Bad Salzschlirf | Weiterer Millionenkredit zum Abbau des Sanierungsstaus

Kurort in finanzieller Bredouille

Kinderbetreuung, Stadtentwicklung, Klimaschutz: Der hohe Sanierungsstau der Gemeinde Bad Salzschlirf soll in diesem Jahr weiter abgebaut werden. Allerdings werde man um eine neuerliche Kreditaufnahme nicht herumkommen. 1,5 Millionen Euro seien hierfür im Planansatz veranschlagt, informierte am Mittwochabend Bürgermeister Matthias Kübel (CDU) bei der Einbringung des Gemeindehaushaltes 2022 im Kulturkessel.

Von Mirko Luis

Der erstmals die Marke von 8 Millionen Euro knackende Haushalt wird in den nächsten Tagen und Wochen Gegenstand von intensiven Beratungen in den Fraktionen und Fachausschüssen sein. Er sieht neben dem Beginn der Freibadsanierung – hierfür stehen nach Angaben des Bürgermeisters im ersten Step zunächst 700.000 Euro zur Verfügung – zahlreiche Einzelmaßnahmen vor. Kübel zufolge verfestigt sich die Notwendigkeit einer dritten Gruppe in der Kita Kurparkpiraten. Für den weiteren Umbau des Gebäudes und zusätzliche Erzieherstellen würden weitere Finanzmittel benötigt. Auf der Agenda stehe außerdem die Gestaltung der Außenanlagen der Kita „Kurparkpiraten“.

Der Rathauschef sprach mit Blick auf die weitere Erhöhung des Verschuldungsgrades von einer „besorgniserregenden Entwicklung“. Die Generationengerechtigkeit zu wahren, aber die Gemeinde zeitgleich zukunftsfest zu machen, sei eigentlich eine unmögliche Aufgabe, da hier divergierende Interessen vorlägen, verdeutlichte Kübel. Eine weitere Erhöhung der Netto-Neuverschuldung könne jedoch nur verhindert werden, „wenn wir Arbeiten am Tiefbrunnen oder Kindergarten aufschieben“. Der gemeinsam mit dem Gemeindevorstand aufgestellte Entwurf sei ihm persönlich nicht leichtgefallen. „Es ist eine ziemlich harte und nicht leichte Abwägung zwischen dem Nötigen und dem Möglichen.“ Kübel zufolge ergebe sich rein rechnerisch zwar ein Überschuss von 434.000 Euro, doch hiermit müssten im Wesentlichen Fehlbeträge vorangegangener Jahre ausgeglichen werden. Steil nach oben gehe es zudem mit den Umlagepflichten – allein für Kreis- und Schulumlage müsse die Gemeinde 2,1 Millionen Euro stemmen. Weitere Steuererhöhungen werde es aller Voraussicht nach dennoch nicht geben, hieß es.

Sah es eingangs der knapp dreistündigen Sitzung bei den Fraktionen CDU, SPD und Freie Wähler Lister (FWL) noch nach einem harmonischen Abend aus, herrschte bei zwei Einzelanträgen der FWL-Fraktion binnen weniger Minuten frostiges Klima. Doch der Reihe nach: Zunächst einmal gab es ein einstimmiges Votum und somit das endgültige „Go“ für das Projekt „Kurparkbeleuchtung“. Die geplanten neuen Leuchten ähneln in der Optik ihren historischen Vorgängern – bevor es in die Ausschreibungsphase geht, sollen mit dem Landesamt für Denkmalpflege noch letzte offene Fragen und Details geklärt werden. Ein Teil der Bestandsleuchten soll restauriert werden. Mit 31 neuen Leuchten gebe es keine nennenswerte Ausweitung. „Zudem wird der Park der Generationen unbeleuchtet bleiben“, stellte Kübel klar. Im weiteren Verlauf der Sitzung folgten die Gemeindevertreter der Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses und vergaben den Auftrag für den Bau des Regenüberlaufbauwerks in der Fuldaer Straße, Ecke Lüderberg bis zur Riedstraße an die Lohfink Baugesellschaft aus Eiterfeld. Sie hatte mit 853.000 Euro das günstigste Angebot abgegeben.

