Region | Hessischer Städtetag fordert mehr Unterstützung für Kommunen bei anstehenden Herausforderungen

Agieren statt reagieren lautet die Devise

Die Themen der heutigen Pressekonferenz des Hessischen Städtetages ließen schon in der Einladung vermuten, dass es hierbei vor allem darum gehen wird, die Ärmel hochzukrempeln und zu agieren, anstatt zu reagieren. Denn auf der Agenda standen unter anderem die Finanzierung der Krankenhäuser,  die fortschreitende Verödung der Innenstädte und die Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Doch zunächst ging der Präsident des Hessischen Städtetages, der Fuldaer Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld darauf ein, wie die Kommunen die Corona-Pandemie bisher in den Griff bekommen haben. Und das sehe soweit ganz gut aus: „Die Anzahl der Impfangebote hat sich drastisch erhöht. Es ist aber ein Kraftakt, wenn man gute Impfangebote möglich machen will“, so Wingenfeld. Die Überlastungssituation in den Kliniken sei glücklicherweise nicht eingetreten, das Personal dort sei zwar stark gefordert, allerdings sei es nicht zu ganz dramatischen Situationen gekommen. „Die Omikronwelle bildet sich bisher noch nicht spürbar in den Krankenhäusern ab, allerdings müssen wir als Verantwortliche gerade im Bezug auf die kritische Infrastruktur vorbereitet sein“, betonte der Präsident. Hierbei sei auch eine Anpassung der Quarantänezeit der richtige Weg, um für Flexibilität zu sorgen und beispielsweise bei der Feuerwehr oder in Krankenhäusern die Einsatzsicherheit zu gewährleisten.

In Punkto Krankenhäusern machte Wingenfeld deutlich, dass vor allem die kommunal getragenen Häuser als Maximalversorger mit ihrer großen Bandbreite von Versorgungsangeboten strukturell unterfinanziert sind und dringend mehr Unterstützung durch Bund und Land bräuchten. Diese Forderung hatte der Hessische Städtetag bereits bei der Pressekonferenz im Januar 2020 formuliert, damals noch nicht ahnend, welche Herausforderungen durch Corona kurze Zeit entstehen sollten. Die Finanzierungsdefizite der Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft seien tatsächlich strukturell bedingt: Vom Grunde her sollte es so sein, dass für die Investitionen die Bundesländer zuständig sind und die laufenden Betriebskosten durch die Krankenversicherung getragen werden. Die  Realität sehe aber seit Jahren anders aus: Immer mehr kommunale Krankenhäuser sind darauf angewiesen, dass die Defizite durch die kommunalen Träger ausgeglichen werden müssten, und das bedeute für die Kommunen natürlich eine erhebliche Kostenlast. Gerade in der Coronazeit habe sich gezeigt, dass die kommunalen Krankenhäuser ein stabiler Anker der Gesundheitsversorgung seien, die jedoch pandemiebedingt manche Angebote oder Operationen nicht anbieten konnten und dadurch Einnahmeausfälle zu verzeichnen hatten. Wingenfeld äußerte die dringende Botschaft, dass die Kommunen stärker unterstützt werden sollten, damit es auch weiterhin kommunale Krankenhäuser gebe. Denn gerade diese hätten sich  in der aktuellen Situation als wichtige Stützpfeifer erwiesen, beispielsweise beim bei der schnellen Einrichtung von Impfangeboten. „Unserer Forderung eines hessischen Krankenhausgipfels ist ein Stück weit Rechnung getragen worden, weil die Landesregierung hierzu ganz klar Gesprächsbereitschaft signalisiert hat“, so Wingenfeld.

Neben den kommunalen Krankenhäusern gibt es noch ein anderes Sorgenkind, das dem Hessischen Städtetag Kopfzerbrechen bereitet: die Innenstädte. Hier habe sich der Strukturwandel vom stationären Handel hin zum Onlinehandel durch Corona noch beschleunigt. „Innenstädte müssen sich wandeln, um attraktiv zu sein“, sagte Wingenfeld. Als Zielvorgabe nennt der Fuldaer Oberbürgermeister einen Nutzungsmix in den Innenstädten, der die Bausteine Handel und Gastronomie weiterhin berücksichtige, aber auch auf das Thema Wohnen und Kultur, also Begegnung, setze. Um solche Projekte aber überhaupt aktiv entwickeln zu können, sei eine starke Unterstützung durch Bund und Land, beispielsweise durch ein Aufstocken der Mittel aus der Städtebauförderung und einer Co-Finanzierung vom Land, dringend nötig.

„Es gibt keinen Grund jetzt abzuwarten, denn einige Innenstadtzentren drohen zu veröden, wenn nicht aktiv Innenstadtentwicklung betrieben wird“, appelliert Heiko Wingenfeld.

Zum Thema Finanzlage in den Kommunen warf Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle, Erster Vizepräsident des Hessischen Städtetages, einen besorgten Blick in die Glaskugel. Er warf die Fragen auf, wie sich die Pandemie bei den steuerlichen Erträgen widerspiegeln werde und wie das Land die Kommunen bei der Finanzierung besonderer Aufgaben, wie beispielsweise der Bekämpfung von Corona, der Innenstadtproblematik oder der Finanzierung der Gesundheitsversorgung, unterstützen wolle. „Vergesst die Kommunen nicht, denn dort wird umgesetzt, was in Wiesbaden oder Berlin beschlossen wird“, fordert Geselle.

„Egal was in Berlin oder Wiesbaden beschlossen wird, wir hier vor Ort sind dafür verantwortlich, diese Zukunftsaufgaben anzupacken und umzusetzen. Dabei muss man die Finanzen im Blick haben, aber es ist auch wichtig zu wissen, was personell möglich ist“, knüpfte Wingenfeld an die Ausführungen von Christian Geselle an. Und gab damit das Wort an Michael Schüssler, Vizepräsident des Hessischen Städtetages, der zum Thema Fachkräftemangel einiges zu sagen hatte.

Schüssler forderte, das System aus der Vergangenheit, möglichst viele junge Menschen zu akademisieren, zu überdenken und neu auszutarieren. Eine frühe Berufsorientierung sieht er dabei als elementaren Bestandteil in den Schulen, und es müsse noch mehr über Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesprochen werden. Enorme Herausforderungen sieht Schüssler im Erziehungsbereich. „In wenigen Jahren wird die Betreuungsquote in Kitas und Grundschulen auf bis zu 90 Prozent ansteigen“, wagt Schüssler den Blick in die Zukunft. Das sei aber nur mit genügend Fachkräften zu stemmen. Und vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf flächendeckende Ganztagsbetreuung ab dem Jahr 2029 sei die Problematik nicht mehr nur kommunales Thema allein. Schüssler sieht das Kultusministerium als auch das Sozialministerium als zu passiv vor dem Hintergrund der anstehenden Aufgaben. „Wir müssen agieren und nicht reagieren“, so der Vizepräsident. „Wir müssen weg von einer Nachfrageorientierung hin zur Angebotsorientierung, wir müssen attraktive Ausbildungskapazitäten- und Angebote schaffen sowie mit Tarifpartnern ins Gespräch kommen“.