Künzell | Künzell feiert vom 1. bis 3. April 50. Geburtstag der Großgemeinde

Bürgerfest, Festkommers, Enthüllung des Gutshof-Modells

KÜNZELL. Bürgerfest mit Bauernmarkt, Festkommers, Einweihung von geschichtsträchtigen Denkmalen: Vom 1. bis 3. April feiert die Gemeinde Künzell das 50-jährige Bestehen der Großgemeinde Künzell.

Von Mirko Luis

Die Gebietsreform in Hessen, die von 1970 bis 1972 vor Ort diskutiert wurde, fand vor 50 Jahren am 1. April 1972 ihren Abschluss. An diesem Tag wurden in Künzell die letzten selbstständigen Ortsteile Dirlos, Engelhelms und Pilgerzell eingegliedert. Bereits Ende 1971 wurde der Eingliederung von Keulos, Wissels, Dassen und Dietershausen zugestimmt. Die formale Gründung der Großgemeinde Künzell wurde somit im April vor 50 Jahren abgeschlossen.

Podiumsdiskussion beim Festkommers

Am 1. April wird von 9 bis 17 Uhr großes Bürgerfest mit Bauernmarkt auf dem Platz „Neue Mitte“ gefeiert. Am 2. April folgt Festkommers mit Podiumsgespräch im Gemeindezentrum. Der beginnt um 18.30 Uhr und wird auf dem Portal www.50jahrekuenzell.de live gestreamt. Somit werden interessierte Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit den zur Präsenzveranstaltung geladenen 280 prominenten Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung auf eine emotionale Zeitreise mitgenommen. In jedem Fall mit dabei: die noch beiden lebenden Bürgermeister a.D. Peter Meinecke und Herrmann Brück. Der Künzeller Grezzbachpark wird am Sonntag, 3. April, um 14 Uhr, um einige Sehenswürdigkeiten reicher. Zum einen wird ein Bronzemodell des alten Gutshofes am ursprünglichen Standort, am alten Ortsmittelpunkt, neben der Teichanlage feierlich enthüllt. Direkt am 3D-Modell, das zum Entdecken, Fühlen und Erkunden einlädt, beginnt außerdem der neue „Mönch-Chindolf-Weg“. Diese Initiative wurde nach Angaben der Gemeindeverwaltung vom Heimatverein Künzell in die Wege geleitet und erinnert an Mönch Chindolf, der im 9. Jahrhundert eine „Celle“ am Grezzbachquell gründete. Nach ihm wurde dieses Gebiet Chindecella oder Kindecella benannt. Eine Schautafel wird zukünftig den Zusammenhang zwischen dem Mönch und dem Namen Künzell erklären.

Ein schönes Foto-Objekt wird zudem eine lebensgroße Figur des Mönches, die den gleichnamigen Weg zieren wird. Ausführliche Informationen zum Festwochenende gibt es auf der Jubiläumsseite unter https://www.50jahrekuenzell.de/

Bürgermeister Timo Zentgraf blickt zurück

Dass die Zeiten sehr bewegt waren erfahren wir beim Gespräch mit Bürgermeister Timo Zentgraf im Rathaus. „Als sich Dietershausen für Dipperz entschieden hatte, kam auf einmal Kohlgrund und sagte: „Stopp, stopp, stopp, bevor wir zu Dipperz gehören, wollen wir auch zu Künzell. Das wurde dann aber abgelehnt. Dagegen hatte Wissels schon für Fulda unterschrieben, landete aber am Ende bei uns“, schildert Künzells amtierender Rathauschef Timo Zentgraf (parteilos) einen kleinen Ausschnitt aus dem Tohuwabohu der Gebietsreform. Der 1970 geborene Kommunalpolitiker stellte bei seinen Recherchen für seine Kommersabend-Präsentation fest, dass aus Tausenden Fotos die besten Motive auszuwählen ein Kunststück ist und 37 Ordner von Dieter Wagner und zig Ordner aus dem Gemeindearchiv zu wälzen Zeit kostet, die man eigentlich gar nicht hat. Was dem neugierigen Kommunalpolitiker bei der Einordnung und der Verifizierung von Namen auf den Bildern hilft: Er hat quasi sein ganzes Leben im Gemeindegebiet gelebt und war der Mann, der – bevor er Bürgermeister wurde – den Diavortrag für den Heimatverein ausgearbeitet hat. Das hat offenbar das Gespür für das Besondere geformt. Es sind die Dinge, über die man trefflich schmunzeln oder weinen kann, je nach Perspektive des Betrachters.

