Fulda | Literaturpreis Fulda 2022 geht an Edgar Selge / Erstlingswerk „Hast du uns endlich gefunden“  

Zwischen Gefängnismauer und klassischer Musik

Edgar Selge erhält den Literaturpreis Fulda 2022. Der Autor und renommierte Schauspieler hat im Oktober seinen ersten Roman „Hast du uns endlich gefunden“ (Rowohlt) veröffentlicht. Sein Erstlingswerk befand die Jury als das literarisch bedeutendste Romandebüt der Saison Herbst 2021/Frühjahr 2022. Diese Würdigung ist mit einem Preisgeld von 10.000 Euro verbunden. Die Verleihung soll dann im späten Frühjahr stattfinden.

Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld informierte den in München lebenden Preisträger telefonisch. „Edgar Selge freut sich sehr, dass ihm die Jury den Literaturpreis Fulda 2022 zuerkannt hat und die Auszeichnung den literarischen Wert seines Buches würdigt, an dem der Autor fünf Jahre lang gearbeitet hat“, sagte das Stadtoberhaupt.

In der Begründung der Jury heißt es: „Edgar Selges literarisches Debüt ist das scharf gestellte Porträt der deutschen Nachkriegszeit, gesehen mit den Augen eines Heranwachsenden. Erfahrungen familiärer Gewalt, Versuche, nationalsozialistische Prägung abzustreifen, und die Sehnsucht nach einem kultivierten Leben verbindet Edgar Selge in einem verblüffenden Tonfall mit der berührenden Erzählung von tragischen Verlusten. ,Hast du uns endlich gefunden‘ ist ein Buch voller Erkenntnisse, getragen von Lebenserfahrung und der Bereitschaft des gereiften Erzählers, sich mit den Traumata seines Aufwachsens zu versöhnen.“

Die Jury

Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten rund 40 Romane ins Rennen geschickt. Im Anschluss an die Lektüre traf die Jury eine erste Auswahl, die dann auf eine Shortlist mit sieben Titeln verdichtet wurde. Daraus ermittelte die Jury den Preisträger. Die Jury setzt sich zusammen aus Literaturkritiker Christoph Schröder, Schriftstellerin Zsuzsa Bánk, Essayistin und Literaturkritikerin Dr. Hanna Engelmeier, Schriftsteller Jan Brandt sowie Autor Timon Karl Kaleyta. Letzterer erhielt 2021 für „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ den Literaturpreis Fulda. Organisiert wurde der Wettbewerb im Auftrag der Stadt von Silke Hartmann von der Agentur „Kulturperle – Kommunikation und Kulturmanagement“.

Die Handlung

„Hast du uns endlich gefunden“ handelt von einem Zwölfjährigen und seiner Geschichte zwischen Gefängnismauer und klassischer Musik. Der Roman erzählt von einer Kindheit um 1960. Im bürgerlichen Haushalt des jungen Protagonisten wird viel musiziert. Sein Vater ist Gefängnisdirektor. Der Krieg ist noch nicht lange vorbei. Dementsprechend versuchen die Eltern, durch Hingabe an klassische Musik und Literatur nachzuholen, was sie ihre verlorenen Jahre nennen. Überall spürt der Junge Risse in jener geordneten Welt. Gebannt verfolgt er die politischen Auseinandersetzungen, die seine älteren Brüder mit den Eltern am Esstisch führen. Aber er bleibt nur Zuschauer. Immer öfter flüchtet er sich in die Welt der Fantasie.

Der Autor

Edgar Selge ist einer der bedeutendsten Charakterdarsteller im deutschsprachigen Raum. 1948 geboren, wuchs er im ostwestfälischen Herford als Sohn eines Gefängnisdirektors auf. Zunächst studierte er klassisches Klavier in Wien sowie Philosophie und Germanistik in München und Dublin. Seine Schauspielausbildung schloss er 1975 an der Otto Falckenberg Schule in München ab. Ab 1978 gehörte er bis 1991 zum festen Ensemble der Münchner Kammerspiele, an denen er auch in den Folgejahren weiterhin gastierte. Neben seiner Bühnenarbeit wirkte Edgar Selge in mehr als 70 Film- und Fernsehproduktionen mit. Während dieser Zeit erhielt er für seine schauspielerische Leistung bedeutende Auszeichnungen. Zusammen mit seiner Ehefrau, Schauspielerin Franziska Walser, hat er zwei Kinder.