürfen. Wir wünschen Dir alles Gute auf Deinem langen Weg der Genesung“, sagte Siemon. Und wurde gleich im Anschluss noch einmal emotional. Das, was Erster Stadtrat Willy Kreuzer geleistet habe, sei mit Worten gar nicht zu beschreiben, betonte er mit Blick auf die zweieinhalbjährige Vertretungszeit Kreuzers. „Wir werden noch an anderer Stelle diese außergewöhnliche Leistung würdigen“, kündigte Siemon an. Kreuzer habe mit seiner pragmatischen Art, Probleme anzugehen und zu lösen, an Ansehen im Schlitzerland gewonnen. „Danke für Deine Arbeit und Dein Engagement“, fügte Siemon hinzu. Von den zahlreichen motivierenden Gesprächen, die er mit Willy Kreuzer geführt habe, sei ihm ein Satz besonders im Gedächtnis geblieben. „Wenn ich 20 Jahre jünger wäre, würde ich mir da auch überlegen“, lautete der.

Flammende Rede des Wirtschaftsfachmanns

Währenddessen hielt Heiko Siemon eine flammende Rede, in der er die Großgemeinde in vielen Bereichen schon als sehr gut aufgestellt bezeichnete. Ihn beschleiche dennoch das Gefühl, so das Bekenntnis von Siemon, dass in der Gesellschaft im Allgemeinen, aber auch vor Ort Vieles zu oft schlecht geredet werde. Das sei ein wichtiger Punkt, den er sofort ändern wolle. Es gelte, die Außendarstellung der Burgenstadt zu verbessern und die Attraktivität der Stadt zu erhöhen. Kritik an der richtigen Stelle sei in Ordnung. „Aber vielleicht sollte man in Zukunft das Glas mehr als halb voll statt halb leer ansehen.“ Diese Erwartung habe er nicht nur an alle Bürgerinnen und Bürger, sondern auch an alle Kommunalpolitiker.

Nach diesen überaus Worten zeigte sich Siemon froh darüber, dass die Weichen für die Sanierung und den langfristigen Erhalt des Schwimmbades gestellt worden sind. Aber auch zum Thema Revitalisierung des ehemaligen Brauereigeländes sprach Siemon deutliche Worte. „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen setzen Segel. Lassen Sie uns sich bitte Segel setzen und dies als Initialzündung für die Belebung der Innenstadt sehen“, sagte er mit Blick auf den ersten Bauabschnitt, nach dem die sogenannte Kulturhalle an den Stadt gehen wird. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit der Entwicklung des Areals die richtige Entscheidung getroffen haben“, so Siemon. In diesem Zusammenhang biete er den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt das persönliche Gespräch an. „Gerade in diesem Projekt zeigt sich, wie wichtig eine richtige Kommunikation ist“, fügte er an. Er werde sicher gewisse Dinge anders machen als seine Vorgänger im Amt, auf eines könnten sich aber alle verlassen, nämlich seine Bereitschaft zum Dialog und zur Lösung von Problemen. Sämtliche Entscheidungen seinerseits würden sachorientiert und mit Überzeugung getroffen. Es sei schon eine ganze Menge erreicht worden, jetzt freue er sich auf seine neue Aufgabe, an der Zukunftsfähigkeit der Stadt zu arbeiten. Er gehe diese hochmotiviert und dynamisch an. „Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein offenes Ohr haben werde“, sagte er in Richtung der 130 Beschäftigten der Stadt Schlitz, deren Chef er ab 1. April ist. Auch wenn er viele Mitarbeitende schon kenne, werde er sich noch einmal persönlich vorstellen. „Ich weiß, was in den einzelnen Bereichen für wertvolle Arbeit geleistet wird.“

Landrat Manfred Görig: Als Bürgermeister darf man nicht dünnhäutig sein

Landrat Manfred Görig (SPD) wies Heiko Siemon auf die guten Grundlagen hin, die in Schlitz für eine zukunftsweisende Entwicklung gelegt worden seien. Neben der Landesmusikakademie, die nach wie vor einen Leuchtturmcharakter habe, würden seitens des Staates 20 Millionen Euro in eine Gesamtschule investiert, deren Ausstattung top und die fit fürs das Digitalzeitalter sei. In diesem Zusammenhang stimmte er mit vielen anderen Rednern des Abends überein, dass es aller Ehren wert ist, was Willy Kreuzer geleistet hat. Der habe „völlig ohne Allüren und mit Herzblut für die Stadt“ gekämpft, die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt sei hervorragend gewesen, so Görig. Als Bürgermeister dürfe man nicht dünnhäutig sein, gab Görig Siemon mit den Weg. „Denn wenn man in der ersten Reihe steht, ist der Wind schärfer als in der zweiten Reihe.“