Zeitungsente mit postwendendem Dementi

„Schon damals waren manche Zeitungsartikel nicht ganz korrekt“, sagt Zentgraf in Richtung Reporter. Und wirft zum Beweis eine Schlagzeile an die Wand, die wohlgemerkt nicht aus der Fuldaer Zeitung stammt. „Einwohnerzahl kann auf 28.000 ansteigen“, titelte seinerzeit die Fuldaer Volkszeitung mit Verweis auf den genehmigten Flächennutzungsplan für den Gutshof Kirchhoff. Das Dementi mit der Überschrift „Nur 18.000 Einwohner“ erschien am nächsten Tag. Mit Blick auf die 8.000 Einwohner, die heute in Künzell-Bachrain leben, verweist Zentgraf auf den Fakt, „dass wir noch lange nicht dort sind, was für den Kernbereich mal geplant war“. Aktuell leben in den acht Ortsteilen rund 17.000 Einwohner. Mit 1.200 im Gemeindegebiet ansässigen Firmen und Unternehmen hat die Gemeinde ein extrem stabiles wirtschaftliches Rückgrat.

Osthessens dynamischste Gemeinde

Fakt ist laut Zentgraf, dass Künzell-Bachrain in Osthessen sowohl in den 60-er als auch in den 70-er und 80-er Jahren die dynamischste Gemeinde war. Die Einwohnerzahl stieg von gerade mal zweieinhalbtausend im Jahr 1959 innerhalb weniger Jahre auf 6.000 an. Bevor es den Aschenberg gab, waren Zentgraf zufolge Hochhäuser in Dirlos geplant, der damalige Ortsbürgermeister hätte am liebsten in der Waldsiedlung eine aus Stausee, Campingplatz und Fluglandeplatz bestehende Kombi gehabt. „In dieser aufstrebenden Zeit gab’s viel weniger Vorgaben für Ausschreibungen. Es wurde viel schneller gebaut, war mit einfachem Standard, aber dafür ging’s richtig schnell vorwärts. Fragen, wo Energie gespart werden kann oder wie gelüftet wird, spielten eine untergeordnete Rolle. Einfach phänomenal, wie damals mit Architektur umgegangen wurde“, sagt Zentgraf – fast schon ein bisschen neidisch. Müssen doch die Gemeindevertreter aktuell eher den Fokus auf den Erhalt der Infrastruktur legen und diese auf den aktuellen Stand bringen. „Wir könnten da sicher wieder mehr Dynamik reinbringen durch die Entwicklung neuer Baugebiete. Solange wir die Flächen hierfür nicht bekommen, werden wir in der Dynamik gebremst“, gibt sich Zentgraf keinen Illusionen hin. „Die brachliegenden Flächen in den Innenbereichen würden wir gerne einer sinnvollen Bebauung zuführen, weil die Nachfrage da ist und die Notwendigkeit besteht, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, was immer schwieriger wird“, nennt Zentgraf eine der größten Herausforderungen der Gegenwart.

Bewegungspark soll erweitert werden

Beim Blick aus dem Rathaus-Fenster in Richtung Grezzbachpark lächelt Zentgraf mit den Augen. „Wenn man weiß, wie gut er angenommen wird, geht mir als Bürgermeister das Herz auf“, nennt er den Grund für seine gute Laune. Der Bewegungspark soll in diesem Jahr mit Fitnessgeräten für Senioren erweitert, alte Spielgeräte gegen neue getauscht werden. „Und irgendwann feiern wir dann hoffentlich auch mal die wegen Corona immer wieder verschobene Einweihung.“ Schon seine Amtsvorgänger hätten das Potenzial der grünen Oase geschätzt. Und gerne Geld investiert. So sei die 1974 installierte Rutsche eine Sensation gewesen, „die vielleicht beste, die es jemals gab.“ Später wurde sie – aus Sicherheitsaspekten – zurückgebaut und durch die Verbreiterung das Tempo beim Rutschen gemindert.