Fulda | Krieg in der Ukraine trifft osthessische Wirtschaft direkt

Russland-Ampel auf Rot

Der Überfall Russlands auf die Ukraine und das anschließende Blutvergießen in der unschuldigen Zivilbevölkerung hat nach Marktkorb-Recherchen zum Teil erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen in Osthessen.

Von Mirko Luis
und Tobias Farnung

Zum einen stellen stark gestiegene Energiepreise eine enorme Belastung dar – zum anderen ist auch das Russland-Geschäft direkt betroffen. Wir haben uns in der Region umgehört.

Wasserpark-Projekt in Bukovel (West-Ukraine) und Rodelbahn-Projekt in Russland auf Eis gelegt
Direkt betroffen von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges ist das in Rasdorf beheimatete Unternehmen Josef Wiegand. Die Errichtung eines Wasserparks, der ab Juni in der Nähe von Lwiw (Lemberg) beginnen sollte, wurde storniert. Die bereits getätigte Anzahlung geht zurück. Insgesamt sechs Wasserrutschen sah der Park vor. Für den Geschäftsführer des Unternehmens, Hendrik Wiegand, nicht die einzige Hiobsbotschaft, denn auch die Ausführung eines Alpine-Coasters (Länge 1400 Meter) in Russland wurde angesichts der politischen Lage eingefroren. Gegenüber den Problemen der Ukraine, die gerade in Schutt und Asche gelegt werde, seien die Probleme, über die er sich Gedanken machen müsse, klein, betont Wiegand. „Noch im Januar dieses Jahres waren wir im Kiew – unfassbar, was mit dieser Stadt gerade passiert“, zeigte Wiegand im Marktkorb-Gespräch persönliche Betroffenheit. Beziehe man die nach wie vor durch Corona geprägte schwierige Lage in Europa im Freizeitbereich und ein weiteres in Rumänien auf Eis gelegtes Projekt ein, „merken wir das in finanzieller Hinsicht schon“, so Wiegand. Lichtblick sei das nach wie vor gut laufende Geschäft in den USA und China. Rund um die Welt realisiert das osthessische Unternehmen 20 große Projekte im Jahr.

Heurich streicht Wodka-Sorten aus dem Sortiment:
Das Petersberger Unternehmen Heurich streicht als Betreiber der Logo-Getränkefachmärkte die Wodka-Marken Russian Standard, Moskovskaya sowie Parliament Vodka aus dem Sortiment. Die Produkte werden bis auf weiteres nicht mehr angeboten. Stattdessen hat die Firma Heurich aber über die Fachmärkte eine Spendenaktion für die Menschen in der Ukraine ins Leben gerufen. Durch den Verzicht auf Rückerstattung des Pfandgeldes oder Aufrunden des zu zahlenden Betrags können Kunden den Kriegsopfern helfen. „Jeder Euro hilft”, sagt Firmenchef Matthias Heurich.Das gesammelte Geld kommt anschließend über den FuldaerLions-Club Flüchtlingen aus der Ukraine zugute.

Segelflugzeugbauer aus der Rhön nicht betroffen, aber dennoch „besorgt“:
Glücklicherweise keinen Verkaufseinbruch erlebt das in Poppenhausen ansässige Segelflugzeugwerk Alexander Schleicher GmbH. Geschäftsführer Ulrich Kremer zufolge ist die Zahl der Flugzeuge, die der in Frankreich lebende Firmen-Repräsentant für Russland an seine russischen Landsleute verkauft habe, überschaubar. Diese seien auch nicht nach Russland geliefert worden, sondern in Frankreich geblieben, wo sie auch betrieben werden. „Aktuell liegt auch keine Bestellung eines russischen Kunden vor“, so Kremer. „Sorgen macht uns der Krieg natürlich allgemein und auch im Bezug auf die rasant steigenden Energiekosten. Inwiefern auch Materiallieferungen davon betroffen sein könnten, ist für uns derzeit noch gar nicht abzusehen“, führte er per Mail auf unsere schriftliche Anfrage aus.

JUMO zieht Reißleine zu Russland:
„Wie jedes andere Unternehmen auch, spürt JUMO zunehmend die Auswirkungen des Krieges. Derzeit sehen wir aus organisatorischer und logistischer Sicht keine Möglichkeit, die unternehmerischen Aktivitäten in der Region aufrecht zu erhalten. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, die Bearbeitung von Anfragen, Angeboten, Bestellungen und Lieferungen von Waren, Dienstleistungen und Technologie nach Russland und Weißrussland bis auf Weiteres auszusetzen“, sagte Dimitrios Charisiadis, Geschäftsführer der JUMO-Unternehmensgruppe. Am Standort Russland seien aktuell rund 50 Mitarbeitende beschäftigt. Auf die Frage, ob der Standort in Russland durch eine drohende Verstaatlichung in Gefahr sei, begegnete Charisiadis mit der Antwort, dass dies „im rein spekulativen Bereich liegt“. „Wir sind emotional betroffen und erschüttert über diesen Krieg, betonte der JUMO-Lenker. Da man aber auf ein weltweites Netz aus 25 Tochtergesellschaften und mehr als 50 Niederlassungen setzen könne, gehe man aktuell „von keinen dramatischen Folgen für den Gesamtumsatz aus“.

Reisewelt bucht hunderte Kreuzfahrtkunden um:
Auch der Reiseveranstalter Reisewelt aus Neuhof bekommt die Folgen des Kriegs zu spüren. „Vor allem im Kreuzfahrtgeschäft sind wir mit dem Thema konfrontiert”, sagt Reisewelt-Gründer Joachim Teiser. So musste das Unternehmen rund 200 Gäste, deren Kreuzfahrt den Hafen von St. Petersburg angesteuert hätten, auf andere Schiffe umbuchen. Das Gute:„Es hat niemand storniert, alle Gäste haben sich darüber gefreut, dass wir sie auf andere Routen umbuchen konnten”, sagt Teiser. Das Team aus Neuhof habe bereits ab dem erstenTag des Einmarschs der russischenArmee in der Ukraine alle betroffenen Kunden kontaktiert.

„Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt allen Menschen, die unter dieser Aggression zu leiden haben.“
Dimitrios Charisiadis, JUMO-Geschäftsführer