Willy Kreuzer: Glücksfall und Segen für die Stadt

Bundestagsabgeordneter Michael Brand (CDU)  stellte bei der Amtseinführung auch die Leistungen von Willy Kreuzer heraus: „Was Du getan hast für Schlitz, das ist unfassbar, Du bist ein Segen und ein Glücksfall für die Stadt.“ Auf die Zusammenarbeit mit Heiko Siemon freut sich Brand übrigens genau wie dies die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden des Hohen Hauses in Schlitz von SPD, Bunte Liste Schlitzerland (BLS) und FDP tun.


„Freut Euch auf Heiko“




Heiko Stolz (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Neuhof, übermittelte ein Grußwort im Namen der Bürgermeister der Kreisversammlung im Landkreis Fulda. „Freut Euch auf Heiko“, sagte der frühere Sparkassenbetriebswirt in Richtung der städtischen Angestellten. So bringe Heiko Siemon neben einer hohen Führungskompetenz, menschliches Einfühlungsvermögen, einen tollen Führungsstil sowie eine hohe Methodenkompetenz mit.



Bau-Sicherheitsstiefel für Außeneinsätze



Mit Blick auf die kommenden Außentermine des neuen Bürgermeisters hatte sich Gerald Gottwald (CDU), Sprecher der Ortsbeiräte, ein besonderes und noch dazu originelles Geschenk überlegt. Er überreichte dem neuen Rathauschef gelbe Bau-Sicherheitsstiefel – in der Hoffnung, dass diese recht häufig zum Einsatz kommen.

Pfarrer Siegfried Schmitt wünscht Heiko Siemon langen Atem


Im Grußwort der Evangelischen Christusgemeinde Schlitzerland wünschte Pfarrer Siegfried Schmidt dem neuen Bürgermeister einen langen Atem und Mut bei der Beantwortung einer Kardinalfrage, die sich aus den Worten über dem Trauzimmer der Stadt „Suchet der Stadt Bestes“ ableiten ließe. Was nämlich am Ende das Beste der Stadt sein könnte, das sei keine so ganz leichte Aufgabe. Da ergebnisoffen, gehe es bei der Beantwortung dieser Frage um den Prozess des gegenseitiges Zuhörens. Kirche und Stadt hätten genau das getan und mit gemeinschaftlichem Handeln eine erfolgreiche Partnerschaft gepflegt. Das Zitat im Rathaus gehe noch weiter und laute: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn ́s ihr wohlgeht, so geht ́s auch euch wohl.“ Jeremia 29,7 (Luther)



„Wir sind Musik- und Kulturstadt“

Gute Ideen und Gestaltungskraft wünschte Hausherr Lothar R. Behounek hauptamtlicher Geschäftsführer der Landesmusikakademie Schlitz, dem neuen Lenker an der Spitze der Stadt Schlitz und dessen Team. Ansätze gebe es viele. Zumindest einen davon nannte Behounek. „Wir sind Musik- und Kulturstadt“, sagte er. Behounek hoffe, dass der Bürgermeister das Geschenk – freien Eintritt für ihn und seine Familie in die Konzerte der Landesmusikakademie – rege nutzen wird.

Grüße von István Tóth aus Ungarn

Bevor es in den Hallen der Musikakademie zum Get-together mit inspirierenden Gesprächen der Gäste überging, übermittelte Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Dickert dem neuen Chef der Verwaltung noch die besten Grüße von István Tóth, Bürgermeister der ungarischen Partnerstadt Bogyiszló, und übergab das zum Schreiben gehörende Geschenk der für ihre Paprika berühmten Gemeinde.

Siegfried Klee (SPD), Bürgermeister der Stadt Schlitz von 1970 bis 1994, bedauerte, an diesem so wichtigen Tag nicht persönlich anwesend sein zu können. Umso intensiver werde er die Berichterstattung verfolgen, schrieb das ehemalige Stadtoberhaupt, das sich aufgrund einer schweren Krebserkrankung in palliativer Obhut befindet und im Rheinhau lebt.