Mehr als verwundert zeigte sich die CDU-Fraktion über einen Antrag, den FWL-Fraktionsvorsitzender Dr. David Post vor dem Hintergrund von millionenschweren Investitionen zum Ausbau der Vogelsbergbahn einbrachte. Diese, so die FWL zunächst in der Begründung des Antrages, wären im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen und hätten unter anderem eine Verdichtung im Halbstundentakt und einen teilweise zweigleisigen Ausbau zum Ziel. „Allerdings geht der Planungsbereich von Lauterbach bis Gießen – Fulda hat auf der anderen Seite über den Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) eine Machbarkeitsstudie zur City-Bahn in der Entwicklung, laut Pressesprecher gegebenenfalls sogar bis Großenlüder“, hieß es weiter in dem Antrag. Bad Salzschlirf, so die FWL-Sorge, könnte zukünftig im schlechtesten Fall „wie so eine Museumsbahn“ genau dazwischen liegen bleiben. „Wir müssen viel mehr am Mobilitätsnetz der Zukunft arbeiten“, forderte Post. Dazu gehörten unter anderem eine S-Bahn-artige Anbindung mit dem Raum Fulda, eine bessere Taktanbindung an das Fernverkehrssystem, weitere barrierefreie Haltestellen wie Freizeitzentrum/Gewerbegebiet Eichenau und Technologiepark West sowie eine standardisierte Fahrradmitnahme. „Bad Salzschlirf saß nirgendwo mit am Verhandlungstisch“, so Kübel, „gleichwohl sind wir an diesem Thema durchaus intensiv dran.“

Manko des Antrags sei, dass Dr. David Post den Diskurs auf der großen Ebene der Verkehrswende führe, aber nicht sage, welch konkreten Schritte erforderlich wären. CDU-Fraktionschef Alexander Kluge wurde noch deutlicher. Er warf Post vor, Horrorszenarien an die Wand zu malen – weitab von der Realität. „Sie tun ja hier gerade so, als würde hier nur einmal am Tag der Zug halten“, so Kluge etwas überspitzt in Richtung von Dr. David Post. Zu Hauptverkehrszeiten würden sehr wohl heute schon Züge im Halbstundentakt fahren, ein Fraktionskollege nutze das regelmäßig, wies er den Einbringer des umstrittenen Antrages auf die Faktenlage hin. Seinen Argumenten vorausgeschickt hatte er, „dass die Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) selbstverständlich auch auf der Agenda der CDU steht“. Jedoch könne man sich selbst im Falle einer hohen Förderung von Streckenelektrifizierungen die von Gemeinden geforderten Eigenanteile derzeit schlichtweg nicht leisten. Dr. Kartz-Bogislav Baller (CDU) hätte weniger, aber dafür realistischere Forderungen besser gefunden. Ute Passarge (FWL) warf den Christdemokraten unterdessen Polemik vor, wofür sie prompt einen treffsicheren Konter von Alexander Kluge bekam. „Rede und Gegenrede, das ist Demokratie“, hatte der mit Nachdruck betont. Schlussendlich scheiterte der FWL-Antrag bei sechs Ja-Stimmen und sieben Gegenstimmen.

Nur wenig später gab es eine weitere Schlappe für die FWL-Fraktion. Bei ihrem aus vier Punkten bestehenden Antrag, eine „Anpassungsstrategie“ für klimatische Veränderungen und Extremwetterereignisse vorzubereiten, als ersten Schritt einen Förderantrag zur Erstellung einer Starkregen-Gefahrenkarte beim Land Hessen zu stellen und die daraus resultierenden Schutzmaßnahmen zu prüfen, war die Fraktion nicht ganz up to date. So seien für den 2022-er Haushalt bereits Mittel für eine Starkregenrisikoanalyse eingeplant, informierte Matthias Kübel. Zudem arbeite man auch an der Umsetzung der anderen genannten Punkte. CDU-Fraktionschef Alexander  Kluge störte sich bei „Punkt d“ im Antrag an der Bezeichnung „Extremwetterereignisse“ – per Änderungsantrag wollte er es durch “Katastrophenereignisse“ ersetzt wissen. Die CDU boxte den eigenen Vorschlag trotz Widerrede der FWL durch – beim 7:6 Abstimmungsergebnis über den Gesamtantrag war für anwesende Bürger im Saal nicht ganz nachvollziehbar, dass die FWL nicht nur gegen den Wortersatz der CDU, sondern gegen den eigenen Ursprungsantrag stimmte.