Fulda | Band 3 von „Impulse am Morgen“ erschienen

„Dem folgen, was das Herz bewegt“

Wer heutzutage Klartext redet, hat Mut. Denn man könnte ja anecken mit dem, was man sagt oder schreibt. Dabei sind Meinungen, die Sachdiskussionen fördern, wichtiger denn je. Insofern sind die Impulse, die Stadtpfarrer und Medienprofi Stefan Buß (59) seit dem Beginn der Corona-Pandemie veröffentlicht, eine couragierte Reflexion des Zeitgeschehens – mit Aha-Effekt, Tiefgang und Unterhaltungswert.

Von Mirko Luis

Normalerweise will uns der Theologe mit Band 3 seines Buchprojekts „Impulse am Morgen“ etwas an die Hand geben, um mit positiven Gedanken und dem Vertrauen in Gott in den Tag zu starten. Umso ehrlicher und authentischer ist sein Eingeständnis, „sich auch einmal Luft machen zu müssen“.

Der in diversen vorangegangenen Veröffentlichungen als „Meister der Kurzpredigt“ geltende Geistliche verschweigt dem Lesepublikum nicht, was ihn in letzter Zeit auch negativ berühre. So bedauert Buß etwa, dass wir bei all den Dingen, die schieflaufen würden, mehr und mehr den Blick verlören für all das viele Gute, das auch passiere. Da würden einige Politiker falsch handeln und in die eigene Tasche wirtschaften – „und schon ist die ganze Politik nichts mehr“. Da handelten in der Kirche einige Protagonisten unredlich oder die Kirche äußere sich über ein Thema in der Gesellschaft – und schon stünden Pauschalurteile wie „die Kirche ist nicht mehr up to date“ oder die Kirche sei „eh schon weit weg von den Menschen“ im Raum.

Buß zufolge besteht die größte Gefahr in einer Verallgemeinerung und der Projektion einer negativen Erfahrung. Seiner Warnung vor zu schnellen Schlussfolgerungen fügt er die effektvolle Anekdote eines Mathematik-Professors bei, der nach einer ganzen Reihe richtig gelöster Aufgaben plötzlich 9×10=91 an die Tafel schrieb und daraufhin der ganze Raum im Hörsaal lachte. In Wirklichkeit lagen all jene Zeitgenossen daneben, die sich vor Lachen ausgeschüttet hatten. Denn der Professor hatte sich, wie er freimütig bekannte, absichtlich verrechnet warum? „Um zu zeigen, wie sich die Welt angesichts eines einzigen Fehlers verhält.“ Keiner habe ihn gratuliert oder gelobt, dass er neun Mal alles richtig gemacht habe. Aber alle Leute hätten ihn aufgrund eines einmaligen Irrtums verletzt, gelästert und gedemütigt.

Buß wartet in seinem jüngsten Buch mit einem wahren Feuerwerk anekdotenreicher Geschichten – teils mit biblischen, teils mit weltlichen Bezügen – auf. Es ist eine rasante Fahrt durch Zeit und Raum, virtuos erweckt Buß mit seinen immer wieder überraschenden Gedankengängen und Sichtweisen bekannte Personen der Geschichte, aber auch der Gegenwart zum Leben. Die Bandbreite berühmter Protagonisten reicht vom Heiligen Bonifatius über den am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligten Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) bis hin zu Schriftsteller Michael Ende (1929 – 1995), der so faszinierende Bücher wie „Momo“, die „Unendliche Geschichte“ oder „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ geschrieben hat.

„Sinn finden Menschen dann, wenn ihr Leben stimmig ist, wenn sie es selbst in die Hand nehmen und gestalten.“ Stadtpfarrer Stefan Buß

Das Lied „Geiles Leben“ des deutschen Elektropop-Duos „Glasperlenspiel“ nahm Buß für einen gleichnamigen Impuls zum Anlass. In dem Lied geht es um die Party-Generation. Auf „Ich wünsch‘ dir noch ein geiles Leben – mit knallharten Champagnerfeten, mit Fame, viel Geld, dicken Villen und Sonnenbrillen folgt im Refrain „Ich seh doch ganz genau, dass du eigentlich was anderes willst!“ Buß interpretiert dies als Ausdruck einer Sehnsucht nach tieferem Leben und Sinn – und liefert eine erstaunlich klare Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Buß: „Sinn finden Menschen dann, wenn ihr Leben stimmig ist, wenn sie es selbst in die Hand nehmen und gestalten – und damit für sich eine Lebensspur eingraben.“ Buß zufolge gehe es dabei nicht darum, Großes zu leisten, sondern seiner Berufung zu folgen: dem, was das Herz bewegt, was berührt und lebendig macht.

Bei Fragen wie „Würden Sie Jesus einen Esel borgen?“ (mit anschließendem Hinweis auf dessen Vertrauenswürdigkeit), Überschriften wie „Bonbon und Bibel“ mit alsbaldigem Verweis auf Psalm 19 „Gottes Wort ist süßer als Honig“ oder „Was ist in meinem Leben wesentlich?“ fällt es schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Und das ist das Gute: Um den Corona- oder Winterblues zu vertreiben, kann man die Impulse entweder in einem Zug durchlesen oder sich tatsächlich jeden Morgen einen „inneren Weckruf“ gönnen.

Alle Texte beginnen übrigens mit „Ich bin Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda!“ Dazu muss man die Entstehungs-Story kennen. In seinen „Impulsen zum Anhören“ sah der in der Rundfunkarbeit erfahrene Stadtpfarrer einen Weg, um Menschen im Lockdown mit guten Gedanken zu erreichen. „In kürzester Zeit wuchs die Hörerzahl auf mehrere Zehntausend an, und die Gedanken wurden nicht nur in Fulda, sondern auch weltweit angehört“, beschreibt Rainer Klitsch, Geschäftsführer von Parzellers Buchverlag, die Reaktionen auf die vertonten Impulse. „Aber auch die Bücher laufen sehr gut“, berichtet Klitsch. So sei Band 1 von „Impulse am Morgen“ – zu Weihnachten 2020 herausgegeben – bereits in der zweiten Auflage. Bereits zu Ostern vorigen Jahres war Band 2 erhältlich. Jetzt, kurz vor Weihnachten, erschien der dritte Band.

Stefan Buß: „Impulse am Morgen“, 260 Seiten, 9 Euro (Ladenpreis), Parzellers Buchverlag